Unsere Auswertung aller Gesetzentwürfe der Bundesregierung seit Beginn der Wahlperiode zeigt: Nur bei einer kleinen Minderheit ist ein aussagekräftiger „exekutiver Fußabdruck“ zu finden.
91 Gesetzentwürfe hat die schwarz-rote Bundesregierung seit Beginn der Wahlperiode dem Bundestag vorgelegt. Doch nur 13 davon enthalten überhaupt Angaben zum Interesseneinfluss auf den Entwurf – und das zum Teil auch nur sehr allgemein. Bei 27 Gesetzentwürfen fehlt die Kategorie „exekutiver Fußabdruck“ schon von vornherein ganz. Bei fast der Hälfte der Entwürfe ist lediglich vermerkt, Interessenvertreter*innen hätten keinen „wesentlichen“ Einfluss auf den Entwurf gehabt. Das ist nicht zielführend.
Das Ziel der Regelung ist es, die Beteiligung von Lobbyakteuren an der Gesetzgebung nachvollziehbar zu machen und konkrete Einflüsse offenzulegen. Außerdem dient mehr Transparenz dazu, sicht- und überprüfbar zu machen, ob die Beteiligung verschiedener Interessen und Perspektiven ausgewogen war, also ob auch Stimmen aus der Zivilgesellschaft oder Wissenschaft eingebunden waren oder vor allem Wirtschaftsverbände. Doch das wird mit der jetzigen Art und Weise der Umsetzung nicht erreicht.
Wir hatten eine „Lobby-Fußspur für Gesetze“ schon lange gefordert – und zwar insbesondere für die Bundesministerien, da dort die meisten Gesetzentwürfe entstehen. Das Lobbyregister bietet Auskunft über Lobbyakteure, ihre Ziele und Finanzierung und schafft damit Transparenz über diejenigen, die Einfluss nehmen. Die Fußspur-Regelung richtet sich an die Adressaten der Einflussnahme. Sie soll die Ministerien verpflichten, Auskunft über die tatsächliche Beteiligung von Lobbyist*innen an der Entstehung von Gesetzen zu geben. Die Einführung einer Fußspur-Regelung parallel zum Lobbyregister scheiterte 2021 am Widerstand der Union. Das SPD-geführte Justizministerium hatte bereits einen Gesetzentwurf dafür erarbeitet.
2024 einigte sich die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen schließlich auf die aktuell geltende Regelung, die allerdings hinter dem Entwurf aus dem Justizministerium zurückblieb. Eingeführt wurde die Regelung dann auch nicht als Gesetz, sondern lediglich als Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien. Demnach sollen die Ministerien zu jedem Gesetzentwurf Angaben machen, inwieweit Interessenvertreter*innen „wesentlich“ zum Inhalt beigetragen haben. Das war ein wichtiger Schritt. Doch schon damals warnten wir, dass die Regelung „den Ministerien viel Spielraum [lässt], in welchem Umfang sie künftig Lobbyeinflüsse tatsächlich offenlegen“. Diese Warnung war berechtigt, wie unsere aktuelle Auswertung erneut zeigt.
Ergebnisse der Auswertung im Detail
| Gesetzentwürfe der Bundesregierung | Anzahl |
Gesamt (ohne Vertragsgesetze) | 91 |
Fußabdruck fehlt vollständig | 27 |
Fußabdruck: Angabe, es habe keinen Einfluss gegeben | 10 |
Fußabdruck: Allgemeine Angabe, es habe keinen wesentlichen Einfluss gegeben. (z. T. einige Details zur Beteiligung/Anhörung) | 41 |
Fußabdruck: einige Details zum Einfluss, z.T. sehr allgemein gehalten | 13 |
Von den 107 in den Bundestag eingebrachten Gesetzesentwürfen fallen 16 Gesetze nicht unter den Regelungsrahmen – etwa, weil es sich um die Umsetzung internationaler Verträge handelt.
