LobbyControl/Zitrusblau - CC-BY-NC-ND 4.0
Das Fehlen eines Deckels für Parteispenden und Sponsoring ist das größte Problem bei der privaten Parteienfinanzierung in Deutschland.
Parteienfinanzierung

Parteispenden: Deutschland ist das intransparenteste Land in Europa

Eine internationale Recherchekooperation, an der auch LobbyControl beteiligt ist, zeigt: Nirgends wird so viel an Parteien gespendet wie in Deutschland. Und nirgends sind so viele Spenden intransparent wie hier.

von 29. Mai 2024

Eine internationale Recherchekooperation mit ZDF Frontal, dem niederländischen Investigativmedium Follow The Money, dem britischen Guardian und 22 weiteren Medien hat die Regeln und die Transparenz von Parteispenden in 22 EU-Staaten verglichen. LobbyControl hat an der Erarbeitung der Daten für Deutschland mitgearbeitet.

Deutschland ist Parteispenden-Spitzenreiter...

Das Ergebnis: In Deutschland erhielten die Parteien im Zeitraum 2019-2022 mehr als zehnmal so viele Zuwendungen von Privatpersonen, Mandatsträger:innen und Unternehmen wie in jedem anderen untersuchten Land. Allein an die Parteien im Bundestag flossen in diesem Zeitraum 633 Millionen Euro. Insgesamt flossen in den untersuchten Staaten 937 Millionen Euro an Spenden und ähnlichen privaten Zuwendungen an die Parteien. 67,5% davon gingen davon nach Deutschland an die sechs Parteien im Deutschen Bundestag. An die Parteien in den nächstplatzierten Ländern, Frankreich und Niederlande, gingen im gleichen Zeitraum jeweils nur knapp 50 Millionen Euro. Sponsoringeinnahmen von deutschen Parteien sind dabei noch nicht einmal mitgerechnet.

… und mit laschen Regeln zunehmend allein

Der Hauptgrund für die großen Unterschiede sind die von Land zu Land sehr unterschiedlichen Regeln, was für Spenden angenommen werden dürfen, und was offengelegt werden muss. Deutschland ist eines von nur noch acht EU-Ländern, das keinerlei Obergrenze für Parteispenden hat. Dadurch ist das Spendenaufkommen im Vergleich immens hoch. Hinzu kommt auch, dass sich in Deutschland die Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung daran bemisst, wie viel eine Partei aus anderen Quellen einnimmt. Das Einwerben von Spenden ist für deutsche Parteien somit besonders wichtig.

Fehlender Parteispendendeckel als Problem

Das Fehlen eines Deckels für Parteispenden und Sponsoring in Deutschland ist das größte Problem bei der privaten Parteienfinanzierung in Deutschland. Das machen die Zahlen eindrücklich sichtbar. Großspenden verschaffen Vermögenden und Unternehmen privilegierte Zugänge in die Politik und mehr Macht um ihre Interessen durchzusetzen. Das ist undemokratisch. Außerdem können solche Spenden Lobby-Einfallstore darstellen oder sogar zu Abhängigkeiten führen, wenn Parteien dermaßen auf private Finanzierung angewiesen sind, um im finanziellen „Wettrüsten“ bestehen zu können.


Deutschland ist eines der acht letzten EU-Länder ohne Deckel für Spenden und Sponsoring. Hier ein Überblick der verschiedenen Regeln.
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Deutschland ist eines der acht letzten EU-Länder ohne Deckel für Spenden und Sponsoring. Hier ein Überblick der verschiedenen Regeln.

Nach wie vor zu undurchsichtig

Auch sollte für die Öffentlichkeit klar sein, von wem die Partei-Gelder stammen, sodass Wähler:innen diese Entscheidung in ihre Wahlentscheidung miteinbeziehen können. Doch in keinem anderen Land flossen so hohe Mengen intransparenter Gelder an die Parteien wie in Deutschland. 2022, also im aktuellsten Jahr, für das Daten für Deutschland vorliegen, waren bei 77% der Zuwendungen von Privatpersonen, Unternehmen und Mandatsträger:innen die Herkunft der Spenden nicht öffentlich bekannt.

Wegen der starken Unterschiede in den politischen Systemen und den Regeln für Parteispenden sind solche internationalen Vergleiche allerdings nur begrenzt aussagekräftig. In Frankreich sind zum Beispiel 100 Porzent der Parteispenden intransparent. Allerdings sind Spenden durch Unternehmen verboten und für natürliche Personen auf 7.500 Euro pro Jahr begrenzt. All das wäre in Deutschland auch anonym, denn Spender:innen müssen erst bei jährlichen Gesamtspenden ab 10.000 Euro namentlich veröffentlicht werden. Auch müssen bei den deutschen Daten die Mandatsträgerbeiträge, also die regelmäßigen Zahlungen, die Abgeordnete der Parteien nach parteiinternen Regeln an die Partei überweisen, betrachtet werden. Sie werden gemeinsam mit den anderen namentlichen Spenden in den Rechenschaftsberichten gelistet und es lässt sich nicht feststellen, ob nicht auch noch freiwillige Spenden mit dabei sind.

