Pressemitteilung

Gekaufte Wissenschaft: dena-Leitstudie zur Klimaneutralität von Lobbyisten gekapert?

Das Sponsoringmodell der dena-Studie gefährdet aus Sicht von LobbyControl die Neutralität der Leitstudie und hat äußerst problematische Folgen
von 24. März 2021

LobbyControl kritisiert die Leitstudie „Aufbruch Klimaneutralität – Wege und Möglichkeiten für Weichenstellungen der 2020er Jahre“ der bundeseigenen Energieagentur dena, deren Zwischenfazit morgen früh veröffentlicht wird. Bei der Studie kaufen sich sogenannte “Partner” über Sponsoring mit bis zu 35.000 Euro ein und dürfen über die Ergebnisse mitentscheiden. Unter den Partnern sind ausschließlich Unternehmen und ihre Lobbyverbände, viele darunter aus der Energiebranche. Das Sponsoringmodell gefährdet aus Sicht von LobbyControl die Neutralität der Leitstudie und hat äußerst problematische Folgen. Unveröffentlichte Ergebnisse, die LobbyControl zugespielt wurden, legen nahe: Die Gas- und Öllobby versucht über die Leitstudie die Debatte um die Klimaziele zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die dena-Studie soll Politik und Unternehmen konkrete Empfehlungen geben, welche Weichenstellungen in der Energiepolitik in den nächsten Jahren getroffen werden sollen.

Christina Deckwirth, Sprecherin von LobbyControl, kommentiert:

“Die Bundesregierung lässt sich von Konzernen wie RWE und Thyssengas buchstäblich vorschreiben, wie die Klimapolitik in den nächsten Jahrzehnten aussehen soll – und wirbt dafür auch noch Sponsorengelder ein. Hier organisiert die öffentliche Hand Bezahlforschung unter dem Deckmantel von wissenschaftlicher Neutralität. Hinzu kommt: Für die Öffentlichkeit bleibt im Dunkeln, dass sich Unternehmen finanziell an der Studie beteiligen. Das ist ein Unding. Studien der Bundesregierung, die einseitig von Unternehmen gesponsert werden, behindern glaubwürdige Forschung, die den Klimaschutz tatsächlich voranbringt. Wir wollen verhindern, dass die Studie weiter von Unternehmensinteressen gekapert wird.”

dena-Leitstudie markiert neue Dimension des Lobbyeinflusses

Ob Monsanto oder die Tabakindustrie - immer wieder versuchen Unternehmen, mit bezahlten Studien den politischen Wind zu ihren Gunsten zu drehen. Doch der dena-Fall geht darüber hinaus: Denn hier ist es die Bundesregierung selbst, die eine Instrumentalisierung der Wissenschaft durch Unternehmensinteressen aktiv organisiert und institutionalisiert, indem sie Partner aus der Wirtschaft zur Einflussnahme einlädt. Sie nimmt damit in Kauf, dass Unternehmen die Forschung im Sinne ihrer Geschäftsinteressen verzerren. Politisch verantwortlich dafür ist das Bundeswirtschaftsministerium, das mit Staatssekretär Thomas Bareiß (CDU) den Aufsichtsratsvorsitzenden der dena stellt.

Deckwirth:
“Forschung einer Bundesagentur, die im öffentlichen Interesse und Auftrag erfolgt, muss aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden. Das gilt gerade für eine Leitstudie, die als zentraler Orientierungspunkt der Klimapolitik gelten soll. Das Bundeswirtschaftsministerium und die dena sollten ihr Sponsoringmodell stoppen und für seriöse und ausgewogene Forschung sorgen. Unternehmen der betroffenen Branchen sollten Auskünfte geben, aber von Entscheidungen und Finanzierung der Studie ausgeschlossen sein.”

Gas- und Öllobby geht aggressiv gegen Klimaziele vor

Unveröffentlichte Ergebnisse der dena-Leitstudie, die LobbyControl zugespielt wurden, legen nahe, dass die Partner der Studie ihren Einfluss tatsächlich zu ihren Gunsten nutzten. Die entsprechenden Textstellen weisen sehr deutlich auf die Lobbyeinflüsse hin und waren daher offenbar sogar intern zu kontrovers, so dass sie nicht veröffentlicht wurden. Es fällt auf, dass die Vorannahmen der Studie für den Weg in die Klimaneutralität den Energieträgern Erdgas, Wasserstoff und Öl eine übergroße Bedeutung beimessen. Gerade im Gebäude- und Verkehrsbereich sollten demnach die genannten Energieträger noch viele Jahre eine vergleichsweise große Rolle spielen. Mit diesen fossil-freundlichen Vorannahmen sollen offenbar Technologie-Pfadabhängigkeiten zugunsten der Gas- und Ölindustrie zementiert werden.

Deckwirth:
„Die dena darf sich nicht vor den Karren der Gaslobby spannen lassen. Sie würde damit den ohnehin großen Einfluss der Gasindustrie in Deutschland verstärken und mit ihrer Leitstudie neue argumentative Grundlagen für milliardenschwere Investitionen in die Gasinfrastruktur liefern. Das könnte den dauerhaften Einsatz von Gas und fossil gewonnenem Wasserstoff zementieren und die Klimaziele torpedieren.”

Hintergrund

Die dena-Leitstudie gilt als zentrale Studie für die Auseinandersetzungen um den klima- und energiepolitischen Kurs der Bundespolitik. Der Zwischenbericht wird morgen veröffentlicht und wirkt in den Bundestagswahlkampf hinein.

Die dena hat LobbyControl gegenüber bestätigt, dass die Partner der Studie 80 Prozent der Kosten getragen und dafür ein Mitspracherecht bei der Erstellung der Studie bekommen haben. Die dena veröffentlicht zwar die Namen der beteiligten Unternehmen, nicht aber Informationen zu deren finanzieller Beteiligung.

Die dena stellt den Zwischenbericht der dena-Leitstudie um 9 Uhr in einem Online-Pressegespräch vor. LobbyControl startet zur Veröffentlichung des Zwischenberichts eine Online-Protestaktion und fordert darin ein Ende des Sponsoringmodells bei der Leitstudie.

Weitere Informationen zum einseitigen Lobbyeinfluss auf die dena-Leitstudie finden Sie im Blogbeitrag auf unserer Webseite.

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