Kurzmeldung

Neuer Fall von verdeckter Einflussnahme der Bahn

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung hat letzte Woche aufgedeckt, wie die Deutsche Bahn über gezielt platzierte Fachaufsätze 2008 eine wichtige Gerichtsentscheidung beeinflusst hat. Demnach hat die Bahn hat nach außen hin scheinbar unabhängige Fachartikel initiiert und diese dann als Unterfütterung ihrer Argumentation in einem Streitfall mit dem Verkehrs Verbund Rhein Ruhr (VRR) verwendet. Der Konflikt drehte […]
von 17. Februar 2011

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung hat letzte Woche aufgedeckt, wie die Deutsche Bahn über gezielt platzierte Fachaufsätze 2008 eine wichtige Gerichtsentscheidung beeinflusst hat. Demnach hat die Bahn hat nach außen hin scheinbar unabhängige Fachartikel initiiert und diese dann als Unterfütterung ihrer Argumentation in einem Streitfall mit dem Verkehrs Verbund Rhein Ruhr (VRR) verwendet. Der Konflikt drehte sich um Millionenzahlungen, die der VRR zurückgehalten hatte, da er mit der Auftragserfüllung der Bahn eines Nahverkehrsvertrags von 2004 nicht zufrieden war.

Die WAZ zitiert aus einem internen Brief der DB-Rechtsanwälte an die Rechtsabteilung der Bahn. Danach habe das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht die von den Anwälten benannten Literaturzitate zu weiten Teilen in ihr Urteil übernommen. Im Bereich des Preisrechts gelte dies „insbesondere für den von der DB initiierten Aufsatz von Scholz/ Otting“, zitiert die WAZ. Das zeige den Erfolg der Strategie, die Rechtsauffassung der Bahn „durch externe Literaturstimmen, die nicht unmittelbar der Bahn zuzurechnen sind, zu untersetzen.“

Im Prinzip handelt es sich dabei um eine verdeckte Einflussnahme, die dem Skandal um die verdeckte Pro-Privatisierungskampagne der Bahn ähnelt – nur dass es diesmal nicht um PR für die breite Öffentlichkeit ging, sondern um die (erfolgreiche) Beeinflussung des juristischen Fachdiskurses und damit des Gerichtes. Erstaunlicherweise wurde die Geschichte von anderen Medien nicht aufgegriffen, obwohl es eigentlich ein ausgewachsener Skandal ist. Dieser Skandal betrifft nicht nur die Methoden der Bahn unter dem ehemaligen Chef Hartmut Mehdorn, sondern auch die beteiligten Anwälte und Kanzleien. Anwälte werden oft unkritisch betrachtet, obwohl ihre Expertise auch oft Auftragsexpertise ist und keineswegs neutral. Anders als z.B. im Bereich der Medizin und Pharmaforschung scheint es aber kaum eine kritische Diskussion über mögliche Interessenkonflikte und Einflussstrategien zu geben.

Bei Scholz/ Otting handelt es sich um einen Aufsatz des ehemaligen Verteidigungsministers Rupert Scholz und des Anwalts Olaf Otting über die Anwendbarkeit des öffentlichen Preisrechts auf Verkehrsverträge im Schienenpersonennahverkehr. Scholz und Otting sind beide für die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz tätig.

Ottings Interessenkollision als VRR-Vertreter
Ottings Fall ist besonders brisant. Denn nachdem die Bahn im Streit um die Millionenzahlungen 2008 gegen den VRR gewann, schlossen Bahn und VRR einen neuen Vertrag mit verlängerter Laufzeit. Dagegen klagte ein Wettbewerber der Deutschen Bahn, Abellio, die Tochter der niederländischen Eisenbahn. Die Bahn versuchte ein Urteil in diesem Verfahren durch eine außergerichtliche Einigung zu verhindern (siehe Spiegel und WAZ). Dabei wurde im Dezember 2010 Otting plötzlich zum Anwalt des VRR in diesem Streitfall vor dem Bundesgerichtshof. Dieser Wechsel war VRR-intern umstritten. Eigentlich hätte Otting angesichts seiner Vorgeschichte für die Deutsche Bahn das Mandat für den VRR nicht übernehmen dürfen. Denn das Berufsrecht für Anwälte verbietet die Vertretung widerstreitender Interessen. Eigentlich müsste nun die Rechtsanwaltskammer tätig werden und den Fall prüfen. Wir werden an der Geschichte dran bleiben und weiter berichten. Insgesamt brauchen wir einen kritischeren Blick auf die Rolle großer Anwaltskanzleien und ihre Auftragsarbeiten.

