Lobbyismus und Klima

Lobby-News Spezial: Corona und Klima

Die Corona-Krise hat die Klimakrise weitgehend aus den Schlagzeilen verdrängt. Und doch ist schon jetzt die Debatte über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Klimakrise voll im Gange. Auch unsere 3. Ausgabe der LobbyNews rund um Corona dokumentiert wieder lesenswerte Artikel und Entwicklungen rund um die Corona-Krise – dieses Mal mit einem Fokus auf das Thema Lobby und Klima.
von 17. April 2020

Die Corona-Krise hat die Klimakrise weitgehend aus den Schlagzeilen verdrängt. Und doch ist schon jetzt die Debatte über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Klimakrise voll im Gange. In den vergangenen Wochen haben bereits verschiedene Interessengruppen und Politiker:innen die neue Krisensituation genutzt, um geplante Klimaschutzmaßnahmen zu kritisieren. Andere wiederum streben an, die Bewältigung der Krise mit ökologischen Strukturreformen zu verbinden – und aus Fehlern der Finanzkrise 2008/9 zu lernen. Diese Debatte wird in den kommenden Wochen und Monaten weiter Fahrt aufnehmen. Wir werden in nächster Zeit genau beobachten, wer sich mit welchen Interessen und Anliegen dort einbringt.

Auch unsere 3. Ausgabe der LobbyNews rund um Corona dokumentiert wieder lesenswerte aktuelle Artikel und Entwicklungen rund um das Thema Lobbyismus und Demokratie in der Corona-Krise – dieses Mal mit einem Fokus auf das Thema Klima.

Klima, Lobby und Corona

Besonders drastisch zeigt sich in den USA, dass die Krise als Argument genutzt wird, um Klima- und Umweltschutzmaßnahmen zu lockern oder sogar auszusetzen. Schon Ende März verkündete die US-Umweltbehörde EPA, dass Wasser- und Luftverschmutzungen von Unternehmen nicht länger geahndet würden, wenn sie im Zusammenhang mit der Corona-Krise stünden. So müssten beispielsweise Ölraffinerien nicht länger über ihren Ausstoß von zum Teil krebserregenden Emissionen berichten, da sie als systemrelevant während der Krise gelten. Die Verordnung stieß auf scharfe Kritik von früheren EPA-Beschäftigten und Umweltschützer:innen. Die ehemals ambitionierte US-Umweltbehörde wurde in den letzten Jahren von der Regierung Trump stark umgebaut und Schlüsselpositionen wurden neu besetzt. So arbeitete der derzeitige EPA-Chef Andrew Wheeler zuvor als Lobbyist unter anderem für die Kohleindustrie. Auch in China wurden Umweltprüfungen in der Industrie im Zusammenhang mit der Coronakrise ausgesetzt.

Zudem lobbyierte die Plastikindustrie in den USA für die Verwendung von Plastiktüten in der Corona-Krise – mit Hinweis auf die wissenschaftlich fragwürdige Argumentation, dass Stofftaschen den Virus weiterverbreiten würden. Sie bekam dabei Unterstützung aus der Öl- und Gasindustrie sowie von konservativen Think Tanks. In mehreren US-Bundesstaaten wurden wiederverwendbare Einkaufstaschen seitdem verboten.

In Europa versuchte der europäische Verband der Kunststoffverarbeiter EuPC ebenfalls mit dem Argument der Hygiene in Corona-Zeiten die EU-Richtlinie zum Verbot von Einwegplastik-Produkten zu kippen – konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Die Sprecherin der EU-Kommission für den European Green Deal, Vivian Loonela, wies die Forderung des Verbands zurück und betonte, dass Produkte für den Medizinbereich ohnehin von der Richtlinie ausgenommen seien.

European Green Deal: Unter Druck

Aber auch von weiteren Seiten gerät das Klimaprogramm der EU – der sogenannte European Green Deal – im Zuge der Coronakrise bereits unter Druck.

In der letzten Ausgabe der Corona-LobbyNews berichteten wir bereits über die Forderungen der europäischen Autolobby, die ab 2020 geltenden CO2-Grenzwerte für Autos angesichts der Corona-Krise zu lockern – interessanterweise ohne Zustimmung der deutschen Autohersteller. Diese versuchen allerdings darauf hinzuwirken, keine weiteren, strengeren Ziele bis 2030 einzuführen, wie die EU-Kommission eigentlich geplant hatte. Ausführlich hat das die Süddeutsche Zeitung dargestellt: „Autobranche will EU-Klimapläne bremsen

Auch im Agrarbereich gibt es Widerstände gegen den Green Deal. Der europäische Landwirtschaftsverband Copa-Cogeca sprach sich in einem Brief an die EU-Kommission dafür aus, die geplante „Farm to Fork“-Strategie der EU-Kommission zu überdenken. Insbesondere die geplante Senkung von Düngemitteln, Pestiziden und Antibiotika sei schädlich für die europäischen Nahrungsmittelsicherheit in der EU während der Corona-Krise. Schon bisherige Versuche, die Farm to Fork-Strategie zu verzögern, lösten Empörung bei Umweltverbänden aus, da dies den Ausbau der Nahrungsmittelkette in Richtung Resilienz und Nachhaltigkeit weiter verzögere.

