Seitenwechsel

Christian Lindners weicher Fall – auch dank Springer und KKR?


Vor gut einem Jahr brachte die FDP unter Christian Lindners Führung die Ampelkoalition zum Scheitern. Nun, nach Ablauf der üblichen Abkühlphase, fängt Lindner ausgerechnet bei einem Unternehmen an, dessen Besitzer den Zwist in der Ampelkoalition mit befeuert haben.

von 14. November 2025

In den letzten Wochen gab Ex-Finanzminister Christian Lindner bekannt, gleich mehrere neue Stellen annehmen zu wollen. Neben einer Managerposition beim Kfz-Händler Autoland und einem Beraterposten beim US-Unternehmen Teneo, das auch im Lobbygeschäfts unterwegs ist, fällt ein Job besonders auf: Lindner soll Mitglied des „Shareholder Boards“ – also einer Art Beirat – des Unternehmens Stepstone werden. Dazu ist wichtig zu wissen: Das Unternehmen war lange Teil des Medienkonzerns Springer – und gehört nun unter anderem dem Finanzinvestor KKR, während Springer noch eine Minderheitsbeteiligung hält. Vor allem zum Springer-Konzern hatte Lindner während seiner Zeit als Finanzminister enge Verbindungen. Das macht Lindners Seitenwechsel pikant.

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Bild: Bundesministerium für Finanzen, CC BY 2.0

Karenzzeitregel kann schnelle Anschlussjobs verhindern

Dass Lindners Jobankündigungen so geballt auftreten, liegt wohl an der Karenzzeitregelung: Mitglieder der Bundesregierung können seit 2015 nicht mehr einfach so aus dem Amt in neue Tätigkeiten bei Unternehmen und Verbänden wechseln. Stattdessen müssen sie laut Ministergesetz die Absicht, eine neue Tätigkeit aufnehmen zu wollen, bei der Bundesregierung anmelden. Diese kann den Wechsel dann bis zu 18 Monate lang untersagen. In der Regel beträgt diese Abkühlphase, auch Karenzzeit genannt, aber nur 12 Monate.

So verhält es sich auch bei Christian Lindners verschiedenen neuen Tätigkeiten als Unternehmensberater und Mitglied des Shareholder Boards der Stepstone Group, die er nun exakt ein Jahr nach dem Bruch der Ampelregierung aufnehmen wird. Die Bundesregierung hatte eine Karenzzeit von 12 Monaten verhängt, „soweit die Tätigkeit in Sachbereichen erfolgt, die mit der früheren Amtstätigkeit von Herrn Lindner als Bundesminister der Finanzen in einem engen Zusammenhang stehen“. Auch Beratung mit Hinblick auf Lobbyarbeit gegenüber Behörden und Parlamenten in der EU, im Bund oder auf Landesebene untersagte die Bundesregierung für diesen Zeitraum.

Stepstone: Ein neuer Job mit alten Verbindungen

Lindner hat sich also an die geltenden Regeln gehalten. Dennoch lohnt der Wechsel zu Stepstone eine genauere Betrachtung: Stepstone ist vor allem als Job-Börsenportal bekannt und war lange Teil des Medienkonzerns Axel Springer. Seit Kurzem gehört es nun aber unter anderem dem Finanzinvestor KKR, mit dem Springer 2019 eine strategische Kooperation einging. Die Axel Springer SE hält weiterhin eine Minderheitsbeteiligung von 10 Prozent.

Als Mitglied des Shareholder Boards ist Lindner kein Angestellter der Stepstone Group, sondern wird direkt von den Anteilseignern, also KKR, der Axel Springer SE und dem kanadischen Pensionsfonds CPP entsandt. Ob Lindner dafür bezahlt wird, beantwortet die Stepstone Group nicht: Weder Springer noch KKR antworteten auf unsere Fragen. Das einzige andere öffentlich bekannte Mitglied des Shareholder Boards ist Jan Bayer. Bis Mitte dieses Jahres war er noch stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Axel Springer und für das US-Geschäft zuständig. Jetzt ist er der Aufsichtsratsvorsitzende bei Springer. Dass die ehemalige Nummer zwei des Springer-Konzerns die gleiche Stelle besetzt wie Lindner, kann als Zeichen gelesen werden, dass die Position mit gewissen Vorteilen einhergeht – sei es in Form von privilegierten Zugängen oder durch Entlohnung.