91 Gesetzentwürfe sollten somit grundsätzlich einen Lobby-Fußabdruck enthalten. Doch tatsächlich fehlt bei 27 Entwürfen der Abschnitt zum „exekutiven Fußabdruck“ vollständig. Am häufigsten ist dies bei Gesetzentwürfen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWE) der Fall. Von insgesamt 14 Entwürfen, bei denen das BMWE federführend war, fehlt bei sieben der Abschnitt zum Fußabdruck komplett. Ein Grund dafür ist nicht offensichtlich.
Keine einheitliche Anwendung der Lobby-Fußspur-Regelung
Wenn Interessenvertreter*innen tatsächlich gar nicht beteiligt waren, sollte zumindest das im Abschnitt zum Fußabdruck stehen. Fehlt der Abschnitt vollständig, bleibt völlig unklar, ob es keine Beteiligung gab oder das Ministerium sich schlichtweg nicht an die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien gehalten hat. Bei einigen der Gesetzentwürfe ohne Fußabdruck handelt es sich um die Umsetzung von europäischem Recht. Doch das ist kein Grund, den Abschnitt wegzulassen. Ein Verweis auf das EU-Recht und dass keine Interessenvertretung stattgefunden hat, wäre passend und wurde bei zwei Gesetzentwürfen des Arbeitsministeriums auch so gehandhabt.
Auch das Verkehrs-, Finanz- und Innenministerium fallen mit jeweils vier Gesetzentwürfen komplett ohne Fußabdruck auf. Eine einheitliche Anwendung der Regelung ist somit noch nicht einmal innerhalb einzelner Ministerien festzustellen.
41 mal unwesentlicher Einfluss?
Doch selbst wenn der Abschnitt „Exekutiver Fußabdruck“ enthalten ist, kommt es auf den Inhalt an, ob tatsächlich mehr Transparenz über Lobbyeinflüsse auf Gesetzentwürfe hergestellt wird. Bei mehr als einem Drittel der betrachteten Entwürfe (35 von 91) enthält der Fußabdruck-Abschnitt lediglich einen Satz mit der Botschaft, dass es keine „wesentliche“ Beeinflussung des Entwurfs durch Interessenvertreter*innen oder beauftragte Dritte gegeben habe.
Bei sechs weiteren Entwürfen sind zusätzlich immerhin noch einige Informationen aufgeführt, wer überhaupt beteiligt war. Für das Anliegen, Lobbyeinfluss sichtbar zu machen, ist das nicht hilfreich. Unklar bleibt somit auch fast immer, ob die Beteiligung an und der Austausch zu einem Gesetzentwurf halbwegs ausgewogen waren, also ob etwa auch zivilgesellschaftliche Akteure einbezogen waren oder ausschließlich Stimmen von Wirtschaftsverbänden und Unternehmen gehört wurden.
Unklar formulierte Regelung
Dass es den Ministerien möglich ist, die Fußabdruck-Regelung auf diese wenig aussagekräftige Weise umzusetzen, liegt vor allem an der unklaren Formulierung der Regelung selbst. Diese legt fest, dass nur Auskunft über „wesentliche“ Beteiligung von Interessenvertreter*innen gegeben werden soll. Was genau als wesentlich gesehen wird, wann also die Schwelle zur Wesentlichkeit überschritten wird, lässt offenkundig viel Spielraum.
In der Begründung des Beschlusses zur Einführung der Fußabdruck-Regelung heißt es dazu: „Über die Bewertung, ob ein Einfluss wesentlich ist, entscheidet das für den jeweiligen Regelungsinhalt federführend zuständige Ministerium.“ Sicherlich ist es möglich, dass es bei einigen der Entwürfe tatsächlich keine oder kaum Lobbyeinfluss gab. Doch schon ein Blick ins Lobbyregister genügt, um festzustellen, dass es zu einigen der Gesetzentwürfe zumindest rege Lobbyaktivität gab, da viele Stellungnahmen verschickt wurden.
Dass diese Lobbyanstrengungen alle keinen Niederschlag gefunden haben, erscheint wenig glaubwürdig. Wahrscheinlicher ist es, dass die Ministerien die Schwelle für die wesentlichen Einflüsse tendenziell sehr hoch angesetzt haben.
