Lobbyismus in der EU

Sozialdemokraten torpedieren Verbraucherschutz – zugunsten der Banken

Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament haben  den Verbraucherschutz beim Thema Finanzberatung torpediert. Eigentlich gab es im Wirtschaftsausschuss einen Kompromiss, dass Provisionen für Finanzprodukte in Zukunft an die Kunden weitergeleitet werden müssen. In letzter Minute brachten die Sozialdemokraten einen mündlichen Antrag ein, der diese Neuregelung aushebelte. Konservative und Liberale stimmten diesem Antrag zugunsten der Banken zu. […]
von 10. Oktober 2012

Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament haben  den Verbraucherschutz beim Thema Finanzberatung torpediert. Eigentlich gab es im Wirtschaftsausschuss einen Kompromiss, dass Provisionen für Finanzprodukte in Zukunft an die Kunden weitergeleitet werden müssen. In letzter Minute brachten die Sozialdemokraten einen mündlichen Antrag ein, der diese Neuregelung aushebelte. Konservative und Liberale stimmten diesem Antrag zugunsten der Banken zu. Das Ganze hatte etwas von einer Nacht-und-Nebel-Aktion und man fragt sich, welche Lobbyisten da im letzten Moment ihre Finger im Spiel hatten.

Das Problem: Fehlberatung durch Provisionen

Darum ging es konkret: Im Rahmen der Finanzmarktrichtlinie “Mifid II” (Markets in Financial Instruments Directive) werden auch Vertrieb und Beratung von Finanzprodukten neu geregelt. Seit langem kritisieren Verbraucherschützer, dass Provisionen zu massiven Fehlberatungen führen. Denn Banken setzen ihre Berater unter Druck, die Produkte mit den höchsten Provisionen zu verkaufen – auch wenn sie gar nicht zu den Kunden passen. Unter den geltenden Regeln rechnen Verbraucherschützer mit einem volkswirtschaftlichen Schaden durch provisionsgeleitete Fehlberatung von bis zu 98 Milliarden Euro jährlich alleine in Deutschland. Auch der Chef der EU-Marktaufsichtsbehörde ESMA Steven Majoor hatte sich im September im Ausschuss für Wirtschaft und Währung nachdrücklich für starke Maßnahmen zur Veränderung der Marktstruktur im Interesse der VerbraucherInnen ausgesprochen.

Ein Krimi im Europaparlament

Es scheint sich ein Krimi im Europäischen Parlament ereignet zu haben: Wenige Tage vor der Verabschiedung im Ausschuss hatten sich der zuständige Berichterstatter Markus Ferber (CSU) und die anderen Parteien nach langem Streit auf einen Kompromiss geeinigt. Am Montag, 24.9.2012, hatten alle Parteien der Weitergabe der Provisionen an die Kunden zugestimmt. Auch Berichterstatter Markus Ferber, der zuvor nur für Transparenz der Provisionen geworben hatte, gab eine zustimmende Pressemitteilung zu dem Kompromiss heraus.

Am 26.9. in der Ausschusssitzung dann, stellten die europäischen Sozialdemokraten in letzter Minute einen mündlichen Antrag, ein “und” gegen ein “oder” auszutauschen. Ein kleines Wort mit großer Wirkung. Der ursprüngliche Kompromiss sah vor, dass Provisionen offen gelegt werden und an die Kunden weitergeleitet werden müssen. Durch das „oder“ können die Banken die Provisionen jetzt nur offen legen, ohne sie weiterzuleiten. Die Pflicht zur Offenlegung gab es schon vorher, aus Sicht der Verbraucherschützer hat sie aber nicht funktioniert. Der Antrag der Sozialdemokratien (S&D) wurde mit den Stimmen der Konservativen (EVP) und Liberalen (ALDE) angenommen.

Wird das Gesetz in der jetzigen Form verabschiedet, kann die durch Provisionen getriebene Fehlberatung durch Banken ungestört weiter laufen. Noch besteht allerdings die Chance, dieses Ergebnis bei der Verabschiedung der Richtlinie durch das gesamte Europäische Parlament zurückzunehmen. Die Abstimmung soll in der dritten Oktoberwoche erfolgen.

Welche Rolle spielte die Finanzlobby?

Wie kam es zu dieser Änderung in letzter Minute, hatte man sich doch zuvor bereits geeinigt? Auch der Tagesspiegel bezeichnet den Vorgang als „ungewöhnlich“. Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold hatte schon frühzeitig angekündigt, die Finanzlobby werde gegen das Vorhaben „Sturm laufen“. Nach der Ausschussitzung hatte sich unter anderem der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) erleichtert geäußert – stellvertretend für den Gesamtverband Die deutsche Kreditwirtschaft.

Die Abstimmung bietet auch formal Ungewöhnliches: Mündliche Anträge werden normalerweise von einer Person als Antragsteller im Ausschuss verlesen. Das war in diesem Fall nicht so. Auch in der Abstimmungsliste findet sich leider kein Name eines oder einer Abgeordneten, sondern die ganze Fraktion der Sozialdemokraten als Antragsteller. Wollte keiner der Abgeordneten die Verantwortung für diesen Antrag zugunsten der Banken übernehmen?

Wir versuchen herauszufinden, was zwischen der ursprünglichen Einigung am Montag und der Ausschussitzung am Mittwoch geschehen ist. Außerdem sollten Sozialdemokraten, Konservative und Liberale ihre Entscheidung revidieren. Gerade der deutschen SPD steht diese Nacht-und-Nebel-Aktion im Sinne der Banken nicht gut zu Gesicht – gibt sie sich doch in Deutschland gerade als Verteidiger der Verbraucher/innen gegen die Banken.

