Lobbyismus an Schulen

Schöngefärbte Tierhaltung im Unterricht

„Das Schwein hat Schwein gehabt. Es hat noch seinen Ringelschwanz“, schrieb die Taz über Unterrichtsmaterial des Vereins information.medien.agrar e.V. Die Zeitung hatte an unserer Führung zu Meinungsmache an Schulen auf der Bildungsmesse didacta teilgenommen.
von 8. Mai 2014

„Das Schwein hat Schwein gehabt. Es hat noch seinen Ringelschwanz“, schrieb die Taz über Unterrichtsmaterial des Vereins information.medien.agrar e.V. (i.m.a.). Die Zeitung hatte an unserer Führung zu Meinungsmache an Schulen auf der Bildungsmesse didacta teilgenommen. Dabei stießen wir u.a. auf den Stand des i.m.a. Hinter dem Verein stehen nach eigenen Angaben Organisationen der deutschen Landwirtschaft. Vorsitzender ist Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Besonders aktiv ist der i.m.a. im Bildungsbereich. Über sein Jahresbudget macht der Verein trotz mehrfacher Nachfragen keine Angaben.

Chicken Nuggets, Putenschnitzel und Co.

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Material für den Unterricht: Das Geflügel – Woher kommen Chicken Nuggetes, Putenschnitzel und Co?

Zwei Materialien für den Unterricht sind uns am Stand des i.m.a. auf der didacta besonders aufgefallen. So etwa das Poster „Das Geflügel – Woher kommen Chicken Nuggetes, Putenschnitzel und Co?“ Mitherausgeber ist der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft, der die Interessen der Branche vertritt. Auf dem Poster wird die Haltung der Tiere sehr positiv dargestellt. So ist von „frischer Einstreu“, „gesundem Futter“ und „Tierwohl“ die Rede. Außerdem wird auf die „beste Qualität“ von deutschem Geflügel verwiesen. Gesellschaftlich kontroverse Diskussionen werden ausgegrenzt: Kritik an Massentierhaltung gibt es ebenso wenig, wie die Möglichkeit, sich kritisch mit dem eigenen Konsumverhalten auseinanderzusetzen. Diese Darstellung entspricht den Interessen der Herausgeber und erschwert eine kritische Auseinandersetzung.

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Material für den Unterricht: Das Schwein – Woher kommt unser Schnitzel?

Ähnlich ist die Darstellung in dem Heft „Das Schwein – Woher kommt unser Schnitzel?“ Auch hier überwiegt eine positive Darstellung. Gesellschaftliche Debatten über etwa Massentierhaltung werden nicht erwähnt. Damit wird der Eindruck erweckt, dass die bestehenden Regeln ausreichen und es keinen politischen Handlungsbedarf gebe.

Kritik an landwirtschaftlichen Produktionsverfahren beruht laut i.m.a. „ganz wesentlich auf Unwissenheit.“ Um dem entgegenzuwirken will der i.m.a. „objektiv über Landwirtschaft unterrichten“. Ob ihm das mit den zwei genannten Materialien für den Unterricht gelingt, davon kann sich jeder ein eigenes Bild machen.

Vertreten war auf der didacta auch die Gegenposition in Form der Tierschutzorganisation PETA, auch wenn deren Stand deutlich kleiner und unscheinbarer war. Inhaltlich ist die Problematik jedoch ähnlich. Ein von der Organisation angebotenes Unterrichtsmaterial mit dem Titel „Veggi Führerschein“ wurde vom Materialkompass des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv) als mangelhaft bewertet. Begründet wird dies mit einer „einseitigen Darstellung“ und der Vermittlung eines „falschen Ernährungswissens“.

Bei unserem Besuch der Bildungsmesse didacta sind wir auf viele weitere Beispiele für Meinungsmache und Marketing an Schulen gestoßen. Die Ergebnisse haben wir in einem Live-Blog dokumentiert.

Danke für die vielen Hinweise

Während unserer Aktion auf der Bildungsmesse didacta Anfang März hatten wir Sie aufgefordert, uns ihre Beispiele für Meinungsmache und Marketing an Schulen zu schicken. Für die vielen interessanten Hinweise möchten wir uns bedanken. Dabei ging es unter anderem um Imageförderung von Vattenfall durch Schulwettbewerbe oder um Werbung in einer Anlauttabelle für den Schriftspracherwerb. Darin wurde der Buchstabe H mit Hanuta erläutert und Ü mit Ü-Ei. Hingewiesen wurden wir auch auf die Schulaktivitäten der Bayer AG im Umkreis der drei Chempark-Standorte am Niederrhein. Dank dieser Beispiele können wir uns jetzt ein noch umfassenderes Bild der Aktivitäten von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden an Schulen machen.

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Meinungsmache im Schulalltag erkennen und verhindern

  • Genau hinschauen, wer hinter Unterrichtsmaterialien etc. steckt
  • Informationen über die Finanzierung suchen oder erfragen
  • Klarheit über die Interessen und Motive des Anbieters verschaffen
  • Mit KollegInnen, MitschülerInnen, Eltern über das Thema sprechen
  • Manipulative Angebote nutzen, um Lobbyismus an Schulen zu thematisieren

Lobbyismus an Schulen zurückdrängen

Meinungsmache und Marketing an Schulen – längst handelt es sich dabei nicht mehr um Einzelfälle. Unternehmen stellen ganze Lerneinheiten bereit oder schicken ihre Mitarbeiter als „Experten“ in die Schule. Letztes Jahr haben wir dazu ein viel beachtetes Diskussionspapier veröffentlicht, in dem wir untersucht haben, mit welchen Methoden Lobbyisten Einfluss auf den Unterricht nehmen und welche Motive dahinter stecken. Außerhalb von Fachkreisen wird seitdem über Meinungsmache an Schulen diskutiert. Mit einem offenen Brief an die Bildungsminister protestierten wir gegen diese Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche. Im Juni 2013 überreichten wir 9.500 Unterschriften an den Präsidenten der Kultusministerkonferenz.

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