Aus der Lobbywelt

Was darf Lobbying genannt werden?

Heute findet am Hamburger Landgericht ein bemerkenswerter Gerichtsprozess statt. Kläger ist das Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Beklagter ist der Publizist Werner Rügemer sowie Peter Kleinert, Herausgeber der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ). Es geht um Aussagen wie „faktenwidrig bezeichnet sich das Institut als ‚unabhängig‘“ oder das IZA betreibe Lobbying.
von 9. Mai 2014

Heute findet am Hamburger Landgericht ein bemerkenswerter Gerichtsprozess statt. Kläger ist das Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Beklagter ist der Publizist Werner Rügemer sowie Peter Kleinert, Herausgeber der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ). Worum geht es?

Vergangenen August veröffentlichte Rügemer in der angesehenen politischen Fachzeitschrift “Blätter für die deutsche und internationale Politik” einen Artikel über Lobbyismus. Titel: “Die unterwanderte Demokratie – Der Marsch der Lobbyisten durch die Institutionen”.

Das IZA in Bonn

Das IZA in Bonn

In dem Artikel wird das IZA als Beispiel dafür herangezogen, wie unter dem Mantel der Wissenschaftlichkeit und Unabhängigkeit Interessen vertreten werden. Stichwort Wissenschaftslobbyismus. Alleiniger Gesellschafter des IZA ist die Deutsche Post-Stiftung. Rügemer zweifelte in seinem Artikel auch aus diesem Grund an, das IZA sei unabhängig.

Im Hamburger Gerichtsprozess geht es nun um Aussagen wie „faktenwidrig bezeichnet sich das Institut als ‚unabhängig‘“ oder das IZA betreibe Lobbying. Der Direktor des IZA, Prof. Dr. Klaus Zimmermann, hatte bereits im September 2013 die Redaktion der “Blätter” sowie Rügemer aufgefordert, entsprechende Aussagen zu unterlassen. Die Blätter-Redaktion unterzeichnete eine Unterlassungserklärung. Rügemer sowie die Neue Rheinische Zeitung, in der der Beitrag ebenfalls erschien, wollten sich so schnell nicht den Mund verbieten lassen. Zimmermann will daher nun mit Hilfe des Gerichtes verhindern, dass Rügemer oder die NRhZ die Aussagen wiederholen. Gedroht wird mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro oder einer Ordnungshaft von bis zu zwei Jahren.

IZA und das Interesse der Deutschen Post

Aus unserer Sicht ist die Gründung des IZA im Kontext eines erweiterten Lobbying zu sehen. Dieses wird im Englischen auch als „deep lobbying“ bezeichnet. Dabei geht es darum, über die Einflussnahme auf Öffentlichkeit oder wissenschaftliche Diskurse indirekt bzw. längerfristig auf die Politik einzuwirken.

Der Direktor des IZA hat jüngst in einem Interview den Ausgangspunkt zur Gründung des Instituts selbst so beschrieben:

„Die Post war damals davon ausgegangen, dass die Beschäftigung mit dem Arbeitsmarkt in Deutschland und darüber hinaus eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe ist und sie als größter Arbeitgeber Deutschlands ein großes Interesse daran habe, die Grundlagen der Beschäftigungsentwicklung in Gegenwart und Zukunft erforschen zu lassen. Die Ergebnisse sollten nicht nur im akademischen Raum bleiben, sondern in die Gesellschaft hineingetragen werden. Die Verknüpfung von Theorie und Praxis wurde in den Mittelpunkt gestellt. Das Institut sollte sowohl im In- wie im Ausland die Politik beraten. “ (Interview mit Klaus F. Zimmermann: „Unser Rat ist weltweit gefragt“ in Postforum April 2014 (pdf), S.3)

Zimmermann benennt also selbst, dass die Deutsche Post ein Eigeninteresse an der Arbeit des IZA hatte und das IZA auch politisch wirken sollte.

„Deep Lobbying“ über die Förderung bestimmter Denkfabriken oder Institute erfordert nicht zwangsläufig, dass der Initiator oder Geldgeber Einfluss auf konkrete Forschungsprojekte nimmt. Es reicht auch, dass man Organisationen oder Wissenschaftler mit einer passenden Ausrichtung fördert und ihnen damit mehr öffentliches Gewicht verleiht. Auf die grundlegende Ausrichtung des IZA haben die Deutsche Post und die Deutsche Post-Stiftung über die Festlegung des Forschungsgebiets und die Benennung von Zimmermann als Direktor Einfluss gehabt.

Streitpunkt Unabhängigkeit

Was die Unabhängigkeit des Instituts angeht, ist recht klar, dass es eine Abhängigkeit des IZA von der Deutschen Post-Stiftung gibt. Die Stiftung stellt den Großteil der Finanzierung. Weitergehend ist noch die gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit: Die Deutsche Post-Stiftung ist laut Handelsregister-Unterlagen der alleinige Gesellschafter des Instituts. In dieser Funktion kann sie den Direktor des Instituts bestellen oder abberufen. Und sie kann die Gesellschaft mit sechs Monaten Frist zum Jahresende kündigen.

Das IZA argumentiert, dass es in seiner inhaltlichen Arbeit unabhängig sei und keine politische Linie verfolge. Die Forschung sei evidenzbasiert und die Forscher*innen frei in der Wahl der Themen. Darüber kann man (kontrovers) diskutieren. Die Unabhängigkeit einer Organisation ist ein vielschichtiges Thema. Aber kann das Institut juristisch die Aussage verbieten lassen „faktenwidrig bezeichnet sich das Institut als ‚unabhängig‘“, wenn es sich selbst zwar als unabhängig bezeichnet, aber zumindest auf gesellschaftsrechtlicher Ebene von der Deutschen Post-Stiftung abhängig ist?

Wir sind gespannt, wie das Gericht im Angesicht dieser Fakten entscheiden wird. Aus unserer Sicht wäre es problematisch, wenn eine kritische Diskussion über das IZA durch juristische Verbote eingeschränkt wird.

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