Sowohl Springer als auch KKR verbindet eine längere Geschichte mit der FDP und ihrem Kurs innerhalb der Ampelregierung.

Springer-Chef Döpfner wollte die FDP stärken

LobbyControl/Holger Müller - CC-BY-NC-ND 4.0
Springer und KKR
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Springer und KKR

Döpfner übte nach Recherchen der „Zeit“ im Bundestagswahlkampf 2021 Druck auf die Bild-Chefredaktion aus, doch bitte die FDP zu stärken. So zum Beispiel in einer Textnachricht an die Chefredaktion der Bild-Zeitung: „Unsere letzte Hoffnung ist die FDP. Nur wenn die sehr stark wird – und das kann sein – wird das grün-rote Desaster vermieden."

Noch zwei Tage vor der Bundestagswahl schrieb Döpfner an den damaligen Bild-Chefredakteur und heutigen Betreiber des rechten Hetzportals NIUS Julian Reichelt (sic): „Please stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind, können sie in Ampel so autoritär auftreten, dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert." Tatsächlich fiel die Berichterstattung der Bild im Wahlkampf und während der Ampel-Zeit immer wieder als FDP- und sogar Lindner-freundlich auf.

KKR-Topmanager wiederum unterstützten die FDP im selben Wahlkampf mit Parteispenden von insgesamt 100.000 Euro. Angeblich aus rein privaten Motiven.

Die FDP und Christian Lindner dürften sich über diesen doppelten Zuspruch gefreut haben. Die FDP erzielte mit 11,5 Prozent ein für ihre Verhältnisse sehr gutes Ergebnis. Wie es sich Döpfner gewünscht hatte, war eine rot-grüne Koalition ohne die FDP nicht möglich, Lindner wurde Finanzminister.

Die Bild-Zeitung beeinflusst die Heizungsdebatte

Wenige Monate nach Start der Ampelregierung spielte die Bild-Zeitung erneut eine fragwürdige Rolle: Vor allem in der hitzigen Debatte um das sogenannte Heizungsgesetz spielte Springers Leitmedium, die Bild-Zeitung, eine unrühmliche Rolle. Bild und FDP torpedierten das Gesetz und bedienten damit auch die Interessen der stark in fossile Energien investierten KKR; wir berichteten ausführlich. KKR war damals noch einer der Hauptinvestoren bei Springer. Eine direkte Beeinflussung der Springer-Redaktionen durch die Konzernleitung oder KKR lässt sich zwar nicht belegen, die Bild-Chefredaktion dementierte jegliche Beeinflussung der Berichterstattung.

Klar ist aber: KKR-Managerinnen standen in regem Austausch mit der Bundesregierung, einschließlich Lindner und seinem Ministerium. 21 Treffen von KKR-Managerinnen mit der damaligen Bundesregierung sind dokumentiert, mehrere davon zu energiepolitischen Themen.

Lindner arbeitet auf ein Scheitern der Ampel hin

Gleichzeitig arbeiteten auch Lindner und seine Partei an einem Scheitern der Ampel-Koalition, ganz wie es sich Döpfner gewünscht hatte. Immer wieder wurden bereits getroffene Kompromisse in letzter Sekunde von der FDP aufgekündigt und interne Absprachen an die Presse durchgestochen. Gerade Lindner nutzte die Budgetverantwortung des Finanzministeriums, um Vorhaben der Koalition in letzter Minute zu stoppen oder zu blockieren.

In der Bevölkerung entstand dadurch das Bild einer ständig zerstrittenen und handlungsunfähigen Regierung, das letztlich auch maßgeblich für ihr Scheitern werden sollte. Für die FDP und Lindner hatte die Blockadehaltung jedoch noch ungeplante weitere Folgen: Die FDP flog nicht nur aus der Ampelregierung, sondern wenig später auch aus dem Bundestag. Lindner beendete seine politische Karriere.