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Parteispenden: Jetzt Deckel drauf!

Spenden für Parteien dürfen in Deutschland beliebig hoch sein. Das ist undemokratisch, da viel Geld viel Einfluss bedeutet. Parteispenden müssen gedeckelt werden.

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Dennoch lässt sich alles zusammen genommen gut sehen, dass in Deutschland ein zu großer Teil der Spendenherkunft undurchsichtig bleibt. Laut der internationalen Recherche, die die unterschiedlichen Systeme mitberücksichtigt, liegen die baltischen Staaten im europäischen Vergleich ganz vorne, während Deutschland mit am schlechtesten abschneidet.

Transparenz nur mit großer Verspätung

Erschwerend kommt hinzu, dass die Transparenz in Deutschland erst mit großer Verzögerung hergestellt wird. Denn nur Spenden ab 50.000 Euro (Seit 2024: 35.000 Euro) werden unverzüglich nach Eingang an die Bundestagsverwaltung gemeldet und veröffentlicht. Alle anderen Spenden werden erst in den Rechenschaftsberichten sichtbar - und diese werden erst 1 bis 2 Jahre nach Spendeneingang veröffentlicht. Dadurch können sich deutsche Bürger:innen für ihre Wahlentscheidungen nicht wirklich darüber informieren, wer die Parteien im Wahlkampf finanziert hat. Der Auftrag des Grundgesetzes, der genau dies von den Parteien einfordert, wird hier also nicht erfüllt.

Was im Jahr 2022 in Deutschland gespendet wurde

Die aktuellsten Daten für Deutschland stammen deshalb aus dem Jahr 2022. Nach dem Rekordspendenjahr 2021, dem letzten Bundestagswahljjahr, lässt sich ein deutlicher Rückgang des Spendenaufkommens (ohne Mandatsträgerbeiträge) beobachten. Von 113,5 Millionen Euro sank das Spendenvolumen um fast die Hälfte auf 60 Millionen Euro.
Die beiden Posten in den Rechenschaftsberichten, in denen das Unternehmenssponsoring von Parteien aufgeführt wird, stiegen hingegen leicht an: von 29 Millionen auf 32 Millionen Euro.

Zusammen mit den Mandatsträgerbeiträgen flossen 136,5 Millionen Euro von natürlichen Personen an die Parteien. 104,5 Millionen davon blieben für die Öffentlichkeit anonym (77%), da die einzelnen Spenden unterhalb der Veröffentlichungsschwelle von 10.000 Euro blieben. Auch von den knapp 13 Millionen Euro, die von Unternehmen an Parteien gespendet wurden, blieb die Herkunft bei 69% der Spendensumme für die Öffentlichkeit unbekannt.

Am meisten intransparente Spenden und Mandatsträgerbeiträge erhielten die CSU (89%) und die CDU (87%) gefolgt von FDP (82%) und AfD (80%). Bei der SPD waren 78% dieser Zuwendungen nicht namentlich gekennzeichnet, bei den Grünen 62% und der Linken 59%.

Was Deutschland tun muss, um sich dem europäischen Standard anzunähern

So unreguliert wie die Parteispenden in Deutschland sind, stellen sie eine Gefahr für die Demokratie dar. Sie unterwandern demokratische Prinzipien, indem sie Vermögenden mehr Einfluss auf die Politik gewähren und sind ein Einfallstor für intransparente und illegitime Einflussnahme. Wegen der mangelnden Transparenz ist auch die Gefahr von strategischer Korruption im Bereich Parteispenden in Deutschland hoch, da schon auf Grund der großen zeitlichen Verzögerung bei der Veröffentlichung kaum kontrolliert werden kann, ob verbotene Gegenleistungen im Gegenzug für Spenden gegeben werden.

Diese Schritte müsste Deutschland ergreifen, um das Problem zu bekämpfen und auf das besorgniserregend schlechte Ergebnis der Recherche zu reagieren:

  • Obergrenzen: Parteispenden und Parteisponsoring sollten auf maximal 50.000 Euro pro Spender:in oder Sponsor:in je Partei pro Jahr begrenzt werden.
  • Bessere Kontrolle: Zur Durchsetzung des Parteiengesetzes sollte eine unabhängige Behörde geschaffen werden, die mit ausreichend starken Kontroll- und Ermittlungsbefugnissen ausgestattet ist. Zusätzlich braucht es eine öffentliche Datenbank mit sämtlichen Daten zu Parteispenden- und -sponsoring.
  • Mehr Transparenz bei Parteispenden: Die Veröffentlichungsschwellen müssen deutlich gesenkt werden. Parteispenden ab 10.000 Euro sollten sofort nach Spendeneingang offengelegt werden müssen. Zuwendungen ab 2.000 Euro sollten namentlich in den Rechenschaftsberichten der Parteien genannt werden müssen.

Dieser Artikel ist der erste Teil unserer Auswertung der Rechenschaftsberichte 2022. Im zweiten Teil werden wir berichten, wer 2022 besonders viel spendete und welche problematischen Muster uns aufgefallen sind.

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