Parteienfinanzierung

Die Affäre Meuthen – warum Meuthen zurücktreten sollte

Die Bundestagsverwaltung hat die erste Strafzahlungen für die AfD wegen illegaler Spenden verhängt. Für die verdeckte Unterstützung der Schweizer Agentur Goal AG für Jörg Meuthen und Guido Reil muss die Partei 402.900 Euro zahlen. In einem Briefing zum Fall Meuthen zeigen wir, wie der AfD-Chef die illegalen Spenden vertuschen wollte und gegen das Transparenzgebot des Parteiengesetzes kämpft. Er sollte als AfD-Bundessprecher zurücktreten.
von 17. April 2019

Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen war der erste AfD-Politiker, der verdeckte Wahlkampfhilfe aus der Schweiz erhielt. Die Bundestagsverwaltung hat dies jetzt als illegale Parteispende gewertet. Die AfD muss dafür knapp 270.000 Euro Strafe zahlen. Dieses Kurzpapier stellt die Kernpunkte von Meuthens Spenden-Affäre dar und ordnet sie in das Geflecht verdeckter Wahlkampfhilfe für die AfD ein. Es zeigt klar, dass Meuthen persönliche Verantwortung für die Annahme der illegale Parteispenden trägt. Er hat davon in seiner politischen Karriere profitiert und zugleich versucht, die verdeckte Unterstützung zu vertuschen. Er ist als AfD-Bundessprecher nicht mehr tragbar und sollte zurücktreten.

Briefing "Die Affäre Meuthen", Cover-Bild

Das Briefing „Die Affäre Meuthen“ als pdf-Version inklusive Belege

Jörg Meuthen profitierte von verdeckter Wahlkampfhilfe im Wert von 90.000 Euro.

Die Schweizer PR-Agentur Goal AG finanzierte während des Landtagwahlkampfs in Baden-Württemberg 2016 Anzeigen, Flyer und Groß­plakate für den damaligen AfD-Spitzenkandidaten Jörg Meuthen. Sie erstellte auch Meuthens Webseite für den Wahlkampf. Alle Materialien der Goal AG waren wie AfD-Materialien gestaltet. Dass die Goal AG und separate Geldgeber dahinter standen, blieb verborgen. Auf Meuthens Webseite wurden die Aktivitäten der Goal AG als „Hauptkampagne“ bezeichnet, die Plakate des AfD-Landesverbands als „Vorkampagne“.

Die Maßnahmen der Goal AG sind als Sachspenden zu werten, also als geldwerte Leistungen für Meuthen und die AfD. Erst jüngst wurde bekannt, dass die Kampagne der Goal AG für Jörg Meuthen einen Wert von 89.800 Euro hatte. Demnach beliefen sich die Kosten für für Inserate auf 27.000 Euro, für Flyer 17.000 Euro, für Plakate 41.000 Euro und für Grafik 5000 Euro (gerundet). Meuthen hat von dieser massiven Unterstützung in seinem Wahlkampf und in seiner politischen Karriere profitiert.

Die Wahlkampfhilfe für Meuthen ist Teil eines Geflechts verdeckter Geldflüsse für die AfD.

Der Fall Meuthen steht am Anfang eines größeren Skandals: Anonyme Geldgeber unterstützen die AfD seit 2016 mit millionenschweren Wahlkampfhilfen. Dabei gibt es zwei Schienen: Zum einen werden einzelne AfD-Politiker/-innen direkt unterstützt. Die Goal AG übernahm 2016 Kosten für eine Veranstaltung von Marcus Pretzell (inzwischen aus der AfD ausgetreten). 2017 unterstützte sie Guido Reil im NRW-Landtagswahl mit Wahlplakaten nach dem gleichen Muster wie Jörg Meuthen. Alice Weidel bekam im Sommer 2017 für den Bundestagswahlkampf hohe Geldspenden, die über eine kleine Schweizer Pharmafirma als Strohfirma flossen. Auch bei Reil und Weidel handelt es sich um illegale Parteispenden.