Flucht ins Allgemeine
Es finden sich aber auch etwas kreativere, aber ebenso wenig hilfreiche Formulierungen. So schreibt etwa das Bundesarbeitsministerium (BMAS) zum Tariftreuegesetz:
„Die verschiedenen, teils auch gegenläufigen Anliegen der verschiedenen Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter wurden bei der Erarbeitung des Referentenentwurfs geprüft, miteinander in Ausgleich gebracht und entsprechend weitgehend berücksichtigt.“
Das ist eine belanglose Beschreibung des üblichen Verfahrens bei der Erstellung von Gesetzentwürfen: Verschiedene Anliegen werden angehört und abgewogen. Nur: Mehr Transparenz wird so nicht geschaffen, da völlig offen bleibt, welche und wessen Anliegen wie in einen Ausgleich gebracht wurden. Doch genau diese Informationen könnten entscheidend dazu beitragen, das Vertrauen in eine demokratische Gesetzgebung zu stärken. Politik sollte sich mehr als bisher erklären, offen mit Zielkonflikten zwischen unterschiedlichen Interessen umgehen und Abwägungsentscheidungen nachvollziehbar begründen. Eine gut umgesetzte Fußabdruck-Regelung wäre eine Chance genau dafür.
10 Gesetze ohne Lobbyeinflüsse
Bei insgesamt zehn Gesetzentwürfen findet sich die klare Aussage, dass Interessenvertreter*innen in keinerlei Weise beteiligt waren, also auch nicht „unwesentlich“”. Wenn das tatsächlich so zutrifft, ist das völlig in Ordnung und die Fußabdruck-Regelung kann bei diesen zehn als umgesetzt gelten.
13 höchst unterschiedliche Fußabdrücke
Bei insgesamt 13 Gesetzentwürfen findet sich im Abschnitt zum Fußabdruck mehr als bloß ein allgemeiner Satz. Wie viel mehr, ist allerdings sehr unterschiedlich. Zum Teil sind ähnlich allgemeine Angaben enthalten wie im oben erwähnten Tariftreuegesetz. Ein weiteres Beispiel ist die Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes des Bundesgesundheitsministeriums. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Möglichkeit der Online-Verschreibung von Cannabis abschaffen.
Zum Lobby-Fußabdruck steht hier lediglich: „Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter sowie die Länder wurden im Rahmen des Anhörungsverfahrens beteiligt.“ Das Ministerium lässt hier komplett offen, ob das Anhörungsverfahren einen Einfluss hatte, wer genau beteiligt war. Mehr Transparenz wird so ebenfalls nicht hergestellt.
Es geht auch anders
Dass es auch anders geht, zeigen einige wenige Gesetzentwürfe, wie der Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums (BMJV) zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Im „exekutiven Fußabdruck“ werden mehrere Paragraphen konkret benannt, die aufgrund von Stellungnahmen verschiedener Wirtschaftsverbände geändert wurden. Zwar wird nicht unbedingt im Detail nachgezeichnet, welche Formulierungen wie geändert wurden. Aber die Hinweise schaffen immerhin die Möglichkeit, den Einfluss auf den Gesetzentwurf konkret nachzuvollziehen. Allerdings bedarf es dafür weiterer, eigenständiger Recherche.
Ein Beispiel aus dem Gesetzentwurf: „Aufgrund der Stellungnahme des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. wurde in der Begründung zu § 5 Absatz 3 Nummer 3 UWG-E klargestellt, welche Qualifikation unabhängige externe Sachverständige aufweisen müssen.“ Es ist gut, dass hier auf eine bestimmte Stelle im Gesetz hingewiesen und sogar erklärt wird, worum es geht.
Abgeordnete im zuständigen Bundestagsausschuss können mit solchen Informationen arbeiten und die Stelle in der Gesetzesbegründung nochmal genau prüfen: Ist es tatsächlich zweckmäßig, wenn die Unternehmen „vorhandene Kompetenzen“ nutzen können, oder entspricht das möglicherweise nur den Partikularinteressen eines einzelnen Wirtschaftsverbands? Genau das soll eine vernünftig umgesetzte Fußabdruck-Regelung leisten: Sichtbar und damit diskutierbar machen, welchen Abdruck die verschiedenen Interessenträger im Gesetz hinterlassen haben.
