Lobbyismus in der EU

Petra Erler darf Lobbyagentur betreiben

Die ehemalige Kabinettschefin von Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen, Petra Erler, darf die von beiden gemeinsam gegründete Beratungsagentur „The European Experience Company“ weiter betreiben. Das gab die Kommission am vergangenen Freitag bekannt. Bis Mitte 2011, so die Bedingung, darf sie dabei keinen beruflichen Kontakt zu Kommissionsabteilungen aufnehmen, die früher Verheugen unterstanden, sowie nicht für Unternehmen tätig werden, […]
von 25. Januar 2011

Die ehemalige Kabinettschefin von Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen, Petra Erler, darf die von beiden gemeinsam gegründete Beratungsagentur „The European Experience Company“ weiter betreiben. Das gab die Kommission am vergangenen Freitag bekannt. Bis Mitte 2011, so die Bedingung, darf sie dabei keinen beruflichen Kontakt zu Kommissionsabteilungen aufnehmen, die früher Verheugen unterstanden, sowie nicht für Unternehmen tätig werden, die Gegenstand von Entscheidungen Verheugens waren. Danach, heißt das im Klartext, darf die im Früjahr 2010 ausgeschiedene Petra Erler für jedes Unternehmen Türöffnerin bei der gesamten Europäischen Kommission spielen, auch bei ihren ehemaligen Untergebenen. Die EU-Kommission will keinen Interessenkonflikt darin sehen, dass die ehemalige Kabinettschefin ihre früheren Kontakte und Insiderkenntnisse zukünftig für Lobbyarbeit nutzen kann.

Erst vergangene Woche berichteten wir über den von der Kommission vorgelegten Entwurf für einen neuen Verhaltenskodex für Kommissare. Der Fall Petra Erler ist ein erster praktischer Beweis für unsere daraus gezogenen Erkenntnisse: Kommissionpräsident Barroso sieht nicht den geringsten Anlass, seine bisherige Laissez-faire-Strategie im Umgang mit den Seitenwechseln ehemaliger EU-Kommissarinnen und Kommissare sowie hohe EU-Beamte zu ändern. Sie dürfen sich und ihre Kontakte nach dem Ausscheiden aus dem Amt weiter an gutbezahlende Unternehmen und Lobbygruppen verhökern. Dass diese neuen Auftraggeber dadurch strategische Vorteile für ihre politische Einflussnahme gewinnen und so die Interessen der EU-Bürger mit Füßen getreten werden, scheint Barroso wenig zu interessieren.

Bereits im Oktober 2010 hatte die Brüsseler Behörde in einem Brief an Petra Erler geschrieben, „Die Kommission erlaubt Ihre Tätigkeit gerne“. Obwohl wir mit unserem europäischen Netzwerk ALTER-EU bereits im Herbst die Kommission aufgefordert haben, Verheugen und Erler das Betreiben der „European Experience Company“ zu untersagen, und im Dezember ein weiteres Mal nach dem Stand der Entscheidungen gefragt haben, erfuhren wir erst jetzt von der Entscheidung.

Petra Erler erklärt in der Presse, ihr Unternehmen betreibe kein Lobbyarbeit. Auf der Homepage bietet die Agentur allerdings  „kreative Lösungen sowie die richtige Strategie für Ihren Erfolg im Umgang mit europäischen Institutionen“. Man setzt auf auf „Dialog, die richtige Strategie und auf das Argument, das überzeugt“. Günter Verheugen und seine Lebensgefährtin Petra Erler bieten Intensivkurse und Briefings, Hintergrundanalysen und Strategieempfehlungen. In den Augen von LobbyControl fallen derartige Beratungsleistungen klar in die Definition von Lobbying des Europäischen Transparenzregisters.

Noch nicht entschieden bzw. noch nicht bekannt gegeben ist, ob auch Günter Verheugen die Agentur weiter betreiben darf. Wir setzen nun alles daran, auf das Parlament hinzuwirken. Zumindest die Fraktionsvorsitzenden und Parlamentspräsiden Jerzy Buzek werden den neuen Verhaltenskodex für Kommissarinnen und Kommissare noch beraten. Sie können immer noch eine dreijährige Abkühlphase für Ex-Kommissare und weitere Verschärfungen des laschen Kodex beschließen.

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