Die zweite Schiene waren groß angelegte Wahlkampagnen eines dubiosen Wahlwerbe-Vereins, des „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“. Dazu gehörten Zeitungen mit Wahlempfehlungen für die AfD, Großplakate, Google-Anzeigen und Videos. Diese Aktivitäten begannen bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2016, parallel zur verdecken Unterstützung für Meuthen selbst. Bis heute flossen über 10 Mio. Euro von unbekannten Geldgebern in Wahlkampfhilfe für die AfD. Der Wahlwerbe-Verein ist dabei nur ein Briefkasten-Konstrukt. Der wesentliche Akteur hinter den Vereins-Kampagnen war ebenfalls die Schweizer Werbeagentur Goal AG.

Grafik Heimliche Helfer der AfD, LobbyControl

Jörg Meuthen trägt persönlich die Verantwortung.

Meuthen war von Anfang an in die verdeckte Wahlkampfhilfe eingeweiht. Schon im Herbst 2015 stimmte er bei einem „privaten Gespräch“ mit Goal AG-Chef Alexander Segert der Unterstützung durch die Goal AG zu. Im Februar 2016 übernahm Meuthen gegenüber einem lokalen Verlag die rechtliche Verantwortung für die Anzeigen und die Verteilung von Flyern. Mit dieser sogenannten Freistellungserklärung hat er an den Unterstützungsaktionen mit­gewirkt und sie akzeptiert. Meuthen kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass es sich um eine unabhängige Ak­tion der Goal AG gehandelt habe. Er ist persönlich dafür verantwortlich, dass diese Kampagne in seinem Namen und in dieser Form durchgeführt wurde.

Aus dieser Mitwirkung Meuthens ergibt sich auch, dass die Wahlkampagne der Goal AG für ihn als Parteispende zu werten ist (siehe dazu unten mehr). Es ist zudem klar, dass die Aktivitäten der Goal AG mit der AfD-Wahlkampagne für Jörg Meuthen verknüpft waren. So enthielt etwa die Webseite auch Termine und Videobotschaften Meuthens. Das setzt eine enge Abstimmung der Goal AG mit dem Wahlkampf-Team von Meuthen voraus.

Jörg Meuthen hat versucht, die verdeckte Wahlkampfhilfe zu vertuschen.

Die Unterstützung der Goal AG ist erst durch journalistische Enthüllungen an die Öffentlichkeit gelangt. Selbst nach den ersten Medienberichten wollte Meuthen das ganze Ausmaß der verdeckten Spenden vertuschen. Er räumte im Mai 2017 zunächst nur ein, dass seine Webseite von der Goal AG gemacht wurde. Dies sei ein „un­entgeltlicher Freundschaftsdienst“ Segerts gewesen, den er persönlich kenne. Auf Nachfragen von Lobby­Control verschwieg er, dass die Goal AG auch Anzeigen und Plakate für ihn bezahlt hatte. Dies gab er erst nach weiteren Enthüllungen Ende August 2017 zu. Meuthen antwortete nicht auf weitere Fragen von LobbyControl, ob die Goal AG Flyer für ihn erstellt und verteilt habe. Das räumte die AfD erst im Januar 2019 ein. Am Ende wurde aus einem „unentgeltlichen Freundschaftsdienst“ eine Kampagne von knapp 90.000 Euro.

Die Unterstützung der Goal AG für Meuthen ist als illegale Parteispende zu werten.

Das Parteiengesetz verbietet anonyme Spenden, auch anonyme Sachspenden. Laut § 25 (2) 6 Parteiengesetz sind Spenden verboten, „bei denen es sich erkennbar um die Weiterleitung einer Spende eines nicht genannten Dritten handelt“. Meuthen wusste nach eigener Darstellung nicht, von wem das Geld für die Wahlkampagne der Goal AG kam. Erst auf Anfrage der Bundestagsverwaltung habe er bei der Agentur die Namen der angeblichen Spender erfragt. Meuthen räumt damit selbst ein, die Unterstützung akzeptiert zu haben, ohne zu wissen, woher das Geld kommt.

