Lobbyismus in der EU

Bürgerbeauftragter rügt EU-Kommission: Umgang mit Interessenkonflikten bei Sonderberatern mangelhaft

Die EU-Kommission beschafft sich externen Sachverstand nicht nur durch Expertengruppen, sondern auch durch Sonderberater für einzelne Kommissare. Der Europäische Bürgerbeauftragte hat nun auf eine Beschwerde über den ehemaligen Sonderberater und EU-Abgeordneten Pat Cox hin entschieden, dass die EU-Kommission hier bei der Vorbeugung und Kontrolle von Interessenkonflikten versagt hat. In seiner Entscheidung fordert der Bürgerbeauftragte die […]
von 22. Juli 2011
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Pat Cox war Präsident des Europaparlaments, EU-Sonderberater für Verbraucherschutz und Lobbyist

Die EU-Kommission beschafft sich externen Sachverstand nicht nur durch Expertengruppen, sondern auch durch Sonderberater für einzelne Kommissare. Der Europäische Bürgerbeauftragte hat nun auf eine Beschwerde über den ehemaligen Sonderberater und EU-Abgeordneten Pat Cox hin entschieden, dass die EU-Kommission hier bei der Vorbeugung und Kontrolle von Interessenkonflikten versagt hat. In seiner Entscheidung fordert der Bürgerbeauftragte die Kommission auf, bestehende Regelungen zur Offenlegung von speziellen Interessen besser anzuwenden. Darüber hinaus fordert er bessere Vorkehrungen, um Interessenkonflikte bereits vor der Ernennung zum Sonderberater auszuschließen.

Der Ire Pat Cox war von 1989 bis 2004 Abgeordneter im EU-Parlament, die letzten zwei Jahre davon als Parlamentspräsident. Im Jahr 2007 wurde er als Sonderberater für die damalige Verbraucherschutzkommissarin Meglena Kuneva berufen. Diese Berufung wurde 2008 und 2009 wiederholt. Grund der Beschwerde durch unsere Partnerorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) war, dass Cox – neben seiner Tätigkeit als Sonderberater – im Aufsichtsrat mehrerer transnationaler Unternehmen mit spezifischem Interesse an der Arbeit der EU-Kommission im Bereich Verbraucherschutz saß: Microsoft, Pfizer und Michelin. Darüber hinaus war Cox selbst als Lobbyist tätig. Er arbeitete als Seniorberater für die global operierende PR- und Lobbyagentur APCO und verfügte gar über seine eigene Lobbyagentur EIS (European Integrations Solutions).

Auf einer speziellen Internetseite der EU-Kommission müssen alle Sonderberater seit 2007 ihren Lebenslauf  sowie eine unterschriebene „Ehrenwörtliche Erklärung über das Nichtvorliegen eines Interessenkonflikts“ veröffentlichen – auch das erst auf Druck von CEO und uns. Der Lebenslauf enthält dabei jedoch nur unvollständige Angaben über aktuelle Tätigkeiten und Positionen. Eben dies war auch bei Cox der Fall. Weder Microsoft noch Pfizer noch eine seiner anderen potentiell Interessenkonflikte beinhaltenden Tätigkeiten tauchten dort auf. Diesen Mangel an Transparenz kritisiert nun auch der Ombudsmann:

„Ich schließe meine Untersuchung mit folgenden kritischen Anmerkungen:

1) Im Jahr 2007 versäumte die Kommission es, eine Erklärung über das Nichtvorliegen von Interessenkonflikten einzuholen, bevor Mr. Cox als Sonderberater nominiert wurde.

2) Im Jahr 2009 versäumte die Kommission es von Mr. Cox die ehrenwörtliche Erklärung sowie die Erklärung über sonstige Aktivitäten einzuholen bevor eine Zuverlässigkeitserklärung ausgestellt wurde.

3) In den Jahren 2007, 2008 und 2009 hat die Kommission die Frage von potentiellen Interessenkonflikten bei der Ernennung von Mr. Cox als Sonderberater für Kommissarin Kuneva nicht ausreichend untersucht.“ (S. 1, eigene Übersetzung) Die vollständige Entscheidung des Bürgerbeauftragten findet sich hier (pdf, engl.).

Die EU-Kommission hat nun bis Ende Januar 2012 Zeit, dem Bürgerbeauftragten zu antworten. Wir fordern die EU-Kommission auf, die kritischen Anmerkungen ernst zu nehmen und weitere Schritte zu unternehmen, für mehr Transparenz und bessere Prüfmechanismen bei der Ernennung von Sonderberatern zu sorgen. Grundsätzlich fehlt, wie auch der Ombudsmann feststellt, eine europäische rechtliche Definition von „Interessenkonflikt“. Um Interessenkonflikte vorzubeugen und um sinnvoll prüfen zu können, ob solche Konflikte vorliegen, erscheint es mehr als angebracht, eine solche Definition zu entwickeln. Orientierungshilfe könnte die EU dabei von der OECD bekommen. Die OECD hat bereits vor Jahren Richtlinien für den Umgang mit Interessenkonflikten im öffentlichen Dienst herausgegeben. Die Europäische Union täte nicht schlecht daran, sich hieran zu orientieren.

Weitere Hintergründe zur Debatte über die Sonderberater der EU finden Sie auch in Kapitel 9 unserer Publikation Bursting the Brussels Bubble.

Bild: rfi_english, CC BY-NC-ND 2.0

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