Pressemitteilung

„Parteien brauchen nicht mehr Geld, sondern mehr Transparenz“

Berlin, 11.6.2018 – Die Große Koalition will die staatlichen Zuschüsse für Parteien im Eilverfahren erhöhen. Heute findet im Ausschuss für Inneres und Heimat eine kurzfristig anberaumte Expertenanhörung zum Thema statt, bereits am Freitag – einen Tag nach WM-Start – soll der Bundestag einer Aufstockung der Parteienfinanzierung um 25 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro pro […]
von 11. Juni 2018

Berlin, 11.6.2018 – Die Große Koalition will die staatlichen Zuschüsse für Parteien im Eilverfahren erhöhen. Heute findet im Ausschuss für Inneres und Heimat eine kurzfristig anberaumte Expertenanhörung zum Thema statt, bereits am Freitag – einen Tag nach WM-Start – soll der Bundestag einer Aufstockung der Parteienfinanzierung um 25 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro pro Jahr zustimmmen. Annette Sawatzki, Expertin für Parteienfinanzierung bei LobbyControl, kommentiert:

„Eine Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung muss nicht per se falsch sein. Sie könnte dazu dienen, Parteien unabhängiger von privaten Geldgebern und deren Interessen zu machen und dem demokratischen Prinzip „ein Mensch, eine Stimme“ mehr Geltung zu verschaffen. Doch dies ist offenbar nicht im Sinne der Koalition. Denn sie sperrt sich immer noch gegen Obergrenzen für Parteispenden und gegen die Offenlegung des Parteisponsoring, mit dem Unternehmen und Verbände den Parteien jedes Jahr auf undurchsichtige Weise Millionenbeträge zukommen lassen. Regierungsmotto scheint zu sein: Die Hand aufhalten, aber sich nicht auf die Finger schauen lassen.“

Sawatzki weiter:
„Besonders frech ist, dass die Große Koalition ihren Schritt mit angeblich erhöhten Transparenz- und Rechenschaftsanforderungen begründet. Genau um deren Einführung drückt sich die Große Koalition seit Jahren. Viel Zeit lässt sie sich auch, wenn es um gesellschaftlich dringende Themen wie die Wohnungspolitik oder den Pflegenotstand geht. Wenn es aber darum geht, sich selbst mehr Geld zu genehmigen, muss es plötzlich ganz schnell gehen. Offenbar will die Bundesregierung mit diesem Hauruck-Verfahren eine öffentliche Debatte über die Parteienfinanzierung verhindern.“

„Den Reformbedarf beim Parteiengesetz zeigte zuletzt der Skandal um die verdeckte AfD-Wahlkampffinanzierung. Aufgrund von Gesetzeslücken gibt es immer noch keine Aufklärung darüber, wer in den letzten zwei Jahren Wahlkampfmittel für die AfD im Wert von über sechs Millionen Euro finanziert hat. Die Große Koalition sollte zumindest der zuständigen Aufsichtsbehörde mehr Ermittlungsbefugnisse geben, um undurchsichtige Geldflüsse künftig zu unterbinden. Stattdessen selbst in die Staatskasse zu greifen, verstärkt die Politikverdrossenheit vieler Bürgerinnen und Bürger und treibt die Erosion der Demokratie voran“, sagt Sawatzki.

Hintergrund

  • Den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD finden Sie online hier.
  • Die Tagesordnung der öffentlichen Anhörung heute finden Sie hier.
  • Das Grundgesetz ( Artikel 21 Absatz 4) schreibt vor, dass die Parteien öffentlich Rechenschaft über die Herkunft ihrer Mittel ablegen müssen. Dennoch ist die Parteienfinanzierung in Deutschland hochgradig intransparent. So bleibt die Herkunft von rund zwei Dritteln aller Parteispenden von Unternehmen und Verbänden auch nach Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte der Parteien unbekannt. Zudem nutzen Konzerne, Verbände und Vermögende Schlupflöcher wie Sponsoring oder Tarnorganisationen, um Parteien mit hohen Geldbeträgen zu unterstützen, ohne dass die Parteien dies offenlegen müssen.
  • Parteisponsoring: Immer mehr Unternehmen und Verbände – von BMW über Gesamtmetall bis hin zum Tabakkonzern Philip Morris – setzen auf Sponsoring, um einzelnen Parteien auf intransparente Weise hohe Geldsummen zukommen zu lassen. So hat Volkswagen nach LobbyControl-Recherchen von 2014 bis 2017 insgesamt 656.260 Euro für Parteisponsoring ausgegeben – das ist im Jahresschnitt rund viermal so viel wie VW früher spendete.
  • Tarnorganisationen: Seit Anfang 2016 profitiert die AfD von millionenschweren verdeckten Geldströmen, mit der unbekannte Finanziers über eine Schweizer Werbeagentur und einen Stuttgarter Briefkasten-Verein die Partei in Wahlkämpfen unterstützen. LobbyControl schätzt den Gesamtwert dieser Wahlkampfunterstützung auf mehr als zehn Millionen Euro. LobbyControl hat im September 2017 in einem Hintergrundpapier die wesentlichen Fakten zur intransparenten Wahlkampfhilfe zusammengefasst.

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