Parteienfinanzierung

Regensburg-Urteil: Schärfere Parteispenden-Regeln schützen vor solch Ungemach

Der Wolbergs-Prozess hat erneut gezeigt: Es braucht schärfere Regeln und mehr Sensibilität beim Umgang mit Parteispenden. Mehr Transparenz wäre auch im ureigensten Interesse von Politikern. Denn schon der Anschein der Käuflichkeit schadet ihnen – und der Demokratie ingesamt.
von 4. Juli 2019
Screenshot BR24 -
Mangel an Sensibilität mit harten Konsequenzen: Joachim Wolbergs nach der Urteilsverkündung. Screenshot: BR24

Im spektakulären Regensburger Korruptionsprozess, bei dem es um 475.000 Euro Parteispenden, die Vergabe eines Filetgrundstücks und den Verdacht persönlicher Vergünstigungen ging, wurden gestern die Urteile gesprochen. Nach 59 Verhandlungstagen sprach das Landgericht den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs von den meisten Vorwürfen frei - wenn auch nicht von allen. Wolbergs habe sich nicht bestechen lassen, so das Gericht, aber in zwei Fällen der Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht. Es geht dabei um die Annahme von 150.000 Euro Parteispenden in den Jahren 2015 und 2016. Wolbergs war damals bereits als OB für eine Grundstücksvergabe zuständig, an der der Geldgeber ein Interesse hatte. Spiegelbildlich dazu wurde der ebenfalls angeklagte Bauunternehmer Volker Tretzel wegen Vorteilsgewährung (§ 333 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden. Die schwerwiegenderen Vorwürfe der Bestechlichkeit und Bestechung hatte das Gericht schon vor der Hauptverhandlung fallen gelassen.

Spenden über Strohleute geschleust

Darüber hinaus wurde der Bauunternehmer - nicht aber der Politiker - wegen Verstoßes gegen das Parteiengesetz verurteilt. Danach wird mit Haft oder Geldbuße bestraft, "wer in der Absicht, die Herkunft oder die Verwendung der Mittel der Partei oder des Vermögens zu verschleiern oder die öffentliche Rechenschaftslegung zu umgehen, unrichtige Angaben über die Einnahmen oder über das Vermögen der Partei in einem beim Präsidenten des Deutschen Bundestages eingereichten Rechenschaftsbericht bewirkt" (§ 31d Abs. 1 PartG).

Volker Tretzel wurde für schuldig befunden, 277.000 Euro Parteispenden gestückelt und über ein Strohleute-System an Wolbergs' Ortsverein geschleust zu haben. Über Jahre hinweg hatten Tretzels Mitarbeiter und Familienangehörige regelmäßig Beträge gespendet - stets in Höhe von 9.900 Euro, also knapp unterhalb der Veröffentlichungsschwelle von 10.000 Euro. Das Geld dafür bekamen sie von Tretzels Firma vorab überwiesen. Die tatsächliche Herkunft der Mittel wurde so verschleiert. In der Sprache des Gesetzes ausgedrückt: Tretzel sorgte dafür, dass die SPD zwischen 2011 und 2016 fünf unrichtige Rechenschaftsberichte abgab. Er bekam dafür zehn Monate Haft auf Bewährung und muss zudem 500.000 Euro Geldstrafe zahlen. Das Gericht stellte damit dankenswerterweise klar: Die Verschleierung von Parteispenden ist kein Kavaliersdelikt.

Mangel an Sensibilität mit harten Konsequenzen

Das Gericht fand "keine Anhaltspunkte" dafür, dass Wolbergs von diesem Strohleute-System wusste, und sprach ihn deshalb von dem Vorwurf eines Verstoßes gegen das Parteiengesetz frei. Dieser Freispruch ist nicht unbedingt überzeugend - denn auch wenn Wolbergs nicht über die Details des Strohleute-Systems informiert war, hatte er Anhaltspunkte dafür, dass es ein solches System gab. Angesichts der Zahl, der Absender und der einheitlichen Höhe der Spenden hätte er zumindest Verdacht schöpfen müssen. Nach § 25 Abs. 2 Zf. 3 ist die Annahme von Spenden untersagt, "bei denen es sich erkennbar um die Weiterleitung einer Spende eines nicht genannten Dritten handelt".

Auch im Hinblick auf die für ihn als Amtsträger strafbare Vorteilsannahme habe Wolbergs "im Glauben an die Zulässigkeit der Spenden" gehandelt, so das Gericht. Dieser "Verbotsirrtum wäre durch Einholung von Rechtsrat vermeidbar gewesen, mindert die persönliche Vorwerfbarkeit aber stark (gesetzlicher Milderungsgrund)." Das kann man auch anders sehen, wie etwa der Regensburger Professor für Strafrecht Henning Ernst Müller. Schließlich gilt der Rechtsgrundsatz, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt. Zudem verfügte Wolbergs, der als Chef der Regensburger Stadtverwaltung von Jurist*innen geradezu umzingelt war, über zahlreiche Möglichkeiten zur Einholung rechtlichen Rats. Voraussetzung dafür wäre nur ein Mindestmaß an Sensibilität dafür gewesen, dass Spenden an Amtsträger grundsätzlich eine heikle Angelegenheit sind, über deren Bewertung man sich im Zweifelsfalls besser schlau macht. Jeder Beamte oder Angestellte im öffentlichen Dienst hätte Wolbergs diesbezüglich belehren können. Doch Wolbergs ging diese Mindest-Sensibilität offenbar ab.