Inzwischen hat sich der Skandal noch weiter verschärft: Die von der Goal AG zusammengestellte Spender-Liste ist nach Medienberichten offensichtlich falsch. Danach wurden Strohleuten bis zu 1.000 Euro angeboten, wenn sie ihren Namen als angebliche Spender zur Verfügung stellten. Drei der Strohleute haben Verbindungen zu dem Milliardär Henning Conle. Dieser soll Recherchen zufolge hinter den Spenden an Alice Weidel stecken, die über eine Schweizer Pharmafirma liefen und für die im Nachhinein ebenfalls eine gefälschte Spenderliste vorgelegt wurde.

Die AfD versucht, die Transparenzregeln des Parteienrechts zu umgehen.

Die AfD und Jörg Meuthen versuchen, sich dem Parteienrecht zu entziehen. Sie behaupten weiterhin, die verdeckte Wahlkampagne der Goal AG sei gar nicht als Parteispende zu werten. Diese Argumentation ist aber nicht überzeugend. Das Parteienrecht sieht vor, dass auch „Maßnahmen durch andere, mit denen ausdrücklich für eine Par­tei geworben wird“ als Einnahme gelten können. Dies ist dann der Fall, wenn die Partei Einfluss auf diese Maßnahmen hatte. Das ist mit der Mitwirkung von Meuthen an der verdeckten Wahlkampagne gegeben und schwarz auf weiß belegt. Ohne seine Mitwirkung hätte die verdeckte Kampagne nicht in dieser Form stattfinden können. Sie muss deshalb als Parteispende eingestuft werden. Alle Behauptungen Meuthens, er habe die Aktivitäten der Goal AG nicht beauftragt, gehen am Kern der Sache vorbei. Spenden beauftragt man nicht. Die entscheidende Frage ist, ob man sie annimmt. Meuthen hat das durch seine Zustimmung getan.

Die AfD hat inzwischen eine Million Euro für kommende Strafzahlungen zurückgelegt. Zugleich spielt die Partei weiter auf Zeit. Sie will gegen die angedrohten Strafen gegen Jörg Meuthen und Guido Reil klagen. Die Erfolgsaussichten dieser Klagen sind minimal. Der Plan dahinter ist durchschaubar: Die Partei will verhindern, dass ihre Spitzenkandidaten vor der Europawahl rechtskräftig der Annahme illegaler Spenden überführt sind. Mit den angekündigten Klagen würde die AfD dafür kämpfen, dass verdeckte Geldflüsse für Wahlkämpfe intransparent und straffrei bleiben können. Das ist inakzeptabel. Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, wer Parteien mit Geld unterstützt und wem diese zum Dank verpflichtet sind.

Solche Formen verdeckter Einflussnahme sind Gift für die Demokratie.

Die Rolle des Geldes in der Politik ist immer sensibel. Mit großen Geldsummen kann vor allem in Wahlkampfzeiten der politische Wettbewerb verzerrt und Einfluss erkauft werden. Besonders gefährlich sind solche Geldströme, wenn ihre Herkunft unbekannt bleibt. Denn dann bleibt unklar, welche Interessen sich mit den Spenden verbinden: Wer nimmt Einfluss? Welchen Geldgebern fühlen sich Parteien zu Dank verpflichtet? Gibt es Zusammenhänge zwischen politischen Entscheidungen und Geldflüssen?

Wählerinnen und Wähler haben das Recht, Antworten auf solche Fragen zu bekommen. Das sagt auch das Grundgesetz (Artikel 21), und das Bundesverfassungsgericht hat das immer wieder bekräftigt. Deshalb ist es richtig, wenn verdeckte Wahlwerbung wie im Fall Meuthen bestraft wird. Der Gesamtkomplex verdeckter Geldflüsse zugunsten der AfD muss aufgeklärt werden. Es ist Gift für die Demokratie, wenn unbekannte Geldgeber mit Millionenbeträgen verdeckt Einfluss auf Wahlen nehmen.

Hintergrund

Hier finden Sie das Briefing als pdf-Datei: Die Affäre Meuthen. Illegale Spenden und der Kampf der AfD gegen Transparenz, April 2019

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