Lobbyismus in der EU

Wie navigiert man durch das Brüsseler Lobbylabyrinth?

Im Umgang mit den zahlreichen Brüsseler Lobbyisten kann es leicht zu Interessenkonflikten kommen. Die geltenden Vorschriften dagegen sind im Parlament weithin unbekannt, wie eine Studie zeigt. Wir schaffen Abhilfe: Mit unserem Ethik-Handbuch für Abgeordnete, das die Regeln, praktische Hinweise und Empfehlungen für mehr Transparenz zusammenfasst.
von 25. Juli 2019

Im neu zusammengetretenen EU-Parlament gibt es zahlreiche neue Gesichter. Gemeinsam mit unserem europäischen Netzwerk ALTER-EU haben wir für sie in einem kompakten Handbuch die bereits bestehenden Regeln des Parlaments zum Umgang mit Lobbyisten und zur Vermeidung von Interessenkonflikten zusammengestellt. Erst kürzlich zeigte ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs, dass nur knapp 28 Prozent der Mitarbeiter*innen des Parlaments den Eindruck haben, die Ethikregeln ihrer Institution gut zu kennen.

Brüssel europäische Hautpstadt der Lobbyisten

In den kommenden Wochen werden die neuen Abgeordneten erfahren, warum Brüssel auch europäische Hauptstadt des Lobbyismus genannt wird: Rund 25.000 Lobbyist*innen vertreten alltäglich die Interessen ihrer Auftraggeber in Brüssel, die meisten davon arbeiten im Auftrag von Unternehmen. Allein um die 6.000 Lobbyist*innen haben einen Dauerzugangspass ins Europäische Parlament, können es also ohne Einladung eines Parlamentsmitglieds betreten. Immer wieder kommt es bei umstrittenen Gesetzesentwürfen dazu, dass Lobbyisten den Abgeordneten mit Terminanfragen und Vorschlägen für Änderungsanträgen sowie Einladungen zum Mittagessen oder zu Crashkursen zum Thema förmlich die Türen einrennen. So war es zum Beispiel bei der Datenschutzgrundverordnung oder der Tabakgesetzgebung.

Skandale zeigen, dass Umgang mit Lobbyisten Regeln braucht

Dabei zeigte sich auch immer wieder, wie problematisch der Umgang mit Lobbyist*innen sein kann. Seien es Organisationen wie die European Privacy Association, die den Mitgliedern des Parlaments nicht offenbarte, dass sie eigentlich im Auftrag der Digitalindustrie Lobbyarbeit leistete - oder Mitglieder des Parlaments selbst, wie der belgische Abgeordnete Louis Michel, der über 150 Änderungsanträge zur Datenschutzgrundverordnung wörtlich einbrachte, die ihm Unternehmen zugeschickt hatten. Solche Skandale zeigten: Der Kontakt mit Lobbyisten braucht Regeln.

Das Europäische Parlament hat hier in den letzten Jahre durchaus Fortschritte gemacht, um Interessenkonflikte zu verhindern und Transparenz über den Lobbyeinfluss zu verbessern. Wir haben die Fortschritte der letzten 5 Jahre - aber auch die nach wie vor bestehenden Defizite - erst kürzlich in unserem EU-Lobbyreport geschildert.

Ethikhandbuch gibt Überblick

Da die Regeln aber nicht alle an der gleichen Stelle stehen, ist es nicht einfach, einen Überblick zu bekommen. Mit unserem Handbuch wollen wir eben diesen Überblick geben. Dabei haben wir die Verhaltensregeln für die Abgeordnete um konkrete Fallbeispiele aus den letzten Jahren sowie um "best-practice-Empfehlungen" ergänzt. Wir hoffen, dass das kleine Buch bald als Standardwerk in den Regalen vieler Abgeordneter steht - wir haben es an fast alle Mitglieder des Parlaments verschickt, natürlich auch an die "Altgedienten".

Das Buch enthält unter anderem Hinweise zum Ausfüllen der Erklärung über finanzielle Interessen, die alle Abgeordneten abgeben müssen, aber auch, wann Nebentätigkeiten problematisch sein können. Es erläutert, worauf Abgeordnete achten sollten, wenn sie Lobbyist*innen treffen oder Änderungsanträge von ihnen erhalten. Wir empfehlen darin aber auch allen Abgeordneten, die eine Gesetzesvorlage als Berichterstatter durch das Parlament begleiten, über die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Lobbytreffen hinaus eine legislative Fußspur zu veröffentlichen, die zeigt, welche Dokumente, Expertisen, Studien etc. Eingang in den Bericht gefunden haben. Schließlich legen wir den Abgeordneten ans Herz, bei ihren Lobbytreffen auf Ausgewogenheit zu achten und - gerade in Anbetracht der geballten Ressorucen der Lobbyisten im Auftrag von Unternehmen - die Meinung der Wählerinnen und Wähler aus den Wahlkreisen regelmäßig einzuholen.

Studie zeigt: Wenig Kenntnis der parlamentarischen Ethikregeln bei den Mitarbeiter*innen

Mit unserer Idee, einen Überblick über die Regeln zu geben, liegen wir offenbar richtig. Erst letzte Woche hat eine Studie des Europäischen Rechnungshofs gezeigt, dass das Wissen der Mitarbeiter*innen der EU-Institutionen über die Ethik ihrer jeweiligen Institution mäßig ist. Und während in der EU-Kommission immerhin 60 Prozent der Mitarbeiter*innen angaben, ihre Verhaltensregeln gut zu kennen, sagten im Parlament über 72 Prozent, sie wüssten nicht viel oder gar nichts über diese Regeln. Die Studie fordert, das Personal dazu zu schulen, um eine Kultur der Integrität zu fördern. Wir hoffen, unser Handbuch wird auch den Assistent*innen der Abgeordneten und dem Mitarbeiterstab im Parlament als erster Anhaltspunkt dienen. Der Rechnungshof forderte übrigens auch eine bessere Überprüfung der finanziellen Interessenerklärungen der Abgeordneten. Dem können wir nur voll zustimmen - leider wurde das vom Parlament mit der Begründung mangelnder Ressourcen abgelehnt.

Weiter Handlungsbedarf

Unser Handbuch zeigt auch, dass es an dieser und anderen Stellen weiteren Handlungsbedarf zum Thema Umgang mit Interessenkonflikten und Lobbyregulierung  in den Institutionen gibt. Die EU ist hier zwar weiter als Deutschland, dennoch werden wir in den nächsten Jahren natürlich  auf weitere Verbesserungen hinarbeiten.

Zum Weiterlesen:

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