Sein Fehler hatte für Wolbergs harte Konsequenzen: er saß wochenlang in Untersuchungshaft, wurde aus dem Amt entfernt und bundesweit öffentlich gebrandmarkt. Zudem wurden er und die Mitangeklagten Gegenstand von teils übergriffigen Ermittlungsmethoden, bei denen unzulässigerweise Gespräche mit ihren Anwälten abgehört (und entlastende Passagen aus den Protokollen entfernt) wurden. Die Richterin hat deshalb keine Strafe verhängt. Wolbergs reagierte gleichwohl emotional auf das Urteil: Er sei "wie ein Stück Scheiße" behandelt worden, sagte er im BR.

Spenden-Stückeln: Ein Fehler im System

Der Fall Regensburg zeigt nicht zum ersten Mal, aber aus neuer Perspektive: Viel Ungemach ließe sich vermeiden, wären die Transparenzregeln für Parteispenden in Deutschland schärfer gefasst. Wir brauchen niedrigere Veröffentlichungsschwellen und präzise Angaben zu den Spendenempfängern.

Bisher werden Parteispenden erst ab 10.000 Euro namentlich veröffentlicht - und das auch erst mit großer Verzögerung in den Rechenschaftsberichten der Parteien. Selbst riesige Summen können leicht auf Beträge knapp unterhalb 10.000 Euro gestückelt und über Strohleute verteilt werden, um die Herkunft des Geldes zu verschleiern. Eine Absenkung der Schwelle auf maximal 2.000 Euro ist deshalb dringend notwendig. Auch dann wäre Stückelung im Prinzip zwar noch möglich. Aber es bräuchte fünfmal so viele Strohleute, um eine Großspende zu verschleiern - was die Organisation solcher von Verschwiegenheit lebenden Systeme extrem erschwert.

Stückelungen wie in Regensburg sind kein Einzelfall. Oder vielmehr: Es werden immer wieder Einzelfälle bekannt, weil ein Fehler im System liegt. Im Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus 2016 etwa kam heraus, dass der Berliner Baulöwe Klaus Groth mehrere Stückel-Spenden von jeweils knapp unter 10.000 Euro an CDU und SPD verteilt hatte. Darunter auch an den damaligen Bausenator Andreas Geisel, der im Verdacht stand, dem Spender gefällig gewesen zu sein. Es kam jedoch zu keinen Ermittlungen.

Die Öffentlichkeit muss wissen: Wer bekommt das Geld?

Zudem muss die Öffentlichkeit sehen können, an wen gespendet wird. Bisher sagen die Rechenschaftsberichte der Parteien nichts darüber aus. Sie lassen unklar, ob eine Spende an den Bundesvorstand einer Partei ging oder an einen Landesverband - oder aber wie im Fall Regensburg an einen konkreten Politiker, von dem sich der Spender eine bestimmte Entscheidung wünscht und den er deshalb gezielt fördert. Doch diese Informationen gehören an die Öffentlichkeit - in die Rechenschaftsberichte und, im Fall der sofort zu veröffentlichenden Großspenden, auf die Webseite des Bundestags.

Bisher sind die Empfänger*innen in der Regel nur den Schatzmeister*innen der eigenen Partei bekannt. Im Fall Regensburg hat das zwar gereicht: Tretzels Strohmann-System flog auf, weil der bayerische SPD-Schatzmeister Thomas Goger Verdacht schöpfte und ihm die Gesetzestreue über die Loyalität zu seinem Parteifreund ging. Er erstattete Anzeige. Doch die Bürger*innen können sich leider nicht darauf verlassen, dass Parteifunktionär*innen stets so korrekt handeln wie Goger. Das haben viele Spendenskandale der Vergangenheit gezeigt.

Transparenz schreckt Täter ab und schützt vor falschen Anschuldigungen

Die konkreten Empfänger von Parteispenden in den Rechenschaftsberichten sichtbar machen beugt Korruption vor und schützt auch vor dem bloßen Anschein von Käuflichkeit. Denn Transparenz schreckt mögliche Täter ab und zwingt im Fall ungewöhnlicher Geldflüsse die Beteiligten dazu, sich dafür öffentlich zu verantworten. Wäre von Anfang an sichtbar gewesen, dass Wolbergs' winziger Ortsverein gigantische Spenden aus einem gewissen Umfeld bekam, hätte dies sofort kritische Fragen aufgeworfen: bei Regensburger Bürger*innen, bei lokalen Medien, bei der politischen Konkurrenz. Unter diesen Voraussetzungen hätte entweder Tretzel auf seine Spenden verzichtet - oder er und Wolbergs hätten sich einer öffentlichen Debatte stellen müssen. Beides wäre besser gewesen als das, was stattdessen geschah: verdeckte Geldflüsse, Gesetzesbruch, schwerwiegende Anklagen, U-Haft, Amtsenthebung, ein langwieriger Prozess und menschliche Beschädigungen.

Für Politiker*innen wie für die Demokratie insgesamt gilt: Schädlich ist schon der bloße Anschein von Käuflichkeit. Schärfere Offenlegungsregeln für Parteispenden können davor schützen. Aus unserer Sicht sollte es deshalb auch im ureigensten Interesse politischer Entscheider*innen sein, sich für maximale Transparenz einzusetzen.

Das könnte auch der Justiz vermutlich einiges ersparen. In Regensburg hat sie noch einiges zu tun: Gegen mehrere CSU-Politiker und weitere Bauunternehmer laufen ebenfalls Ermittlungen, teils wurde bereits Anklage erhoben. Und auch Joachim Wolbergs steht ab Oktober erneut vor Gericht. Zudem hat die Staatsanwaltschaft bereits Revision gegen das Urteil angekündigt.

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