Lobbyregister

LobbyControl enthüllt verdeckte PR-Aktivitäten der Deutschen Bahn

Die Deutsche Bahn AG ließ 2007 während der Auseinandersetzungen um die Bahnprivatisierung verdeckte PR-Aktivitäten durchführen. Dies bestätigte das Unternehmen heute in einer Antwort auf Recherchen von LobbyControl. Beauftragt wurde demnach die Lobby-Agentur „European Public Policy Advisers GmbH“ (EPPA), das Auftragsvolumen belief sich auf 1,3 Mio. Euro. Innerhalb dieses Auftrags beauftragte EPPA nach schriftlicher Auskunft der […]
von 28. Mai 2009

Die Deutsche Bahn AG ließ 2007 während der Auseinandersetzungen um die Bahnprivatisierung verdeckte PR-Aktivitäten durchführen. Dies bestätigte das Unternehmen heute in einer Antwort auf Recherchen von LobbyControl. Beauftragt wurde demnach die Lobby-Agentur „European Public Policy Advisers GmbH“ (EPPA), das Auftragsvolumen belief sich auf 1,3 Mio. Euro. Innerhalb dieses Auftrags beauftragte EPPA nach schriftlicher Auskunft der Deutschen Bahn wiederum die Denkfabrik berlinpolis e.V. mit PR-Maßnahmen. Die Vertragsbeziehung mit der EPPA und ihren Subunternehmen wurden bereits 2007 wieder beendet.

Berlinpolis griff 2007 massiv in die Debatte um die Bahnprivatisierung ein – ebenso in den Tarifkonflikt zwischen der Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Insbesondere publizierte die Denkfabrik mehrere Meinungsumfragen zur Bahnprivatisierung und zum GDL-Streik, die zu bahnfreundlichen Ergebnissen führten und so in den Medien aufgegriffen wurden. Auch Bundesverkehrsminister Tiefensee wurde 2007 in verschiedene Aktivitäten der Denkfabrik eingebunden, so durch ein Vorwort für die Berlinpolis-Publikation „Die Zukunft der Mobilität – Herausforderungen und Perspektiven für den Verkehr von morgen“ oder ein Referat von Tiefensee zur Bahnprivatisierung beim „1. Deutschen Public Sector Summit“, der 2007 von Berlinpolis mit der MM1 Consulting and Management veranstaltet wurde. Berlinpolis hat in der Vergangenheit immer Beziehungen zur Deutschen Bahn AG bestritten. Auf die jüngste schriftliche Anfrage von LobbyControl verweigerte Berlinpolis die Antwort. EPPA reagierte nicht auf eine parallele Anfrage.

Die Bahn hat bislang keine ausführliche Liste der einzelnen Aktivitäten im Rahmen des Auftrags vorgelegt. Allerdings bestätigt sie es schriftlich als zutreffend, dass es sich bei den PR-Maßnahmen um sogenannte „no badge“-Aktivitäten handelte, die von der EPPA vorgeschlagen wurden. No badge-Aktivitäten bezeichnen Öffentlichkeitsmaßnahmen wie Meinungsumfragen, Leserbriefe, Beiträge in Online-Foren, vorproduzierte Medienbeiträge und Blog-Beiträge, bei denen Urheber oder Auftraggeber nicht erkennbar sind. Laut Antwort der Deutschen Bahn wird in dem Tätigkeitsbericht der EPPA auch die Webseite Meinebahndeinebahn.de (nicht mehr aktiv) erwähnt, die 2007 plötzlich als vermeintliche Bürgerinitiative pro Bahnprivatisierung auftrat.

Hier wurden offensichtlich versucht, die Öffentlichkeit und die politische Debatte dadurch zu beeinflussen, dass vermeintlich unabhängige Dritte im Sinne der Bahn in die öffentliche Debatte eingriffen. Diese Methoden der Manipulation von Öffentlichkeit und Politik sind absolut inakzeptabel. LobbyControl fordert: Die Bahn muss umgehend alle Karten auf den Tisch legen und alle verdeckten PR-Aktivitäten offen legen, die mit ihren Finanzmitteln durchgeführt werden.

Wir hatten der DB AG auf der Grundlage unserer Recherchen einen Fragekatalog vorgelegt. Daraufhin hatte der neue DB-Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KMPG mit einer Untersuchung beauftragt. Die Stellungnahme der KMPG liegt der DB seit gestern vor. Allerdings wurden uns bislang weder diese Stellungnahme noch der Tätigkeitsbericht der EPPA zur Verfügung gestellt. Die bisher vorliegende schriftliche Stellungnahme der Bahn bestätigt zwar die Auftragsverhältnisse, bleibt ansonsten aber in vielen Punkten vage.

Hier ist auch die Politik gefordert: sie muss umgehend eine Untersuchung dieser verdeckten PR-Methoden der Deutschen Bahn AG einleiten. Die Bundesregierung muss auch der Frage nachgehen, was Bundesverkehrsminister Tiefensee über die Finanzierung von Berlinpolis wusste und inwieweit die Entscheidung für eine Teilprivatisierung der Bahn durch die verdeckten Aktivitäten beeinflusst wurden.

Der Fall der verdeckten PR-Arbeit bei der Deutschen Bahn zeigt, dass wir dringend mehr Transparenz über die Arbeit von Denkfabriken und Lobbyagenturen in Deutschland brauchen. Wir fordern die Bundesregierung und den Bundestag auf, schnellstmöglich eine Initiative für ein verpflichtendes Lobbyistenregister zu starten, in dem alle Lobbyisten ihre Kunden und Finanzierung offen legen müssen.

Bislang gibt es in Deutschland nur eine freiwillige Verbändeliste, in die sich Verbände eintragen, die zu Anhörungen des Bundestages eingeladen werden wollen. Die Eintragung ist nicht verpflichtend und die Liste enthält keine Angaben zur Finanzierung der einzelnen Organisationen. Vor allem aber erfasst die Liste weder die Lobbybüros einzelner Unternehmen wie der Deutschen Bahn AG noch die Lobbyarbeit von Lobby- und PR-Agenturen EPPA oder Denkfabriken wie Berlinpolis.

Es ist höchste Zeit, all diese Akteure, unabhängig von ihrer Organisationsform, in einem verpflichtenden Lobbyistenregister zu erfassen. Denn gerade Denkfabriken werden oft als neutral wahrgenommen und dargestellt, obwohl sie auch für Lobby-Interessen genutzt werden. Ihre Finanzierung ist häufig nicht transparent. Auch die Medien müssen hier genauer hinsehen und Material von Denkfabriken nur nach genauer Prüfung verwenden.

Diese Geschichte der verdeckten Lobbyarbeit der Bahn steht nicht allein. Schon mehrfach haben wir ähnliche Fälle aufgedeckt (z.B. der Straßenbaulobby oder der Software-Branche). Und mit Sicherheit liegt eine große Zahl solcher Fälle weiterhin im Dunkeln. Recherchen wie diese sind nur möglich, wenn viele Spenderinnen und Spender unsere unabhängige Arbeit finanzieren. Seien Sie dabei und unterstützen Sie LobbyControl im Streiten für eine transparente und lebendige Demokratie — mit einer Spende oder einer Fördermitgliedschaft!

Weitere Informationen:
Spiegel Online berichtet hier in einem Artikel über die verdeckten PR-Aktivitäten. Die Pressemitteilung der Deutschen Bahn AG können Sie hier nachlesen.

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