LobbyControl/Holger Müller - CC-BY-NC-ND 4.0
Lobby-Fußspur

Jetzt Lobbytreffen offenlegen!

Wer trifft sich mit der Regierung – und wer wird übergangen? Geheime und unausgewogene Lobbytreffen bedrohen unsere Demokratie! Jetzt handeln: Für Transparenz in der Politik unseren Appell unterschreiben und Druck machen!

von 20. September 2022

Intransparente und einseitige Lobbytreffen der Bundesregierung verzerren politische Entscheidungen und schaden unserer Demokratie. Problematisch ist, wenn Regierungsmitglieder sich übermäßig mit Industrieverbänden und kaum mit zivilgesellschaftlichen Fachorganisationen treffen. Vor allem, wenn Politik dadurch zugunsten großer Unternehmen und Wirtschaftsverbände und zulasten der Allgemeinheit gestaltet wird.

Doch wir haben die Chance, das zu ändern: Forderungen nach Transparenz in der Politik finden immer mehr Gehör. Wenn die EU-Kommission ihre Lobbytreffen offenlegt, kann Deutschland das auch. Bitte helfen Sie mit, Druck auf die Bundesregierung zu machen, damit sie sich endlich zu mehr Transparenz und Ausgewogenheit durchringt. Unterschreiben Sie jetzt unseren Appell!

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Merz,

schon lange ist der übermäßige Einfluss großer Konzerne und starker Lobbys auf die Politik offensichtlich. Beispiele dafür gibt es genug. Mit unausgewogener Beteiligung muss jetzt Schluss sein!

Gehen Sie jetzt einen beherzten Schritt in Richtung mehr Transparenz und ausgewogener Beteiligung! Sorgen Sie als Regierungschef dafür, dass

-> Bundeskanzler*innen, Minister*innen sowie Staatssekretär*innen und Abteilungsleitende künftig ihre Treffen mit im Lobbyregister eingetragenen Lobbyist*innen offenlegen, wie es die EU-Kommission bereits seit Jahren vormacht.

-> die Mitglieder der Bundesregierung bei ihren Treffen mit Interessenvertreter*innen bewusst auf eine Balance verschiedener Interessen und Perspektiven achten und Kommissionen und Beratungsgremien der Bundesregierung ausgewogen besetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Hintergrund

Warum sollten die Lobbytreffen der Bundesregierung sowie der Leitungsebene von Kanzleramt und Ministerien öffentlich sein?

Bislang ist es extrem aufwändig und nur selten möglich, aktuelle Angaben darüber zu erhalten, mit welchen Lobbyakteuren sich die Leitungsebenen der Ministerien direkt austauschen. Es gibt zwar Transparenz über die Beteiligung von Lobbyakteuren an der Gesetzgebung, und weitere Maßnahmen sind geplant (siehe dazu unten). Doch diese sehen die Veröffentlichung von Informationen über Lobbytermine nur in Einzelfällen vor. Dabei wäre eine Termin-Transparenz aus verschiedenen Gründen richtig und wichtig:

  • Wer mit wem sprach, wann und worüber, das ist oft Gegenstand der Arbeit von Untersuchungsausschüssen, sofern es sich um fragwürdige oder illegitime Einflussnahmen handelt. Man denke an Karl-Theodor zu Guttenbergs Lobbyarbeit bei Angela Merkel zugunsten von Wirecard oder an die Treffen von Olaf Scholz in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal. Wenn Lobby-Termine stets zeitnah offengelegt werden müssen, ist es für die Öffentlichkeit, aber auch für die Abgeordneten leichter, die Arbeit der Bundesregierung zu kontrollieren. Im besten Fall werden illegitime Einflussnahmen durch die Transparenzpflicht von vornherein verhindert.
  • Einseitige Beteiligung wird öffentlich sichtbar und kann damit zum Thema politischer Diskussion und Kritik werden. Damit wird für Politiker*innen ein Anreiz gesetzt, bewusst auf eine gute Balance bei den Terminen mit den Vertreter*innen verschiedener Interessen zu achten. Ein Anreiz ist es auch, aktiv auf weniger gut vernetzte oder finanziell schwächere Interessengruppen zuzugehen und sie einzubinden.
  • Eine solche Öffnung der Lobby-Terminkalender wäre vergleichsweise einfach rechtlich und technisch umzusetzen. Sie würde die bisherigen Transparenz-Maßnahmen wie das Lobbyregister gut ergänzen. Und sie würde das wichtiges Signal senden, dass die Bundesregierung Lobbytransparenz und Ausgewogenheit groß schreibt.

