Nebeneinkünfte

Bild, die Nebeneinkünfte und der Unsinn

In den letzten Tagen berichteten diverse Medien – ausgehend von der Bild-Zeitung -, dass Bundestagsabgeordnete jährlich Nebeneinkünfte von durchschnittlich 8705 Euro hätten. Aber diese angeblichen Durchschnittswerte sind spekulativ – und letztlich Unsinn. Wie kommen die Zahlen zustande? Diese Zahlen stammen von Ökonomen und wurden u.a. für eine Studie des wirtschaftsliberalen Instituts zur Zukunft der Arbeit […]
von 15. Januar 2009

In den letzten Tagen berichteten diverse Medien – ausgehend von der Bild-Zeitung -, dass Bundestagsabgeordnete jährlich Nebeneinkünfte von durchschnittlich 8705 Euro hätten. Aber diese angeblichen Durchschnittswerte sind spekulativ – und letztlich Unsinn.

Wie kommen die Zahlen zustande?
Diese Zahlen stammen von Ökonomen und wurden u.a. für eine Studie des wirtschaftsliberalen Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) genutzt (pdf). Sie beruhen auf den veröffentlichungspflichtigen Angaben der Bundestagsabgeordneten zu ihren Nebeneinkünften. Diese Angaben lassen es jedoch gar nicht zu, Durchschnittswerte zu ermitteln oder auch nur abzuschätzen. Denn die Abgeordneten müssen ihre Nebeneinkünfte nur in drei groben Stufen angegeben: 1.000 € bis 3.500 € (Stufe 1), 3.500 € bis 7.000 € (Stufe 2) oder mehr als 7.000 € (Stufe 3). Die Stufe 3 ist nach oben offen, die Einkünfte können also theoretisch 7.001 € oder auch 100.000 € hoch sein.

Die Studie wendet deshalb einen Kunstgriff an: sie nimmt einfach an, dass Einkünfte der Stufe 3 maximal 12.000 Euro betragen und im Durchschnitt 9.500 Euro hoch sind (der Mittelwert zwischen 7.000 und 12.000). Das ist eine rein willkürliche Setzung – ein Trick der Wirtschaftswissenschaftler, damit sie Zahlen bekommen, mit denen sie rechnen können.

Die Zahlen machen keinen Sinn
Mit der Realität hat das nichts zu tun. Es gibt für diesen Wert von 9.500 Euro keine sachliche Begründung. Die Einnahmen der Stufe 3 könn(t)en um ein Vielfaches höher sein. So war in Medienberichten beispielsweise die Rede davon, dass Otto Schily (SPD) als Berater von Siemens 140.000 Euro erhalten habe.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Autoren der Studie gar nicht in der Lage sein können, genaue Durchschnittswerte zu berechnen. Das wollten sie auch gar nicht, wie sie und das IZA auf Anfrage selbst klarstellen. Die Studie untersucht einen möglichen Zusammenhang zwischen der Höhe der Nebeneinkünfte und der Intensität des Wahl-Wettbewerbs in einzelnen Wahlkreisen. Die Durchschnittswerte sind nur eine Krücke für die Berechnungen und außerhalb der Studie ohne Bedeutung.

Die falsche Debatte
Dies hinderte die Presseagentur dpa nicht, die Zahlen zu verbreiten, auch Focus berichtete. Sie alle übernahmen diese aus dem Bild-Artikel. Dabei wäre dies ein guter Anlass gewesen, zu thematisieren, dass Aussagen über die Höhe der Nebeneinkünfte von Abgeordneten nicht möglich sind. Eine Folge der ungenügenden und lückenhaften Transparenzregelungen des Bundestages. Stattdessen werden pseudo-genaue Zahlenwerte präsentiert, die an der eigentlichen Problematik der Nebeneinkünfte vorbeigehen. Es wäre dringend nötig, die Stufenregelung zu verfeinern und Schlupflöcher, insbesondere für Anwälte, zu schließen.

Die Moral von der Geschicht: von Bild abschreiben lohnt sich nicht. Und: Verwende keine Studien, die Durchschnittswerte, Rankings o.ä. ausrechnen, ohne die Datenbasis und Methodik zu prüfen.

PS: Es ließe sich noch einiges über die Studie und die Übertragung von ökonomischen Anreiz-Modellen auf die Politik sagen. Aber das lassen wir mal beseite, weil es das Thema dieses Blogbeitrags sprengen würde.

Teilen

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert. Neue Kommentare erscheinen erst nach Freigabe auf der Webseite.

Interesse an mehr Lobbynews?

Newsletter abonnieren!