Lobbyregister

Nachbetrachtung: Berlinpolis und die Grauzonen des Lobbyismus

Letzten Freitag hatte die Denkfabrik und Lobbyagentur Berlinpolis zu einer Veranstaltung über die Grauzonen des Lobbyismus eingeladen. Berlinpolis war in die PR-Skandale der Deutschen Bahn und des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) verstrickt. LobbyControl nahm an der Podiumsdiskussion teil. Hier zwei kurze Nachbetrachtungen, ohne den ganzen Diskusssionsverlauf nachzuzeichnen: 1) Berlinpolis: ein echter Neuanfang sieht anders […]
von 2. Dezember 2009

Letzten Freitag hatte die Denkfabrik und Lobbyagentur Berlinpolis zu einer Veranstaltung über die Grauzonen des Lobbyismus eingeladen. Berlinpolis war in die PR-Skandale der Deutschen Bahn und des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) verstrickt. LobbyControl nahm an der Podiumsdiskussion teil. Hier zwei kurze Nachbetrachtungen, ohne den ganzen Diskusssionsverlauf nachzuzeichnen:

1) Berlinpolis: ein echter Neuanfang sieht anders aus.
In seiner Einführung gestand Berlinpolis-Chef Daniel Dettling ein, Fehler gemacht zu haben. Inzwischen habe man aber die Richtlinien des Deutschen PR-Rats anerkannt und in die Arbeitsverträge der MitarbeiterInnen übernommen. Verdeckte PR ist danach unzulässig. Nächstes Jahr solle zudem die Namensgleichheit von Denkfabrik (Berlinpolis e.V.) und Agentur (Berlinpolis GmbH) aufgelöst werden. Auf unsere Forderung nach der Offenlegung aller bisherigen Auftraggeber ging er dagegen nicht ein. Die konkrete Frage, wer z.B. 2006 die Aktivitäten zum Thema Transparenz im Gesundheitswesen finanziert habe, vertröstete er auf nächstes Jahr. Dann könne er noch mal nachsehen, welche Informationen es dazu gebe.

Dicke kam es am Ende der Veranstaltung: das Schluss-Statement von Dettling zeigte, wie schwer er sich wirklich mit einer Distanzierung von der verdeckten PR tut. „Wir haben niemals verheimlicht, Lobbyisten zu sein“, behauptete er – obwohl er 2007 und 2009 auch auf Nachfragen die Auftragsbeziehungen zur Bahn bzw. zur Lobbyagentur EPPA GmbH verleugnet hatte. Berlinpolis verstehe sich als Gegenorganisation zu Attac, sei aber viel kleiner. Ein bezeichnendes Selbstbild: Berlinpolis war an einer verdeckten PR-Kampagne in Höhe von 1,6 Mio. Euro beteiligt, mit der das Großunternehmen Deutsche Bahn gegen das Bündnis Bahn für Alle (u.a. Attac) vor ging. Anders als Berlinpolis war dieses Bündnis stark von Bürgerinnen und Bürgern getragen. Sich dann als vermeintlicher David darzustellen, obwohl man eigentlich das bezahlte U-Boot eines Großunternehmens war, ist einfach nur absurd.

2) Debatte um Lobby-Transparenz: Abwehrreaktionen gegen verpflichtende Regeln
Wenig überraschend verteidigte Richard Gaul vom Deutschen PR-Rat in der inhaltlichen Debatte die Selbstkontrolle der Branche als „scharfes Schwert“. Zugleich räumte er ein, dass der PR-Rat keine eigene Recherche-Kapazität habe und somit auf Hinweise von außen angewiesen sei. Das ist aus unserer Sicht nicht der einzige Schwachpunkt: der PR-Rat wird immer nur im Nachhinein aktiv. Anders als ein verpflichtendes Lobbyregister schafft er keine Transparenz über laufende Lobbykampagnen. Zudem haben seine Sanktionen keine rechtlichen Konsequenzen. Sie sind zwar ein Image-Risiko, aber letztlich bleibt die Frage, wie lange solche Rügen im Gedächtnis bleiben. Aus dem Publikum wurde zurecht angemerkt, dass große PR-Agenturen wie Hill&Knowlton weiter gut im Geschäft seien, selbst wenn sie manipulativer Methoden überführt wurden (bei Hill&Knowlton etwa die Brutkasten-Story nach der Kuwait-Invasion des Irak, siehe Hinweis unten). Für uns bleibt ein verpflichtendes Lobbyregister deshalb weiter ein vordringliches Ziel, um Einflussnahme auf Politik sichtbar zu machen und verdeckte PR- und Lobby-Strategien zu erschweren. Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf zu erfahren, wer in wessen Auftrag mit wieviel Geld auf die Politik Einfluss nimmt.

Herr Hertel von der Anwaltskanzlei Hogan & Hartson Raue verstieg sich dagegen zu der Aussage, dass die Diskussion um ein Lobbyregister nur eine Neiddebatte sei. „Neiddebatte“ ist ein beliebtes Totschlagargument; gegen das Anliegen, die Einflussnahme auf die Politik transparenter zu machen, ist es wenig überzeugend. Im Nachgespräch ruderte Hertel an diesem Punkt auch zurück.

Wie ein Artikel aus der Journalismus-Zeitschrift message zeigt, könnte Hogan & Hartson Raue selbst mehr Transparenz vertragen: ein Partner der Kanzlei veröffentlichte Artikel zum Urheberrecht in der FAZ und der Welt – ohne Hinweis, dass er in dieser Frage für die Axel Springer AG tätig war. Auch ein Fall verdeckter PR, der den Kommentaren von Herrn Dettling zur Bahnprivatisierung ähnelt. Selbst wenn man bei Anwälten möglicherweise eher annehmen mag, dass diese parteiisch für ihre Kunden sind: wenn man den Kunden nicht erfährt, bleibt es intransparente PR.

Weitere Informationen und andere Einschätzungen zu der Veranstaltung finden sich in den Berichten des Tagesspiegels, Freitags und der Jungen Welt.

Für einen kritischen Blick in die PR und den Fall Hill&Knowlton sei auch der Zapp-Beitrag (ARD) von Sonntag zu den Tricks der PR-Branche empfohlen.

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