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4 Kommentare

daswichtigste17. Februar 2011 um 13:59

Danach habe das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht die von den Anwälten benannten Literaturzitate zu weiten Teilen in ihr Urteil übernommen“
dann entscheiden die gericht nicht aufgrund von gesetzen sondern aufgrund von zeitungsartikeln. das ist abstrus. sorry. so wichtig die kontrolle des lobbyismus auch ist, und sie ist äußerst wichtig, aber das hier ist ein schlechter scherz.
http://wichtigeres.blogspot.com/

Müsli-Man22. Februar 2011 um 15:15

Natürlich entscheiden Gerichte aufgrund von Gesetzen – aber diese bedürfen stets einer Auslegung, und dazu werden die vorangegangene Rechtsprechung sowie in Gesetzeskommentaren und Fachzeitschriften (und nicht irgendwelchen Zeitungen!) veröffentlichte Lehrmeinungen herangezogen.
Wer keinerlei Ahnung von Rechtsprechung und juristischen Fachdiskursen hat, sollte das hier nicht einfach so abtun.

Pedro Rosso22. Februar 2011 um 16:47

Veröffentlichungen in juristischen Fachzeitschriften sind für Gerichte sehr zu Recht ein Gesichtspunkt der Urteilsfindung. Nicht dies ist also das Problem. Der gesteuerte Missbrauch ist das Problem.

Die hier aus den Zitaten ablesbare ausdrückliche vorsätzliche Steuerung der Vorgehensweise: Anwaltskammer und Staatsanwaltschaft wären zu befragen, ob sie dies als vereinbar mit den Berufsregeln für Rechtsanwälte ansehen. Gegebenenfalls wären die Entscheid zu revidieren.

Auf http://aha7.com ist ständig ersichtlich, dass die Verletzung von anwaltlichen Verhaltensregeln durchaus eine effiziente Kriegswaffe ist.

Wie dort dockumentiert (lange Startseite… Untertitel Abmahung suchen),
wurde eine anwaltliche Abmahnfabrik durch die dankenswerte Bereitschaft der Staatsanwaltschaft zur Gesetzesanwendung zum Anwaltsrecht stillgelegt. Sämtliche aus den Anwaltsverfehlungen resultierenden fehlerhaften Gerichtsentscheide – einige 100 – wurden durch eine außergerichtliche Beilegung rück-abgewickelt.

Otto S.17. März 2011 um 1:03

Da stimme ich Ihnen zu 100 % zu. Gerade die Kanzlei Gleiss Lutz schreckt vor einer derartigen Vorgehensweise nicht zurück. Zur Erinnerung: Prof. Goette, ehemaliger Senatsvorsitzender des II. Zivilsenats des BGH für Gesellschaftsrecht ist einen Tag nach seinem Ruhestand 1.10.2010 zu Gleiss Lutz als Anwalt gewechselt. Dies obwohl vorher zahlreiche Verfahren bei Herrn Goette lagen und noch anhängig sind, bei denen die jeweilige Konzerngesellschaft von Gleiss Lutz vertreten wurde. Aber auch vorher hat Goette Seminare mit Gleiss Lutz Anwälten gehalten und seine Kontakte gepflegt. Die Artikel in Manager Magazin und FTD werden bekannt sein. Die Einflussnahme von Großkanzleien als verlängerter Arm von Konzernen drängt sich auf.

Aber auch andere Großkanzleien scheinen Einfluss auf die Richterschaft zu nehmen. Eine langjährige Richterin im zweiten Zivilsenat ist mit einem Anwalt von Hengeler Mueller liiert. Auch auf diese Weise erhalten Großkanzleien Insinderwissen des BGH. Die Richterin wurde vom BGH Präsidenten in einen anderen Senat versetzt und hat dagegen vor dem Verwaltungsgericht geklagt, weil man bei den Interessenkonflikten von Goette großzügiger gewesen sei. Bisher im einstweiligen Rechtschutz mit Erfolg. Nachzulesen in der FAZ, deren Autor Herr Jahn die Versetzung kritisiert und derartige Interessenkonflikte sogar akzeptiert.

Es lebe der deutsche Rechtsstaat, eine Bananenrepublik!

Um diesen wiederzubeleben wünsche ich viel Erfolg bei Ihrer Arbeit. Meiner Auffassung bedarf es eines Gesetzesentwurfs, der das Thema Compliance ausweitet und auch Richter Interessenkonflikte vermeiden müssen, sie andernfalls wegen Befangenheit abgelehnt werden können. Dies ist bisher praktisch nicht möglich. Besorgnis der Befangenheit wird meist abgelehnt, zumal andere Richter hierüber entscheiden.