Lobbyismus in der EU

EU-Parlament: Wie die Tabaklobby Druck macht

Im Europäischen Parlament findet diese Woche die entscheidende Abstimmung im federführenden Gesundheitsausschuss über die Tabakproduktrichtlinie statt. Ein neuer Bericht des Corporate Europe Observatory zeigt, was die Tabaklobby im Parlament alles unternimmt, um die Abgeordneten zur Veränderung der Richtlinie zu bewegen.
von 11. Juli 2013

Aktionsbanner - Lobbying seriously harms youIm Europäischen Parlament findet diese Woche die entscheidende Abstimmung im federführenden Gesundheitsausschuss über die Tabakproduktrichtlinie statt. Danach beginnen die Verhandlungen über die Richtlinie mit dem EU-Ministerrat. Der Vorschlag der EU-Kommission enthält strenge Auflagen für die Tabakindustrie, wie große „Schockbilder“ und das Verbot bestimmter Geschmacksrichtungen. Ein neuer Bericht des Corporate Europe Observatory zeigt, was die Tabaklobby im Parlament alles unternimmt, um die Abgeordneten zur Veränderung der Richtlinie zu bewegen.

Der ausführliche Bericht verzeichnet ein starkes und strategisches Vorgehen der Tabaklobby: Die Mitglieder des Parlaments sprechen von sehr intensiver, teils aggressiver Lobbyarbeit – von zahlreichen Anrufen, Emails, Einladungen auf Drinks und die ungefragten Zustellung von kostenlosen E-Zigaretten bis zu unangemeldeten Besuchen in den Büros der Abgeordneten. Die Ergebnisse speisen sich vor allem aus Gesprächen mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments und deren Mitarbeiter/innen über die Erfahrungen mit der Tabaklobby in den vergangenen Wochen.

„Kenne deinen Feind“

Dabei bewirbt die Industrie gezielt Abgeordnete, die als empfänglich für ihre Positionen eingeschätzt werden oder sich nicht besonders gut auskennen, während die Mitglieder des federführenden Gesundheitsausschusses, die ganz überwiegend der Tabakindustrie gegenüber kritisch eingestellt sind, gemieden werden.

WHO-Tabakkonvention: Nicht alle Abgeordneten nehmen sie ernst

Die Lobbyarbeit der Zigarettenindustrie hat historisch eine lange Tradition der Manipulation und Fehlinformation. Da Rauchen zugleich relevante Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit hat, gibt es seit 2003 einen einzigartigen völkerrechtlichen Vertrag der Vereinten Nationen, der dieses Verhalten einschränken soll: Unter dem WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs soll der Kontakt zwischen der Tabakindustrie und Vertretern der Gesundheitspolitik auf ein absolutes Minimum beschränkt und transparent gemacht werden.

Treffen mit Lobbyisten der Tabakindustrie werden allerdings nur von wenigen Abgeordneten offen gelegt. Zumindest Teile des Parlaments scheinen das WHO-Rahmenübereinkommen nicht als gesetzlich bindend anzusehen und dementsprechend keine besondere Vorsicht im Umgang mit der Tabaklobby für notwendig zu halten.

Lobbyarbeit durch die Hintertür

Ahnlich wie bei der Datenschutzrichtlinie scheint es auch bei der Tabakproduktrichtlinie die Erfahrung zu geben, dass es oft nicht die Vertreter der großen Unternehmen sind, die an die Türen der Abgeordneten klopfen. Sie schicken Zigarettenanbauer, kleine Zigarettenverkäufer oder Gewerkschafter vor, die die Befürchtung um Arbeitsplätze äußern, deren Änderungsvorschläge aber detaillierte Kenntnis der Richtlinie zeigen.

Ein neuer Akteur: Die Lobby der E-Zigaretten

Neben den klassischen Zigarettenhersteller treten als neuerer Lobbyakteur auch die Hersteller der so genannten E-Zigaretten in Erscheinung. Diese  batteriebetriebenen Zigaretten sollen mit der neuen Richtlinie scharf reguliert und besser getestet werden. Die Lobbyarbeit für die E-Zigarette wurde von den befragten Abgeordneten als besonders intensiv wahrgenommen. Besorgniserregend ist, dass sie dabei offenbar zumindest teilweise ähnliche Lobbystrategien anwendet, wie sie bisher von der klassischen Zigarettenindustrie bekannt sind: Die Finanzierung medizinischer Studien oder das Auftreten von Ärzten als „Testimonials“.

