Lobbyismus in der EU

Neues aus der EU: Ein katastrophaler Seitenwechsel und Bewerbungsgespräch Oettinger beim EU-Parlament

Nicht einmal zwei Monate, nachdem Suzy Renckens ihre leitende Stelle bei der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA Ende März 2008 aufgegeben hatte, trat sie einen neuen Posten beim Gentechnikkonzern Syngenta an. Der Konzern hatte gute Gründe, sie zu engagieren: Hatte sie bei der EFSA die Abteilung Gentechnik geleitet, in der auch Anträge auf die Marktzulassung gentechnisch veränderter […]
von 15. Januar 2010

Nicht einmal zwei Monate, nachdem Suzy Renckens ihre leitende Stelle bei der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA Ende März 2008 aufgegeben hatte, trat sie einen neuen Posten beim Gentechnikkonzern Syngenta an. Der Konzern hatte gute Gründe, sie zu engagieren: Hatte sie bei der EFSA die Abteilung Gentechnik geleitet, in der auch Anträge auf die Marktzulassung gentechnisch veränderter Pflanzen geprüft wurden, gehört es nun zu ihren neuen Aufgaben, bei dieser Abteilung genau für derartige Marktzulassungen Lobbying zu betreiben. Diesen Seitenwechsel hätte die Europäische Lebensmittelbehörde unseres Erachtens niemals genehmigen dürfen. Nach EU-Recht unterliegen die Tätigkeiten ehemaliger Mitarbeiter leitender EU-Behörden nach ihrem Ausscheiden für einen Zeitraum von zwei Jahren einer Genehmigungspflicht – eben um Interessenkonflikte wie diesen auszuschließen. Es ist unerhört, dass Frau Renckens nun mit ihrem Know-How über die Abläufe der Marktzulassung und ihren persönlichen Kontakten einem Gentechnikkonzern dient.

Frau Renckens hatte der EFSA ihre neue Tätigkeit im Mai 2008 formlos per Email mitgeteilt, und nicht um Erlaubnis gefragt. Die EFSA selbst hat in skandalöser Weise gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen. Erst als die NGO „Testbiotech“, die den Fall aufgedeckt hat, darüber berichtete und Journalisten bei der Behörde nachfragten, nahm die Leitung mit Frau Renckens Kontakt auf. Frau Renckens wies darauf hin, dass sie die EFSA über ihre Tätigkeit bereits informiert und in ihrer neuen Funktion schon an einem Treffen der Behörde und der EU-Kommission im März 2009 teilgenommen habe. Weitere Maßnahmen wurden nach Wissen von LobbyControl bisher nicht ergriffen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Günther Oettinger hat sein „Bewerbungsgespräch“ beim EU-Parlament wohl bestanden. Verschiedene Abgeordnete, darunter der Luxemburger Grüne Claude Turmes hatten bei der Anhörung im Ausschuss seine Unabhängigkeit kritisch in Frage gestellt. Er wies auf seine enge Freundschaft zu Wulf Bernotat, dem Chef von Eon, ebenso wie Jürgen Großmann, dem Chef von RWE, hin. Oettinger konterte mit Humor und bat, ihm die nötige Unabhängigkeit zuzutrauen – der „Spiegel“ berichtet. Wir bleiben skeptisch: Wird Oettinger wirklich so unabhängig bleiben, wenn es um die WWF-Klage gegen ein neues Kohlekraftwerk in Mannheim geht, hauptsächlich in der Hand von RWE und EnBW? Oder wenn er prüfen muss, ob mit dem neuen RWE-Übergangsnetzbetreiber Amprion die vom Dritten Energiebinnenmarktpaket geforderte Unabhängigkeit gegeben ist – obwohl dessen Aufsichtsratsvorsitzender Großmann selbst ist? Wir werden es beobachten.

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3 Kommentare

Markus15. Januar 2010 um 22:08

„Günther Oettinger hat sein “Bewerbungsgespräch” beim EU-Parlament wohl bestanden.“

Hier muß man ein dickes Fragezeichen machen. Oettinger hat beim Vorsprechen schlicht und ergreifend „Kreide gefressen“.

cos17. Januar 2010 um 0:51

Ich frage mich, mit welcher Einstellung ein solcher Mensch seinen Job bei der EU gemacht hat. Dort sollte man unabhängig und neutral sein. Erkennt man erst nach der Demission, dass das Herz für die Industrie schlägt? Oder war man vorher schon „irgendwie“ Partei?

OK, Menschen dürfen sich ändern. Aber wer tief im Herzen wirklich neutral und unabhängig ist, der wird einige Monate später nicht parteiisch. Der Umkehrschluss liegt nahe, dass die Dame schon vorher parteiisch war.

Matze18. Januar 2010 um 17:02

Bezüglich Oettinger bin ich der Meinung, man sollte ihn an seinen Taten messen. Immerhin ist die öffentliche Aufmerksamkeit auf seine freundschaftliche Verbundenheit zu den Energie-Chefs ja auch irgendwie ein Hinderungsgrund für Lobbyarbeit, weil diese Tatsache unter Beobachtung steht. Eine solche, öffentliche Konstellation ist doch mit Sicherheit besser als heimliche Kontakte.