Parteienfinanzierung

Rechenschaftsberichte belegen intransparente Parteienfinanzierung

Die Bundestagsverwaltung veröffentlichte gestern die Rechenschaftsberichte der Parteien für das Jahr 2011. Die Berichte offenbaren erneut gravierende Regulierungslücken bei der Transparenz der Parteienfinanzierung. Mehr Transparenz bei Parteispenden ist vor allem in Wahlkampfzeiten dringend notwendig. Auch der Europarat fordert hier Verbesserungen von Deutschland – aber Union und FDP blockieren diese seit Jahren.
von 21. März 2013

Die Bundestagsverwaltung veröffentlichte gestern die Rechenschaftsberichte der Parteien für das Jahr 2011. Die Berichte offenbaren erneut gravierende Regulierungslücken bei der Transparenz der Parteienfinanzierung. So konnten Großspender ihre Zuwendungen so stückeln, dass die einzelnen Spenden unter der Schwelle von 50.001 Euro blieben, ab der Spenden umgehend veröffentlicht werden müssen. Auch alle Spenden unter 10.000 Euro und alle Einnahmen, die die Parteien aus Sponsoring erzielen, sind intransparent. Mehr Transparenz bei Parteispenden ist vor allem in Wahlkampfzeiten dringend notwendig. Auch der Europarat fordert hier Verbesserungen von Deutschland – aber Union und FDP blockieren diese seit Jahren.

Stückelung weiterhin gängige Praxis

Das Parteiengesetz sieht vor, dass Spenden über 50.000 Euro sofort veröffentlicht werden müssen. Diese Regelung bezieht sich allerdings nur auf Spenden, die im Einzelfall den Betrag von 50.000 Euro überschreiten. Das bedeutet, dass Großspender ihre Zuwendungen so stückeln können, dass sie erst im Rechenschaftsbericht als Gesamtsumme auftauchen – auch wenn diese den Betrag von 50.000 Euro deutlich übersteigt.

Verzögerung bei der Offenlegung

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) spendete 2011 beispielsweise insgesamt jeweils über 50.000 Euro an CDU (110.000), SPD (60.000) und FDP (72.000), ohne dass diese Summen sofort veröffentlicht wurden. Auch mit ihrer Spende von 47.000 Euro an die CSU blieb der VCI unter der Grenze zur sofortigen Offenlegung. Die Rechenschaftsberichte erscheinen in der Regel erst mit 15 Monaten Verspätung. Dadurch wird es der Öffentlichkeit erschwert, Großspenden kritisch zu prüfen und auf mögliche Zusammenhänge mit politischen Entscheidungen zu untersuchen.

Raffinierte Spendenpraxis der DVAG

Ein wahrer Meister beim Spendenstückeln ist die Deutsche Vermögensberatungs AG (DVAG). Ihre Spende über 135.000 Euro an die CDU wird erst jetzt bekannt, obwohl sie in der Summe weit über der Veröffentlichungspflicht liegt. Die DVAG geht dabei noch raffinierter vor als der VCI: Sie stückelt ihre Spenden nicht nur in Beträge unter 50.001 Euro, sondern verteilt sie auch auf verschiedene Spender. So erhielt die CDU nicht nur die Großspende von der DVAG selbst, sondern auch jeweils 40.000 Euro von den mit der DVAG verbundenen Unternehmen Allfinanz und UBG Unternehmensberatung und Betreuung GmbH. Zusätzlich erhielt die CDU noch 65.000 Euro von Reinfried Pohl, dem Vorstandsvorsitzenden der DVAG. An die FDP spendeten die DVAG und Allfinanz jeweils 40.000 Euro. Auch mit der 50.000 Euro-Spende an die SPD umging die DVAG ganz knapp die Veröffentlichungspflicht.

Vollständige Intransparenz bei kleineren Spenden

Anteil der intranparenten Parteispenden 2011 nach Parteien

Anteil der intranparenten Parteispenden 2011 nach Parteien

Vollständige Intransparenz herrscht bei allen Spenden unter 10.000 Euro. Diese Spenden tauchen nur gesammelt unter den Gesamtspendeneinnahmen der Parteien auf – ihre Herkunft bleibt damit verborgen. Aus unserer Sicht ist dieser Schwellenwert viel zu hoch. Die aktuellen Rechenschaftsberichte zeigen, dass 2011 nur 25,6% der Spenden an die Bundestagsparteien über 10.000 Euro lagen und damit samt ihrer genauen Höhe und Herkunft nachvollziehbar sind (siehe Grafik zu den einzelnen Parteien, eigene Berechnungen). Selbst bei den Spenden von juristischen Personen wie Unternehmen oder Verbänden liegen 63% unter der Veröffentlichungsschwelle. Wir fordern daher, Spenden bereits ab 2.000 Euro in den Rechenschaftsberichten auszuweisen.

