Nebeneinkünfte

Lobbyisten im Bundestag: fragwürdige Doppelrollen

Ein Agrarlobbyist im Landwirtschaftsausschuss und ein Ärztelobbyist im Gesundheitsausschuss – solche Konstellation sind im deutschen Bundestag Realität. Die kürzlich veröffentlichten Nebeneinkünfte der neuen Bundestagsabgeordneten zeigen, dass es weiterhin möglich ist, als Lobbyist im Bundestag zu sitzen. Wir werfen ein Schlaglicht auf einige Fälle fragwürdiger Doppelrollen. Wegen der Interessenkonflikte fordern wir ein klares Verbot von Lobbytätigkeiten neben dem Mandat.
von 25. März 2014

Ein Agrarlobbyist im Landwirtschaftsausschuss und ein Ärztelobbyist im Gesundheitsausschuss – solche Konstellation sind im deutschen Bundestag Realität. Die kürzlich veröffentlichten Nebentätigkeiten der neuen Bundestagsabgeordneten zeigen, dass es weiterhin möglich ist, als Lobbyist im Bundestag zu sitzen. Hier sind Interessenkonflikte vorprogrammiert: Es ist zweifelhaft, ob Abgeordnete, die unter Vertrag bei einem Lobbyverband stehen oder von einem einem Unternehmen für Beratertätigkeit bezahlt werden, unabhängige Entscheidungen treffen könnnen. Wir werfen ein Schlaglicht auf einige Fälle fragwürdiger Doppelrollen.

Rudolf Henke: Ärztefunktionär im Gesundheitsausschuss

In der Öffentlichkeit kaum bekannt, doch in Ärzteverbänden bestens vernetzt: Der CDU-Abgeordnete und Arzt Rudolf Henke bekleidet neben seinem Mandat zahlreiche Funktionen. Er ist Chef des Ärzteinteressenverbands Marburger Bund und Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Auch seine Posten im Ärztebeirat der Allianz-Versicherung und der Deutschen Ärzteversicherung sind gut bezahlt. Insgesamt bezog Henke in den Nebeneinkünfte von mindestens 147.000 Euro. Als stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsausschusses hat er großen Einfluss auf gesundheitspolitische Entscheidungen.

Nobert Schindler: Der Bioethanollobbyist im Bundestag

Auch Norbert Schindler, CDU-Bundestagsabgeordneter, ist Multifunktionär: So ist er unter anderem Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands und Vorsitzender des Bundesverbands der deutschen Bioethanolwirtschaft. Daneben sitzt er in gleich vier Aufsichtsräten – allein bei CropEnergies bezieht er dafür Einkünfte in Höhe von mindestens 30.000 Euro (Stufe 5). Das Unternehmen ist eines der größten Hersteller von Bioethanol.  In der Diskussion um die Einführung von E-10 trat Schindler in seiner Doppelrolle auf: Als Verbandsfunktionär mischte er mit, um E-10 und die Bioethanolindustrie gegen Kritik von umwelt- und entwicklungspolitischen Verbände zu verteidigen. Auch im Bundestag pries er die Vorzüge von Bioethanol.

Berater für die Dämmstoffindustrie – zuständig für Gebäudesanierung

Volkmar Vogel (CDU) hat sich die energetische Gebäudesanierung auf die Fahnen geschrieben. Dazu zählt vor allem die Förderung der Wärmedämmung. Als Mitglied des Bauausschusses – im letzten Jahr noch als stellvertretender Vorsitzender – sitzt er dafür an der richtigen Stelle. Zugleich steht Vogel seit Mai 2013 bei der Deutschen Rockwool unter Vertrag. Rockwool ist einer der Weltmarktführer bei der Herstellung des Dämmstoffes Steinwolle. Vogel ist Mitglied des Fachbeirats von Rockwool und erhält dafür zwischen 15.000 und 30.000 Euro im Jahr. Auch der neue Beauftragte für Energiepolitik der Unionsfraktion und frühere Koordinator für Energiepolitik, Thomas Bareiß, ist Mitglied im Fachbeirat von Rockwool und erhält ebenfalls Einkünfte von mindestens 15.000 Euro.

Ulrich Freese – der Energiefunktionär im Energieausschuss

Ulrich Freese (SPD), Mitglied im Energieausschuss, ist neu im Bundestag – doch in der Energiepolitik ist Freese schon lange aktiv. Seine Funktion als Vizevorsitzender der Gewerkschaft IG BCE (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie) hat Freese niedergelegt. Seine Bezüge erhält er noch bis April 2016 weiter. Dafür gibt er allerdings seine Abgeordnetenbezüge an die IG BCE weiter. Freese bezieht außerdem Nebeneinkünfte aus zahlreichen Aufsichtsratsposten, darunter drei beim Energiekonzern Vattenfall. Laut der gewerkschaftlichen „Abführungsregeln“ führt er seine Tantiemen allerdings zum Teil an die Hans-Böckler-Stiftung sowie andere gemeinnützige Einrichtungen ab, wie Freese auf seiner Webseite darstellt. Laut Lausitzer Rundschau wird Freese Mitte des Jahres mehrere Aufsichtsratsposten niederlegen, aber bei Vattenfall im Aufsichtsrat bleiben. Dort streite er – so die Lausitzer Rundschau – „für die Arbeitnehmerinteressen, für die Braunkohle als Brückentechnologie ins regenerative Zeitalter. Es gehe dabei um Arbeitsplätze in der Kohle.“

Anwälte und Berater: Auftraggeber bleiben intransparent

Wesentlich schwieriger als bei den genannten Fällen lassen sich mögliche Interessenkonflikte bei Anwälten und Beratern nachvollziehen. 23 Abgeordnete geben Nebeneinkünfte aus Anwaltstätigkeiten an, vier sind als selbständige Berater aktiv. Dazu zählen unter anderen der Top-Verdiener im Bundestag, Peter Gauweiler, oder der frühere Umweltminister Norbert Röttgen. Aus welchen Branchen die Mandate stammen oder gar wer die einzelnen Mandanten waren, bleibt intransparent. Das ist problematisch, weil Anwaltskanzleien in den vergangenen Jahren zu wichtigen Akteuren der Lobbybranche aufgestiegen sind. Hier brauchen wir dringend mehr Transparenz. Wir fordern, dass Anwälte und Berater zumindest die Branche ihrer jeweiligen Mandanten, Klienten oder Kunden offenlegen müssen.

Unsere Forderung: Keine bezahlten Lobbyisten im Bundestag!

Wenn Abgeordnete Geld dafür erhalten, die Interessen eines Verbands oder eines Unternehmens zu vertreten, sind sie nicht mehr frei „von Aufträgen und Weisungen“, wie es das Grundgesetz fordert. Wir fordern daher ein klares Verbot von Lobbytätigkeiten neben dem Mandat.

 

Weitere Informationen über die Nebeneinkünfte der Abgeordneten finden Sie hier:

 

Kommentar: In der ursprünglichen Version des Blogeintrag hatten wir fälschlicherweise angegeben, dass Herr Freese weiterhin Vizevorsitzender der IGBCE ist. Wir bedauern den Fehler und haben den Abschnitt entsprechend korrigiert und ergänzt.

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