Einige der vom Corporate Europe Observatory befragten Abgeordneten oder Mitarbeiter/innen berichten, dass sie von E-Zigaretten-Unterstützern sehr offensiv angegangen wurden. Ein Abgeordneter spricht sogar von „Astroturfing“. Der Begriff wird für scheinbar unabhängige und individuelle Äußerungen gebraucht, hinter denen in Wahrheit die Industrie oder ein sie vertretendes Lobbyunternehmen steckt. Allerdings gibt es keinen eindeutigen Beleg für solches „Astroturfing“.

Den vollständigen Bericht auf Englisch finden Sie hier: „Tobacco lobbyists all fired up ahead of key vote“.

Anmerkung und Klarstellung:

In der ursprünglichen Fassung enthielt der Text weitergehende Formulierungen zum Astroturfing-Vorwurf. Ich habe diese ersetzt, weil ich erst im Nachhinein gemerkt habe, dass ich beim  Zusammenfassen die Aussagen im Originaltext ungewollt verschärft habe. Ich bitte das zu entschuldigen.
Wir möchten keinesfalls jedes Engagement von Nutzern der E-Zigaretten zu „Astroturfing“ erklären. Natürlich ist es legitim und auch erwünscht, dass sich einzelne Betroffene in die politische Auseinandersetzung um die Tabakproduktrichtlinie einmischen. Unser Artikel gibt die Recherchen unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory über die Tabaklobby im Europäischen Parlament wieder. Die Verfasser haben dafür mit verschiedenen Abgeordneten und ihren Mitarbeiter/innen darüber gesprochen, wie ihre Erfahrungen mit der Tabaklobby im Rahmen der Tabakproduktrichtlinie aussahen. Mehrfach wurde der Eindruck berichtet, dass die E-Zigarettenlobby besonders intensive und teilweise aggressive Lobbyarbeit betrieben hat. Aber wir wollten nicht nur die E-Zigarettenlobby in den Fokus stellen. Die alte Überschrift „EU-Parlament: E-Zigarettenlobby auf dem Vormarsch?“ hat vielleicht diesen Eindruck erweckt, sorry. Wir haben sie deshalb geändert. Denn der CEO-Artikel bezieht sich im Original auf die Tabaklobby insgesamt.

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10 Kommentare

Simon15. Juli 2013 um 20:05

Ich muss auch als langjähriger Unterstützer von lobbyControl sagen, die sonstigen Aktionen von LobbyControl und auch die mir darüber bekannten Aktionen/Positionen von CEO wirken ausgearbeiteter und abgewogener. Wenn man keine Geldflüsse oder Auftragsbeziehungen aufgedeckt hat, sollte man besonders gründlich Hintergrundrecherche über den Sachverhalt betreiben. Sonst ist es womöglich schwierig, Individuen, die von der Sache nachvollziehbar überzeugt sind, von anderen, deren Motivation sich nur rein finanziell erklären lässt, zu unterscheiden.

Persönlich kann ich Sympathien für eZigaretten durchaus nachvollziehen. Ich hab mich mal eingelesen, weil ich jemanden bei der Zigarettenentwöhnung unterstützen wollte. Propylenglycol-Nebenwirkungen (evtl. Atemwegsverengung, Reizung, dadurch eventell indirekte Entzündungsförderung) erinnern mich an Nebenwirkungen von Anti-Erkältungs-Inhalationsmitteln mit ätherischen Ölen. Nikotin siehe Nikotinkaugummis. Nicht gesund, aber mindestens so akzeptabel wie Tabak, Alkohol oder Solarien. Und falls jeder zweite 14 Jährige ähnlich wie bei Alkopops dampfen sollte kann man ja immer noch mit Altersbeschränkungen und Zusatzsteuern nachregeln.

Haben denn Bedenkenträger schon Gelder für öffentlich finanzierte Studien freigegeben, oder sich dafür stark gemacht?