Sponsoring als Schlupfloch

Auch Einnahmen der Parteien aus Sponsoring-Geschäften bleiben im Dunkeln. Sie werden als Teil der “Einnahmen aus Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften und sonstiger mit Einnahmen verbundenen Tätigkeiten” ausgewiesen. Wie hoch darin der Anteil an Sponsoring ist, bleibt unbekannt. Das Sponsoring bietet Unternehmen und Verbänden also ein Schlupfloch, um die gesetzlichen Offenlegungspflichten zu umgehen. Unternehmen können Sponsoring-Ausgaben im Gegensatz zu Parteispenden zudem steuerlich geltend machen. Im Jahr 2011 nahmen die Parteien rund 37 Millionen Euro in der Kategorie, zu der auch das Sponsoring zählt, ein. Spitzenreiter sind die SPD mit 13,7 Millionen Euro und die CDU mit 12,6 Millionen Euro.

Union und FDP müssen Blockadehaltung aufgeben!

Aktionsfoto Gelbe Karte für Merkel In Wahljahren sind Parteispenden besonders brisant. Wir werden aber erst im Frühjahr 2015 erfahren, wer den Parteien im diesjährigen Bundestagswahlkampf wieviel spendete. Die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) hat Deutschland gesonderte Wahlkampf-Rechenschaftsberichte vorgeschlagen. Sie drängt außerdem darauf, die Schwellen abzusenken, ab denen Spenden veröffentlicht werden müssen. Wir haben die Bundesregierung im letzten Jahr mit der Aktion „Gelbe Karte für Merkel!“ aufgefordert, endlich den GRECO-Forderungen nachzukommen. Schwarz-Gelb muss endlich ihre Blockadehaltung aufgeben und Verantwortung übernehmen für mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung.

Stückelungen abstellen!

Die Stückelungspraxis ließe sich relativ leicht abstellen: Spenden müssten über das Jahr aufsummiert und sofort veröffentlicht werden, wenn die Summe den Betrag von 50.000 Euro überschreitet. Dieses Verfahren wird derzeit bereits bei kleineren Spenden angewandt. Wenn ein Spender über das Jahr hinweg mehrmals spendet, werden die Spenden zusammengezählt und in den Rechenschaftsberichten veröffentlicht, sofern die Summe der Spenden 10.000 Euro übersteigt.

Schranken und Transparenz bei der Parteienfinanzierung!

Wir fordern die Herabsetzung der Offenlegungspflichten für Parteispenden: Spenden über 10.000 Euro sollten umgehend veröffentlicht werden und nicht erst – Monate später – in den Rechenschaftsberichten. In den Rechenschaftsberichten sollten bereits alle Spenden ab 2.000 Euro angezeigt werden. Darüber hinaus setzen wir uns für eine Begrenzung von Spenden auf insgesamt 50.000 Euro pro Spender und Jahr ein. Für das Parteiensponsoring fordern wir die gleichen Transparenzregeln und Schranken wie für Parteispenden.

Die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) wird zudem im Sommer erneut die (bisher blockierte) Umsetzung ihrer Empfehlungen in Deutschland prüfen. Die Nähe zur Bundestagswahl ist eine Chance, die wir nutzen wollen, um weiter Druck zu machen. Tatsächlich deutete die CDU vor kurzem erstmals Gesprächsbereitschaft beim Thema Sponsoring an.

Hier finden  Sie unsere Pressemitteilung zu dem Thema als pdf.