Sollen alle Gesprächstermine veröffentlicht werden?

Veröffentlicht werden sollen alle Termine mit Akteuren, die im Lobbyregister eingetragen sind. Andere Gespräche oder Termine wären davon nicht betroffen, etwa Gespräche mit Bürger*innen aus dem Wahlkreis oder anderen Privatpersonen.

Welche Informationen sollen veröffentlicht werden?

Bei jedem Termin mit Lobbyakteuren sollen Angaben gemacht werden zum Datum, zu den Teilnehmenden, dem Thema und der Form des Termins (Präsenztermin, Video-Call, Telefonkonferenz).

Es gibt doch bereits das Lobbyregister. Warum reicht das nicht aus?

Das Lobbyregister macht sichtbar, wer in wessen Auftrag, mit welchen Zielen und mit welchem Budget Lobbyarbeit gegenüber Bundestag und Bundesregierung betreibt. Es macht also die Strukturen und Ziele der Interessenvertretung, Auftraggeber*innen und Finanzquellen sichtbar und legt Regeln und Schranken für die Lobbyarbeit fest. Es macht aber nicht sichtbar, mit welchen Lobbyist*innen konkret zu welchen Themen ein direkter mündlicher Austausch erfolgte. Ob Gespräche stattgefunden haben, sagt zwar nichts über den Einfluss auf ein Gesetz aus. Gespräche sind aber ein guter Indikator dafür, wie intensiv eine Interessenvertretung stattfand und wie ausgewogen die Bundesregierung verschiedene Perspektiven und Interessen einbezogen hat.

Was ist mit dem „exekutiven Fußabdruck“?

Die Ampel-Regierung hat 2024 beschlossen, dass die Ministerien "wesentliche" Einflüsse auf die Gesetzgebungsvorhaben offenlegen sollen. In Form eines „exekutiven Fußabdrucks“ sollen die Ministerien offenlegen, welche Teile eines Gesetzentwurfs inwieweit aufgrund von Lobbyeinflüssen entstanden oder verändert wurden.

Das ist ein wichtiger Schritt, der definitiv in die richtige Richtung weist. In der Kombination mit dem Lobbyregister, in dem seit Juli 2024 auch schriftliche Stellungnahmen hochgeladen werden müssen, ist so schon ein großer Schritt in Richtung Transparenz gewonnen.

Jedoch bleibt den Ministerien ein großer Ermessensspielraum bei der Frage, wann ein Lobbyeinfluss als "wesentlich" zu betrachten ist. Das hat unsere Auswertung aller Gesetzentwürfen gezeigt, die die schwarz-rote Bundesregierung seit ihrer Wahl in den Bundestag eingebracht hat (Stand: Dezember 2025). Nur ein kleiner Teil der rund 100 Gesetzentwürfe enthielt einen aussagekräftigen Lobby-Fußabdruck.

Zudem treffen sich Politiker*innen nicht nur zu Gesetzesvorhaben mit Lobbyist*innen, sondern auch zu anderen Themen.

Wir fordern in unserem Appell deshalb eine Offenlegung von Lobbyterminen unabhängig vom Thema oder dem formalen Zusammenhang. Diese Offenlegungspflicht sollte für den Kanzler, Minister*innen, Staatssekretär*innen sowie Abteilungsleitungen gelten. Unsere Forderungen ergänzen also den „exekutiven Fußabdruck“ und gehen darüber hinaus.

Wie genau ist die Regelung zu Lobbytreffen auf EU-Ebene? Was bringt das?

EU-Kommissar*innen, ihre Kabinette sowie die Generaldirektor*innen (in etwa vergleichbar mit den Staatssekretär*innen) müssen bereits seit Ende 2014 ihre Lobbytreffen online veröffentlichen. Die EU-Kommissar*innen sind zudem in den Leitlinien der Zusammenarbeit ausdrücklich dazu aufgefordert, auf Ausgewogenheit bei ihren Lobbytreffen zu achten.

Allerdings gibt es keinerlei Kontrollen, ob dies tatsächlich eingehalten wird. Brüssel kann also nur teilweise als Vorbild für Berlin gelten. Die Bundesregierung sollte sich die Regelung auf EU-Ebene dennoch genau anschauen und noch einen Schritt weiter gehen, indem sie eine regelmäßige Prüfung vorsieht, ob Beteiligung tatsächlich transparent und ausgewogen erfolgt.

(Update anlässlich der Auswertung des exekutiven Fußabdrucks zum 10.12.2025)

Teilen