Borsti21. Juli 2013 um 23:39

Es wurde ein Rechtsgutachten in NRW erstellt ob die E-Cig unter das Nichtraucherschutzgesetz fällt erstellt, das Ergebnis gefiel wohl nicht und so ist es in einer Schublade eingestaubt bis die Piraten eine Anfrage gestartet haben.
Ansonsten ist mir keine Studie die von den Gegnern beauftragt wurde bekannt und ich beschäftige mich mit allen Studien über das Dampfen.
Meine Sammlung an relevanten Studien: http://vaping-star.de/m/studies

frank aus hannover25. Juli 2013 um 10:15

ich bin seit fast zwei Jahren Dampfer ! und mir geht es besser ! das ist für uns Dampfern kein Mode Hit das ist mehr Lebens Qualität ! und auch ich werde mich so weit ich kann da für einsetzen das ich u. auch alle anderen Dampfer weiter dampfen können,
ich kann nicht verstehen das eine Hand von Leuten an der spitze Herr Groote über mittlerweile in Deutschland über 2.000000 Bürger so ohne weiteres sein willen auf zwingen kann !!! und unsere Abgeordneten schauen weg !
ich für mein teil sage nur ich glaube keiner Lobby control u. auch keinen Politiker mehr es wurde u. wird zu viel gegen uns gehetzt das man sich wie ein krimineller vor kommt ! wir Dampfer müssen das wohl ohne Hilfe von außen schaffen, setzt euch mal mit dem begriff Demokratie auseinander!!! vielleicht kommt ihr ja drauf was wir Dampfer möchten

Marianne25. Juli 2013 um 16:50

E-Zigaretten-Firmen sind fast ausschließlich kleine und mittelgroße Unternehmen, die bei Weitem nicht die Lobbykraft von Multis haben und nicht in der Lage sind Astroturfing vorzunehmen – ausgenommen ein paar wenige (ca. 4-5) Firmen, die erst vor wenigen Monaten von Tabakmultis aufgekauft worden sind, die aber gerade deswegen keineswegs daran interessiert sind, die bisheringen Vorschriften für E-Zigaretten beizubehalten.
Absurderweise hätte eine strengere Regelung von E-Zigaretten bzw. die klassifizierung als Arzneimittel keineswegs eine bessere Produktsicherheit zur Folge (daran gibt’s nämlich nichts zu verbessern – höchstens an deren Einhaltung), sondern würde Tabakfirmen gleich zwei Vorteile verschaffen: 1. E-Zigaretten wären schwerer zu bekommen, wie Tabakprodukte, und 2. die Konkurrenz würde aus dem Weg geschafft, denn die Zulassung als Medizinprodukte könnten sich nur von Tabakmultis aufgekaufte E-Zigaretten-Firmen leisten…

Robert10. August 2013 um 21:31

Hallo und Guten Tag,

ich Persönlich halte nichts von dieser Tabak Lobby, die versuchen doch nur druck aus zu üben und wollen die E-Zigarette vom Markt einführen, um Ihren kram wieder zu verkaufen.

Aber, dies wer ja mal wieder eine lange Diskussion und würde ja eh wieder den schreib rahmen Sprengen.

Aber toller Artikel…

Liebe grüße aus Hamburg

blackhide15. August 2013 um 11:57

Hallo, ich würde Vorschlagen das ihr von LobbyControl am 31.8.2013, 14:00 Uhr zur Demo nach Düsseldorf oder Berlin kommt und mit uns Astroturfs spricht. Sprecht mit den Leuten und stellt eure Fragen. Bildet eure Meinung. Achso, ja Lobbyismus: Ich habe gelesen das 1 – 2 Händler Kosten für Flyer und Werbeplakate übernommen haben. Viele weitere e-Zigaretten-Shops haben sich geweigert zu beteiligen (und sei es die Flyer auszulegen) und werden sogar von Nutzern dadurch angefeindet. Also: Sprecht mit uns!

Hmmmm… also sind Demos wie „Freiheit statt Angst“ eine noch größere Lobbyarbeit von Datenschützern? Piraten, Grüne, CCC und andere Organisationen haben tausende Euro investiert. Ist das wirklich auch Lobbyarbeit? Es wurden 1500000 Unterschriften gegen Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Parteien und Politiker wurden angeschrieben.

Ich denke unsere „Lobbyarbeit“ war dagegen Mumpitz.

Borsti1. September 2013 um 13:08

Sehr geehrte Frau Katzemich,
sehen so die typischen Astroturfer aus?
http://www.vaping-star.de/bilder
Sie sehen auf den Bildern ca. 600-1000 Dampfer die in Düsseldorf Protestiert haben denn es geht um unsere Gesundheit.
Es würde mich freuen wenn Sie dies den Politikern klar machen würden das wir keine Astroturfer sind sondern wirklich nur informierte Bürger die für Ihre Sache einstehen.

