Lobbyregister

FDP: Wie weit reicht der Einfluss der russischen Gaslobby?

Europa erlebt gerade eine Lobbyschlacht um das Thema Gas. Involviert ist der FDP-Politiker und ehemalige Botschafter Frank Elbe, der wahrscheinlich Lobbyarbeit für das Projekt Nordstream 2 macht. Der Fall zeigt erneut, wie nötig ein Lobbyregister und mehr Lobbytransparenz wären.
von 24. November 2017

Oktober 2016: Erste Nord Stream 2 Rohre erreichen Mukran auf der Insel Rügen. Foto: Nord Stream 2/ Axel Schmidt

In Europa tobt seit geraumer Zeit eine Lobbyschlacht um das Thema Gasversorgung. Im Zentrum steht dabei die Gas-Pipeline Nord Stream 2 von Russland durch die Ostsee nach Deutschland. Während die EU-Kommission, aber auch osteuropäische Staaten wie Polen, vor zu großer Abhängigkeit von russischem Gas warnen, hat das Projekt in Deutschland viele Fürsprecher. Eine der britischen Zeitung The Guardian zugespielte E-Mail legt nun nahe, dass der ehemalige Botschafter Frank Elbe (FDP) an Lobbyarbeit für das umstrittene Pipeline-Projekt Nord Stream 2 beteiligt ist. Bemerkenswert ist, dass die fragliche Mail unterzeichnet ist mit der Formulierung „In Zusammenarbeit mit Kubicki & Schöler, Rechtsanwälte“.

Waren Elbes Lobbybemühungen innerhalb der FDP bekannt?

Der Fall wirft somit die Frage auf, wie weit der Lobbyeinfluss von Nord Stream in die FDP hinein eigentlich reicht. Auffällig ist, dass führende FDP-Politiker wie Christian Lindner und auch Wolfgang Kubicki sich in letzter Zeit überraschend kritisch zum Thema Sanktionen gegen Russland vor der Hintergrund der Krim-Krise äußerten (siehe zum Beispiel ein „Exlusiv-Interview“ Kubickis beim dem Kreml nahestehenden Nachrichtenkanal Sputnik News). Es stellt sich somit die Frage, inwieweit die Aktivitäten von Elbe innerhalb der FDP überhaupt bekannt waren und ob Elbe auch in die FDP hinein im Auftrag von Nord Stream wirkte. Frank Elbe selbst publiziert unter anderem regelmäßig im Magazin Cicero, unter anderem auch zur Krim-Krise und den deutsch-russischen Beziehungen. Dem Cicero war Elbes Tätigkeit für Nord Stream nicht bekannt. „Sollte Herr Elbe noch einmal Beiträge für uns verfassen, die Russland zum Thema haben, werden wir ihn vorher auf sein laut „Guardian“ bestehendes Nordstream-Engagement ansprechen und im Fall, dass dies den Tatsachen entspricht, unsere Leser darüber informieren“, sagte Cicero-Chefredakteur und  Herausgeber Alexander Marguier auf LobbyControl-Anfrage.

Wolfgang Kubicki. Foto: Sven Teschke/ „2013-08-23 – Wolfgang Kubicki – 8689″/ Wikipedia/ CC-BY-3.0

Auf Nachfrage des Guardian verneinte Kubickis Kanzlei jegliche Kenntniss von den Aktivitäten ihres Kooperationspartners Frank Elbe. Man arbeite lediglich in internationalen Strafsachen zusammen. LobbyControl gegenüber äußerte Kubickis Kanzlei, generell keine Lobbyarbeit zu betreiben. Elbe dagegen dementiert nicht, dass er im Auftrag eines Mandanten handele und beruft sich auf das Anwaltsgeheimnis. Außerdem sei er nicht in Lobbyarbeit involviert, sondern sei lediglich beratend aktiv. Die an mehrere laut Guardian „einflussreiche Analysten und Denkfabriken“ im Energiesektor gerichtete E-Mail, die LobbyControl einsehen konnte, spricht dagegen eine andere Sprache. So schreibt Elbe an einer Stelle: „Wir arbeiten weiter gemäß unseres Zeitplanes und erwarten Erlaubnisentschiedungen in den fünf relevanten Ländern zum Ende des I. Quartals 2018“. Das klingt nach deutlich mehr als reiner Beratung.