Ergänzungen

Foto Gelbe Karte: Jakob Huber/ LobbyControl.
Grafiken: Jasper Fleischhauer/ LobbyControl, Lizenz CC-BY-SA 3.0

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Kommentare

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9 Kommentare

Frauke Tjaden22. März 2013 um 20:52

Hi,ihr phantastischen LobbykontrolleurInnen!
Gibt es eine Möglichkeit,z.B. per Unterschriftensammlung /per e-mail die Parteien zu mehr
Transparenz zu „zwingen“?
MfG
F.Tjaden

Ronny (TI EU)23. März 2013 um 12:25

Auf EU-Ebene ist das Thema auch gerade aktuell: Die EU-Parteienfinanzierung wird (mit Blick auf die Europawahlen 2014) gerade reformiert und für die Abstimmung im zuständigen EU-Parlaments-Ausschuss, die aktuelle für den 15. April geplant ist, liegen neben ein paar sinnvollen Vorschlägen (mit unklaren Mehrheiten) eine ganze Reihe von Änderungsanträgen vor, die das System weniger transparent werden ließen.

Es liegt z.B. liegt ein Kompromissantrag vor, die Organisation von „gemeinsamen Veranstaltungen“ von der Definition einer Spende auszunehmen, was die Tür für intransparentes Sponsoring öffnen würde. Mehr hier.

Ronny, EU-Büro von Transparency International

Klaus Kabey23. März 2013 um 13:33

Hallo,
wohin man Blickt im Politikbetrieb wird getrickst, geschummelt oft auch betrogen. Es kotzt einen an. Natürlich ist es dort wie im Rest der Bevölkerung nur man tut so als wäre sie alle die „SauberFrauen-/männer, der Nation. Ziel ist die Macht und die vollen Taschen noch weiter vollstopfen.
Wenn es z. B. darum geht einer alleinerziehenden Mutter einige Euro mehr ins Portemonnaie zu schaffen sind alle plötzlich taubstumm.

Critical23. März 2013 um 18:19

Die Idee finde ich nicht schlecht, kann man sie auch umsetzen?
= Frage an LobbyControl …

Christina Deckwirth26. März 2013 um 12:02

Liebe Frau Tjaden,
genau das war das Ziel unserer Aktion „Gelbe Karte für Merkel“: http://www.lobbycontrol.de/2012/06/5022-menschen-zeigen-merkel-die-gelbe-karte/
Leider ist seitdem nicht viel passiert. Wir werden die Intransparenz bei Parteispenden auch im Wahlkampf immer wieder thematisieren und Schwarz-Gelb zum Handeln auffordern.
Viele Grüße,
Christina Deckwirth

Oliver Spriestersbach26. März 2013 um 14:56

Hier eine Repotage zu den teils sehr bizarren Sponsoring-Einnahmen der Bundesparteien:

http://www.youtube.com/watch?v=mvwK7E0Xbv0&feature=player_embedded

Jan2. April 2013 um 18:00

Lesenswerter Beitrag, den ich gerne empfehlen werde, weiter so!

ernesto14. Mai 2013 um 13:34

Frau Deckwirth, eine gute Reportage. Danach kann man zu dem Schluß kommen, nur die LINKE ist noch wählbar, weil sie nicht zu den Lobbyisten der Industrie zählt.

Heinrich Oldenbug1. Dezember 2013 um 17:59

Da gibt es noch ganz andere Möglichkeiten. Angenommen, fünf Mitglieder einer großen Partei fahren mit einem Auto zu einer etwa 200 km entfernten politischen „Fortbildungsveranstal-tung“. Auf der Fahrt wird vereinbart, jeder rechnet mit der Partei Fahrtkosten ab => 2 x 200 km x 0,30 € = 120,00 €. „Und die spendet dann jeder zurück! Vom Finanzamt kriegt dann jeder 60,00 € Steuererstattung und die Partei kriegt aus der Parteienfinanzierung auf die 5 x 120 € = 600,00 € Spende 600 x 0,38 = 228 € Parteienfinanzierung vom Staat. – Alles klar!“
Die entstandenen Fahrtkosten betrugen in diesem Fall 120 €, Vater Staat aber kostet ess glatte 5 x 60 + 228,00 = 528,00 €. Toll, oder?
Natürlich, jeder gibt dem Fahrer dann was von seiner Steuererstattung ab. Oder abwechselnd nimmt jeder mal kostenlos 4 Leute mit zum Parteitag, zu „Fortbildungen“, zu Werbeveranstaltungen, …
Man stelle sich vor, das macht ein großer Teil der mehrere hunderttausend Mitglieder. Da kommt auch hübsch was zusammen.