Unser Fazit
Bei einigen Gesetzentwürfen schafft der „exekutive Fußabdruck“ durchaus mehr Transparenz über die Beteiligung und Einwirkung von Interessenvertretungen. Doch das gilt nur für eine kleine Minderheit. Bei den meisten Gesetzentwürfen fehlt entweder der Fußabdruck oder er besteht nur aus einer allgemeinen, belanglosen Aussage, die zur Transparenz nichts beiträgt.
Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen werden entweder auf den Webseiten der zuständigen Ministerien veröffentlicht oder im Lobbyregister. Mit diesen Quellen lässt sich mit einigem Aufwand der Einfluss von Interessenvertretungen zumindest teilweise rekonstruieren. Doch so wie die Fußabdruck-Regelung aktuell ausgestaltet ist, hilft sie dabei in den meisten Fällen sehr wenig. Die Regelung zeigt ebenfalls nicht, wie ausgewogen verschiedene Interessen eingebunden waren.
Unsere Forderungen
Termintransparenz: Eine Lobby-Fußspur für Gesetze sollte die konkreten Auswirkungen auf einzelne Inhalte eines Gesetzentwurfs nachzeichnen. Wichtig ist aber auch, Auskunft darüber zu erhalten, ob verschiedene Interessen und Perspektiven überhaupt ausgewogen eingebunden waren. Eine verbindliche Transparenz über terminierte Gespräche zu einzelnen Regelungsvorhaben wäre daher sinnvoll. Ob es einen solchen Lobbytermin gegeben hat, lässt zwar keinen Rückschluss auf den tatsächlichen Einfluss zu. Trotzdem sind Gespräche ein guter Indikator für die Intensität der Interessenvertretung und Beteiligung am Gesetzgebungsvorhaben. So wird auch für Parlament und Öffentlichkeit sichtbar, wie ausgewogen die Beteiligung verschiedener Interessen war.
Konkret: Die Bundesministerien sollten eine Liste mit allen Gesprächsterminen zu einem Gesetzgebungsvorhaben veröffentlichen. Unterhalb der Leitungsebene reicht die Angabe, mit welcher Arbeitseinheit der Austausch stattgefunden hat. Für die Ebenen der Minister*innen, der Staatssekretär*innen und Abteilungsleitungen sollte darüber hinaus eine allgemeine Pflicht zur Transparenz über Lobbytermine gelten, wie es z. B. die EU-Kommission schon seit längerem vormacht.
Verpflichtende Angabe des Fußabdrucks in jedem Gesetzentwurf: Unsere Auswertung zeigt, dass die Kategorie „Exekutiver Fußabdruck“ bei vielen Gesetzentwürfen fehlt. Künftig sollte sichergestellt sein, dass die Kategorie in jedem Gesetzentwurf enthalten ist. Wenn tatsächlich niemand außerhalb der Bundesverwaltung beteiligt war oder die Regelung aus anderen Gründen keine Anwendung findet, sollte das klar und eindeutig vermerkt werden.
Gesetzliche Grundlage und einheitliche Anwendung: Für eine einheitliche und verbindliche Anwendung der Regelung sollte sie auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Die Wesentlichkeitsschwelle muss darin klar definiert werden: Wenn eine Passage in einem Gesetzentwurf oder in der Begründung aufgrund von Stellungnahmen oder Gesprächen mit Interessenvertretungen geändert wurde, sollte dies dokumentiert und auch so veröffentlicht werden, gegebenenfalls in einem Anhang. Allenfalls redaktionelle Änderungen sollten hiervon ausgenommen sein.

Jetzt Lobbytreffen offenlegen!
Wer trifft sich mit der Regierung – und wer wird übergangen? Geheime und unausgewogene Lobbytreffen bedrohen unsere Demokratie!
Jetzt Appell unterschreiben!Unsere Tabelle mit allen Gesetzentwürfen als Grundlage für die obige Auswertung kann hier als xlsx-Datei heruntergeladen werden.