Auch wenn Kubickis Kanzlei nach eigenen Angaben in diese Aktivitäten nicht direkt involviert ist, erscheint es durchaus problematisch, dass der Name eines wichtigen FDP-Politikers in den Lobbybemühungen Elbes auftaucht und diesen damit zusätzliches Gewicht verleiht. Kubicki sollte dafür sorgen, dass seine Kanzlei nicht damit in Verbindung gebracht wird.

Wer ist hier intransparent?

Frank Elbe, Foto: StagiaireMGIMO/ „Fank Elbe 2014″/ Wikimedia/ CC BY-SA 4.0

Was der Vorgang insgesamt ganz deutlich zeigt: Wir wissen viel zu wenig darüber, wer in einer für Europa so wichtigen Frage als Lobbyist die Stränge zieht und welche ehemaligen oder auch gegenwärtigen Politiker beteiligt sind. Elbe trat noch im September bei einer FDP-Wahlveranstaltung als „außenpolitischer Experte“ auf. Der ehemalige Botschafter und Büroleiter von FDP-Urgestein Genscher dürfte in der Partei hervorragend vernetzt sein. Darauf deutet auch die Zusammenarbeit mit Kubicki hin.

Vor diesem Hintergrund war es gut, dass in der Jamaika-Sondierung ein verpflichtendes Lobbyregister Thema war und Chancen gehabt hätte, in den Koalitionsvertrag zu kommen. Hinter diesen Stand sollte die kommende Bundesregierung nicht zurückfallen. Gäbe es ein solches Lobbyregister bereits, wäre es für die FDP, aber vor allem auch für die Öffentlichkeit nachvollziehbarer, wer hier eigentlich in wessen Auftrag unterwegs ist.

Kampf der Gas-Lobbyisten in Brüssel

Gerade beim Thema Gas wäre mehr Lobbytransparenz dringend geboten. Vor ein paar Tagen erst hat unsere Partnerorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) eine Studie über den Einfluss der Gaslobby in der EU veröffentlicht. Demnach hat die Gasindustrie insgesamt 2016 mehr als hundert Millionen Euro für ihre Lobbyarbeit auf EU-Ebene ausgegeben und mehr als 1000 Lobbyisten beschäftigt. Gemeinsam mit zahlreichen PR und Lobbyfirmen haben sie es geschafft, Veranstaltungen im EU-Parlament und hochrangige Treffen mit den Umwelt- und Energiekommissaren zu organisieren.

Allein Gazprom investierte laut EU-Transparenzregister 2016 eine halbe Million Euro in seine Lobbyaktivitäten, pflegt zudem weiter enge Beziehungen zu Politikern wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Gleichzeitig versucht der ukrainische Energieriese Naftogaz, der durch Nord Stream 2 rund zwei Milliarden Euro Durchleitungsgebühren pro Jahr verlieren würde, in Brüssel Einfluss zu nehmen, berichtete die SZ. Dies geschieht unter anderem über Brüsseler Organisationen wie „Fair Energy“, die sich als „unabhängiger Think Tank“ bezeichneten und gegen die CEO bereits Beschwerde wegen Verstößen gegen EU-Transparenzpflichten eingereicht hat.

Aber auch ein anderes Großprojekt nimmt immer konkretere Formen an. So hat die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) Ende Oktober einen Kredit in Höhe von 500 Millionen US-Dollar für den Bau des „südlichen Korridors“ bewilligt. Mit der 40-Milliarden-Euro teuren Pipeline will das für Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehende, autoritär regierte Aserbaidschan Gas über die Türkei nach Europa liefern. Die Fälle Strenz und Lintner, über die wir in den vergangenen Wochen berichteten, sind in diesem Zusammenhang zu sehen.

Zurück zu Frank Elbe: Dass die Transparenzregeln in Deutschland und der EU nicht ausreichen, um Klarheit über solche Lobbyaktivitäten zu erlangen, beklagt der ehemalige Botschafter in seiner E-Mail indirekt selbst – allerdings nur mit Bezug zur Konkurrenz. In der Mail warnt Elbe die Adressaten vor der oben erwähnten Organisation „Fair Energy“. Diese habe falsche Behauptungen gegen Nord Stream 2 in die Welt gesetzt, sich trotz kritischer Medienberichte nicht in das Brüsseler Lobbyregister eingetragen und sei eigentlich eine Tarnorganisation für konkurrierende wirtschaftliche Interessen. Mit anderen Worten: Elbe selbst warnt vor intransparenter Einflußnahme. Es hat durchaus eine gewisse Ironie – aber der Grundaussage können wir uns nur anschließen.

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