Mehr Informationen über das Wirken der Finanzlobby in Brüssel gibt es auch im neuen LobbyPlanet Brüssel, unserem lobbykritischen Stadtführer.

Foto: Wikimedia, Fotograf: Rama, Lizenz: CeCILL

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10 Kommentare

Thunert11. Oktober 2012 um 6:55

Man kann keine Provisionen verbieten, das geht aus rechtlichem Grund nicht. Hierzu hat Markus Ferber (CSU) in einem Interview von EurActiv.de, eindeutig Stellung genommen.

EurActiv.de: Die Kommission hat vorgeschlagen, dass unabhängige Finanzberater keinerlei Gebühren oder Provisionen annehmen dürfen. Ein solches Provisionsverbot lehnen Sie ab. Warum?

FERBER: Ich kann doch keine Provisionen verbieten. Ich halte es für den klügeren Ansatz, die Bankberater, wie es sie heute gibt, nicht infrage zu stellen. Allerdings muss die Transparenz bei Provisionen und Gebühren verbessert werden.

Die Sozis haben den Wink verstanden, die Vorlage kann nicht von vornherein das Risiko des Scheiterns vor dem EuGH in sich bergen.

Das ganze Interview gibts unter dieser Adresse.

http://www.euractiv.de/finanzen-und-wachstum/interview/mifid-ii-mehr-transparenz-weniger-spekulation-006140

kleitos11. Oktober 2012 um 9:57

Ach die Sozialdemokraten – noch immer auf dem Weg zur „neuen Mitte“.

W I D E R L I C H

Dennoch wähle ich immer noch sozialdemokratisch, auch wenn die nun dahinterstehende Partei einen anderen Namen trägt ;-)

Nina Katzemich11. Oktober 2012 um 11:08

Sehr geehrter Herr Thunert,

vielen Dank für Ihren Kommentar. Man müsste das nochmal prüfen. Soweit ich weiss, haben Großbritannien und die Niederlande die Provisionen verboten.

Mit freundlichen Grüßen
Nina Katzemich

Thorsten11. Oktober 2012 um 11:17

@ Tim: Hallo!? Wenn ich Experten befrage die ihr Geld damit verdienen, mich falsch zu informieren, dann habe ich keine Chance mich richtig zu entscheiden sondern werde betrogen.
Ich freue mich schon auf den notwendigen Polizeischutz für Wahlkampfstände dieser Verräterpartei.

leslie11. Oktober 2012 um 11:38

http://www.youtube.com/watch?v=XkTjx4IaZs8

Goldman sucks!!!
Übrigens wird dieses Video überall weggelöscht wo es nur geht,obwohl es von Arte,Orf ist.
Deshalb sichern und verteilen.

Mfg

Ulrich11. Oktober 2012 um 11:44

Provisionen an Kunden weiterleiten? Leiten unsere Europaabgeordneten auch ihre Diäten an den Bürger weiter? Ich finde es schrecklich, dass allen Finanzberatern grundsätzlich nur Provisionsgier unterstellt wird! Provisionen sind die Einkünfte oftmals selbstständiger Vermittler, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen! Die überwiegende Mehrheit der selbstständigen Vermittler handelt wie anständige Kaufleute, da sie wissen, dass nur treue und fair beratene Kunden eine Existenzgrundlage sein können. Womit soll der selbstständige Finanzberater seine Brötchen verdienen? Wir glauben doch nicht ernsthaft, dass der durchschnittliche Privatkunde bereit ist, für den Abschluss eines Riestervertrages ein Honorar zu bezahlen!
Die Vorschläge der EU zum Thema Provisionen sind absurd und haben mit der Realität nichts zu tun!

Pirat12. Oktober 2012 um 1:58

Eigendlich ist es sehr schade das die SPD nun nur noch eine Lobbypartei wie CDU und FDP auch ist. Aber es war ja schon seit Hartz4 klar das die SPD sich endgültig von ihren sozialdemokratischen Wurzeln abgewandt hat.

Nur leider verstehen die Leute das nicht das die SPD nix weiter mehr ist als eine Partei von rot lackierten Neoliberalen und Lobbyisten.

tokirch12. Oktober 2012 um 20:47

@Thunert
„Ich kann doch keine Provision verbieten“ ist in diesem Fall als Meinung zu sehen, nicht als eine rechtliche Position. Des weiteren wäre auch der ursprünglich geplante Gesetzentwurf kein Verbot im rechtlichen Sinne gewesen, und darauf bezog sich auch Ferber in dem Interview nicht, sondern auf eine wirkliches Verbot, bei dem er einen anderen Ansatz für sinnvoller erachtet, mal dahingestellt, für wen sinnvoller.

ToastMX15. Oktober 2012 um 6:22

Das ist der Wahnsinn nur ein Wort kurzfristig, auch ncoh mündlich zu ändern. Also wenn das keine Vertuschungsmaßnahme ist. Bei aller inhaltlichen Diskusion in den Kommentaren, was soll das dann?

lg

Emanzipiert Euch!16. Oktober 2012 um 12:18

Der ganze Vorgang macht (leider) wieder eines deutlich:
Immer häufiger zwingt die Politik die Bürger mit den Füßen abzustimmen. Im konkreten Fall kann das nur heißen: Geldangelegenheiten muss jeder Privatanleger zur „Chefsache“ erklären. Wer sich nur ein bisschen mit der Materie befasst, kann für den Großteil seiner Anlage und Vorsorge auf Finanzberater verzichten. Die nötigen Informationen sind online wie offline leichter verfügbar denn je.