Die Farm-to-Fork-Strategie ist Teil des Green Deal, den die EU-Kommission unter Federführung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf den Weg gebracht hatte, um Wirtschaftswachstum in der EU mit Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen zu verbinden und dabei u.a. die CO2-Emissionen bis 2050 auf Netto-Null zu bringen. Das Handelsblatt fasst die Kritik am Green Deal in der Corona-Krise zusammen: „Der Green Deal der EU wird durch die Coronakrise gefährdet

Zwar zeigte sich die EU-Kommission bisher entschieden, an den bisherigen Plänen weitgehend festzuhalten. Dennoch zeigt ein kürzlich geleaktes Dokument, dass die Coronakrise zu deutlichen Verzögerungen in vielen Bereichen führen wird. In Bezug auf die Farm-to-Fork-Strategie scheint sich das Engagement von Copa-Cogeca niedergeschlagen zu haben. In dem Dokument heißt es demnach, die Strategie müsse „auch die Lehren aus der COVID-19-Pandemie in Bezug auf die Ernährungssicherheit widerspiegeln. Dies könnte eine Verschiebung notwendig machen.“ Darüber berichtet Euractiv und gibt eine Übersicht, welche Bereiche des Green Deals voraussichtlich betroffen sind: „Leak: Diese Green-Deal-Initiativen verzögern sich

Einer der wenigen Bereiche, der sich demnach nicht verzögern soll, ist die sogenannte „Renovierungswelle“. „Die Renovierungswelle könnte aufgrund ihrer Vorteile für die Stimulierung der Wirtschaftstätigkeit ein Schlüsselelement eines jeden Konjunkturprogramms nach der COVID-Pandemie sein“, heißt es laut Euractiv in dem Dokument.

Unterstützung für das Vorhaben, die durch die Coronakrise notwendigen Konjunkturprogramme mit ökologischen Kriterien zu verknüpfen, kommt dabei derzeit von einer ungewöhnlichen Allianz von Konzernen, NGOs und Politiker:innen aus mehreren europäischen Ländern, die einen „grünen Aufschwung“ nach der Corona-Krise fordern. Darüber berichtet tagesschau.de: „Danone und Co. für grünen Wiederaufbau

Deutschland: sozial-ökologische Strukturreform oder Streckung der Klimaziele?

Auch hierzulande führt die Coronakrise zu mitunter ungewöhnlichen Allianzen. So veröffentlichte der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) gemeinsam mit der Industriegewerkschaft IG Metall eine gemeinsame Stellungnahme, in der sie fordern, die Corona-Krise für einen ökologischen und sozial gerechten Umbau der Wirtschaft zu nutzen, meldet das Handelsblatt.

Ähnlich positionieren sich derzeit viele Umweltverbände und ihnen nahestehende Forschungseinrichtungen wie das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft in einem Politikbriefing (im Auftrag von Greenpeace) oder das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie in einem Diskussionspapier. Das Recherchenetzwerk Correctiv fasst die Debatte über Konjunkturprogramme in Verbindung mit sozial-ökologischen Strukturreformen zusammen: „Nach der Coronakrise ist Mitten in der Klimakrise“.

Doch selbstverständlich gibt es auch in Deutschland Stimmen, die vor dem Hintergrund der Coronakrise vor ambitionierten Anstrengungen beim Klimaschutz warnen. Die Bundesregierung solle sich für eine „zeitliche Streckung der klimapolitischen Zielvorgaben einsetzen“, fordert beispielsweise der Generalsekretär des CDU-nahen Unternehmerverbands „Wirtschaftsrat der CDU“, Wolfgang Steiger im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Grundsätzlich sollen laut Steiger alle „Sonderbelastungen der deutschen Wirtschaft auf den Prüfstand“ gestellt werden.

Konkreter wurden bereits im März Politiker die FDP mit der Forderung, die bereits beschlossene Einführung der CO2-Steuer ab 2021 auszusetzen, berichtet n-tv: „FDP befürwortet Pause bei Umweltgesetzen“.

Neuauflage der „Abwrackprämie“?

Die Autokonzerne Volkswagen und BMW forderten hingegen eine Neuauflage der „Abwrackprämie“ und erhielten dabei Unterstützung von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), berichtet Spiegel Online: „Weil will Autohersteller mit Öko-Abwrackprämie stärken“.

Das dürfte noch für einigen Streit sorgen, gilt doch gerade die offiziell Umweltprämie genannte Maßnahme zur Stützung der Autoindustrie nach der Finanzkrise 2008 bei Umweltverbänden als Standardbeispiel dafür, wie Konjunkturmaßnahmen eben nicht aussehen sollten. In der Folge der Abwrackprämie „wurden alte Fahrzeuge verschrottet, die noch Jahre hätten genutzt werden können. Ersetzt wurden sie durch Fahrzeuge, die im Durchschnitt stärker motorisiert waren und höhere CO2-Emmissionen aufwiesen“, betont das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft in dem oben erwähnten Politikbriefing zur Coronakrise im Abschnitt zu „Lehren aus der Finanzkrise 2008“.

Klimakrise vs. Coronakrise

Vielfach wird die Coronakrise mit der Klimakrise verglichen. Fabian Scheidler fragt sich in diesem Zusammenhang in seinem Gastbeitrag für die taz, warum die Politik in der Klimakrise nicht ebenso entschlossen handele wie in der Corona-Krise – gerade, weil die Bedrohung durch die Klimakrise noch wesentlich größer sei und spricht von „zweierlei Maß“.

Taz-Autor Bernhard Pötter nimmt Scheidlers Thesen zum Anlass, um vor einer kommunikativen Verknüpfung der beiden Krisen zu warnen: „Diese Debatte ist sogar gefährlich. Denn wer Ausgangssperre, Hamsterkäufe, Tausende von Toten und permanente Bedrohung kommunikativ mit dem Begriff ‚Klimaschutz‘ verbindet, ruiniert die Idee der ökosozialen Marktwirtschaft.“ Die beiden Krisen seiend vielmehr kaum zu vergleichen und deshalb auch die Maßnahmen nicht. Ganz ähnlich argumentiert auch Sven Titz in der Neuen Zürcher Zeitung: „Die Corona-Krise und der Klimawandel haben kaum etwas gemein“.

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