Lindners neuer Posten hinterlässt faden Beigeschmack

Dass Lindner nun bei einem Unternehmen mit engen Verbindungen ausgerechnet zu Springer und KKR anfängt, hat einen faden Beigeschmack. Er setzt damit seine langjährigen Beziehungen fort, die sicherstellten, dass er nach dem Scheitern seiner politischen Karriere trotzdem weich landet.

Es ist gut, dass es in Deutschland eine Karenzzeitregelung für ausscheidende Regierungsmitglieder gibt und die Bundesregierung diese im Fall Lindner mit einer Karenzphase von einem Jahr auch recht streng anwendet. Doch bei einem Wechsel zu einem Unternehmen, dessen Anteilseigner so intensiv mit der politischen Tätigkeit von Christian Lindner verbunden waren, braucht es eine längere Karenzzeit. Hier hätte die Bundesregierung im Rahmen der bestehenden Regelung auch den maximalen Rahem ausschöpfen können bzw. sollen. Vor allem aber braucht es einen besseren Rahmen, der grundsätzlich längere Karenzzeiten ermöglicht. LobbyControl fordert eine Verdopplung der maximalen Karenzzeit auf 36 Monate.

LobbyControl/Markus Jäger - CC-BY-NC-ND 4.0

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Lindners andere neue Jobs

Lindner als Investor

Neben dem Job bei Stepstone will Lindner allerdings noch zahlreiche weitere Tätigkeiten aufnehmen, wie in den letzten Wochen nach und nach bekannt wurde. Dazu zählt die „Verwaltung eigenen Vermögens“ als Startup-Investor. Die Bundesregierung hat auch dafür eine Karenzzeit von einem Jahr ausgesprochen, soweit Lindner in Unternehmen in der Finanzbranche investieren möchte oder Unternehmen bezüglich ihres „Verhältnisses“ zur Bundes-, Landes- oder EU-Politik beraten möchte

Es ist vollkommen richtig, dass die Bundesregierung hier eine Karenzzeit für diejenigen Bereiche ausspricht, für die Lindner zuvor politisch verantwortlich war, und auch dass ihm Beratung mit Blick auf Lobbyarbeit untersagt wird. Allerdings wäre auch hier ein längerer Zeitraum absolut angemessen..

Lindner als Berater

Dasselbe gilt für seinen Einstieg als Berater für das US-Beratungsunternehmen Teneo, das auch im Kundenauftrag Lobbyarbeit gegenüber Bundestag und Bundesregierung betreibt. Zu den Kunden zählen Banken und Finanzdienstleister. Auch diesem Wechsel hat die Bundesregierung nach Ablauf von 12 Monaten Karenzzeit wohl zugestimmt, eine offizielle Bekanntmachung liegt dazu allerdings noch nicht vor. Ein Sprecher Lindners beteuerte zwar gegenüber der Rheinischen Post, dass Lindner nicht in Lobbyarbeit gegenüber der Regierung involviert sei. Letztlich kann aber kaum sichergestellt werden, dass Lindner Lobbykunden der Firma nicht im Hinblick auf ihre Lobbyarbeit berät oder sein Kontaktnetzwerk zur Verfügung stellt. Daher wäre auch hier eine längere Abkühlphase durchaus geboten.

Lindner als Gebrauchtwagenhändler

Erst in diesen Tagen wurde bekannt, dass Lindner außerdem als Manager bei der Autoland AG anfangen möchte. Er soll dort stellvertretender Vorstandsvorsitzender werden und unter anderem die Digitalisierung des Gebrauchtwagenhändlers vorantreiben. Als FDP-Chef hat Lindner sich stets für die Interessen der deutschen Autoindustrie und insbesondere den Verbrennungsmotor eingesetzt. Es hat immer einen faden Beigeschmack, wenn Politiker*innen sich im Amt stark für die Anliegen eines neuen Arbeitgebers eingesetzt haben. Ein Job dort wirkt dann mitunter wie ein Dankeschön oder eine Versilberung des politischen Engagements. Allerdings ist Autoland nicht Porsche und Lindner wird dort wohl nicht für Politik und Lobbyarbeit zuständig sein. Insofern ist der Gebrauchtwagenhändlerjob der am wenigsten problematische der zahlreichen neuen Tätigkeiten Lindners.

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