Markus12. September 2013 um 21:49

zur Abwechslung ein Kommentar eines Nichtrauchers, mal nicht am Arbeitsplatz geschrieben:

Selbstverständlich soll in unserer freien Gesellschaft sich jeder selbst aussuchen können, wie er seine Gesundheit ruiniert, ob mit Alkohol, Tabak oder zuviel Fett und Zucker. Diese Produkte sollen ja auch gar nicht abgeschafft werden – was regen sich hier soviele virtuelle Schreiber auf?

Aber die Werbung für ein „Schlecht“ (die betriebswirtschaftliche Def. für das Gegenteil eines Guts) muss selbstverständlich verboten werden. Keine Angst, Hersteller, auch Drogen werden noch immer gut verkauft.

Hier geht’s natürlich vor allem ums Geld, denn wenn die Werbung immer mehr eingeschränkt wird, wird es immer schwieriger, neue Kunden anzufixen, während die Stammkunden ja dauernd wegsterben. Ich warte schon lange auf ein vollständiges Werbeverbot. Als nächsten Schritt schlage ich vor, die Taktik des Gegners gegen ihn zu verwenden: Werbung, die er nicht mehr machen kann – nur jetzt gegen das Rauchen. Ist eigentlich ganz einfach, man muss nur ehrlich sein: Treue Kunden als Models. Mit 40 sehen die schon ziemlich schlecht aus.

Nächstes Ziel ist ein neuer Konsens der Mehrheit: Rauchen macht hässlich und ist was für Loser. Warum ersetzen wir nicht das negativ klingende Wort Nichtraucher durch etwas Positives, z.B. Freiatmer? Klingt beim ersten mal lächerlich, aber wenns viele verwenden, wird das in den Köpfen einschlagen wie eine Bombe. Die Bilder von kaputten Menschen auf Verpackungen führen mittelfristig sicher nur zur Abstumpfung, und ich hoffe, daß sichergestellt ist, daß Minderjährige beim Einkauf damit nicht erschreckt werden. Wirksamer ist, sich beim Gegner abzuschauen wie’s geht: Seit Monaten muss ich den dämlichen Werbespruch „don’t be a maybe“ ertragen – er ziel darauf ab, sich halt endlich für’s Rauchen zu entscheiden. Wirkt sicher gut bei der Hauptzielgruppe: Halbstarke, die noch nicht in ihrer Persönlichkeit gefestigt sind. Hätte ich das Geld, würde ich genauso viele Plakate mit dem Spruch „don’t be a Raucher“ aufhängen. Das deutsche Wort im englichen Spruch wirkt hier besonders uncool.

blackhide30. Januar 2014 um 16:46

So sehen wir Astroturfs aus – echte, valide Daten: https://ec.europa.eu/citizens-initiative/REQ-ECI-2013-000024/public/map.do

Vielleicht unterstützt Ihr ja eine Bürgerinitiative? https://ec.europa.eu/citizens-initiative/REQ-ECI-2013-000024/public/index.do?lang=de

blackhide15. Juni 2014 um 14:05

nochmals eine Anmerkung:

Heute wurde in der belgischen Presse berichtet das 2 der 6 Gesundheitsexperten des obersten Gesundheitsrat für die Volksgesundheit in Belgien von pharmazeutischen Unternehmen bezahlt werden die Nikotin-ersatz oder Medikamente gegen Lungenkrebs verkaufen (Nicorette). Ein dritter Experte ist ehemaliger Berater von Philip Morris. Der Rat empfiehlt den Verkauf von E-Zigarette über Apotheken.

http://www.demorgen.be/dm/nl/993/Gezondheid/article/detail/1762582/2013/12/22/Gezondheidsexperts-e-sigaret-kregen-geld-van-farmabedrijven.dhtml

Ich frage mich immer noch warum wir Nutzer von e-Zigaretten nicht bei der EU ernsthaft angehört wurden (außer einem kurzen 5-Minuten Statement) und warum Abgeordnete sich nicht über Lobbyarbeit von Seiten Pharma so wehement einsetzen.

Es wäre schön wenn wir Nutzer dies dürften. Über die Bürgerinitiative efvi.eu könnten wir dies zumindest erreichen und bitten daher um Unterstützung!