Was ist passiert?
Der Lobbyverband hatte zunächst einen AfD-Vertreter zu einer Lobbyveranstaltung eingeladen – und dann angekündigt, auch in Zukunft mit der AfD in den Austausch zu gehen. Man teile die Positionen der Partei zwar nicht, doch man wolle sie nun „inhaltlich stellen“, erklärte Verbandschefin Marie-Christine Ostermann. Der Lobbyverband riss damit die Brandmauer gegenüber der extrem rechten Partei ein. Nach Austritten von bekannten Unternehmen wie Rossmann oder Vorwerk und viel Kritik aus der Politik, von Gewerkschaften und aus der Zivilgesellschaft, ruderte der Lobbyverband zurück.
Wenige Tage, nachdem Medien breit über den Fall berichtet hatten, erklärte der Lobbyverband auf seiner Webseite: „Es ist das Gegenteil von dem passiert, was wir wollten. Wir haben Abgeordnete der AfD zum Parlamentarischen Abend eingeladen, damit sie auch von uns hören, dass ihr Programm wirtschaftsfeindlich ist und dem Standort Deutschland schadet. Leider ist öffentlich – auch durch Äußerungen der AfD – der falsche Eindruck entstanden, dass wir die Partei stärken wollten.“ Doch der Schaden bleibt – und das sollte ein Warnsignal für unsere Demokratie sein.
Wer sind „Die Familienunternehmer“?
Auch wenn der Name anderes vermuten lässt, vertritt der Lobbyverband nur einen vergleichsweise geringen Teil der Wirtschaft. Er steht für rund 6.500 Familienunternehmen, deren Mitgliedschaft jedoch nicht öffentlich ist. Es gibt nur vereinzelte Hinweise, wen der Lobbyverband vertritt. Dazu gehören auch einige der größten Unternehmen Deutschlands.
Der Lobbyverband, der sich gern als Stimme des Mittelstands ausgibt, steht für eine wirtschaftsliberale, marktorientierte Ordnung und vertritt insbesondere die Interessen von Überreichen. Das ist kein Zufall, denn in Deutschland konzentriert sich Vermögen vor allem bei großen Familienunternehmen und ihren Erb*innen. Diese zahlen dank umfangreicher Steuerschlupflöcher weniger Steuern als Menschen, die weniger erben.
„Die Familienunternehmer“ lobbyieren unter anderem vehement gegen die Besteuerung von übergroßem Reichtum. Der Lobbyverband wettert immer wieder gegen eine Vermögensteuer, drängt auf Ausnahmen für Firmenerben bei der Erbschaftsteuer und fordert Steuersenkungen für Spitzeneinkommen.
Lobbyismus-Lexikon
Mehr über den Lobbyverband „Die Familienunternehmer“ und über viele andere Lobbyakteure steht in unserer Lobbypedia.
Warum ist die Wirtschaftslobby hier relevant?
Unternehmen und ihre Lobbyverbände sind wichtige Ansprechpartner für die Politik. Sie nehmen Einfluss und gestalten unsere Demokratie mit. Damit tragen sie auch eine Verantwortung für demokratische Prinzipien. Die „Familienunternehmer“ machen mit ihrem Schritt jedoch antidemokratische Positionen salonfähig.
Einige Unternehmer*innen, u.a. der Investor Frank Thelen, unterstützten die Entscheidung des Verbands, weil die AfD in Umfragen so hohe Zustimmung habe und man den Dialog suchen müsse. Doch wahrscheinlicher erscheint, dass der Unternehmensverband sich mit dem Blick auf anstehende Landtagswahlen und veränderte Mehrheiten und Machtverhältnisse der AfD anbiedern möchte.
Eine Motivation für die Annäherung an die AfD könnte sein, durch mögliche neue Mehrheiten mit der CDU eine wirtschaftspolitische Ausrichtung an Konzerninteressen und Einschnitten bei der Sozialpolitik durchzusetzen. Angesichts neuer Machtoptionen hängt man hier offenbar bereits sein Fähnchen in den Wind.
Kurswechsel: Öffnung gegenüber der AfD
Dafür spricht, dass Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann noch in einem anderen Gremium sitzt: Sie ist Mitglied des Beirats des rechtskonservativen Think Tanks Republik 21, in dem auch rechtskonservative CDU-nahe Akteure organisiert sind. Mitgründerin ist etwa die Ex-CDU-Bundesministerin Kristina Schröder. Republik 21 beschreibt sich selbst als Denkfabrik für „neue bürgerliche Politik“. Aus diesem Kreis gibt es starke Stimmen für eine Annäherung zwischen Union und AfD und ein Aufweichen der Brandmauer. Trotzdem erhält Republik 21 Fördermittel der Bundesregierung, ab 2026 sogar in Höhe von 2 Millionen Euro.
EU: CDU hat Brandmauer in Brüssel eingerissen
Wie real solche neuen Mehrheiten bereits jetzt sind, zeigt ein Blick nach Brüssel: Im November stimmten im Europaparlament die konservative EVP-Fraktion, zu der auch CDU und CSU gehören, gemeinsam mit den extrem rechten Fraktionen für eine Abschwächung des Lieferkettengesetzes. Mit einer kalkulierten Mehrheit mit der extremen Rechten wurde der Schutz von Menschenrechten, Umwelt- und Verbraucherschutz zugunsten von Unternehmensinteressen zusammengekürzt.
Dass Mehrheiten mit antidemokratischen Parteien gesucht werden, statt mit demokratischen Parteien einen Konsens zu finden, ist eine gefährliche Entwicklung. Demokratische Werte dürfen nicht für kurzfristige Gewinninteressen geopfert werden.
Teils deckungsgleiche Positionen
Auch wenn Ostermann betont, dass sie die Positionen der AfD nicht teilt: Bei vielen Themen decken sich Positionen der „Familienunternehmer“ und der AfD: Sozialstaat abbauen und Steuern für die Reichsten senken. Doch eine solche Ausrichtung wird die Macht der Konzerne stärken und soziale Ungleichheiten weiter verschärfen. Das wird wiederum populistischen Kräften wie der AfD weiteren Zulauf bringen.
Es ist ein äußerst bedrohliches Szenario, wenn sich antidemokratische Kräfte dem großen Geld annähern. In welche Richtung das führen kann, lässt sich in den USA gerade beobachten: Hier sind es die Tech-Milliardäre, die mit ihrem übergroßen Reichtum die autoritäre Trump-Politik stützen.
Die Annäherung eines Lobbyverbands des großen Geldes, wie „Die Familienunternehmer“ an die AfD, zeigt einmal mehr: Es ist wichtig, unsere Demokratie gegen den Einfluss von Überreichen und Konzernen zu schützen. Deswegen fordern wir einen Parteispendendeckel, um zumindest die Möglichkeiten einzuschränken, um antidemokratischen Parteien hohe Summen zukommen zu lassen.
Klares Bekenntnis zur Demokratie ist nötig
Wir brauchen – quer durch die Gesellschaft – ein klares Bekenntnis für demokratische Werte und gegen Rechtsextremismus. Das gilt für staatliche und zivilgesellschaftliche Kräfte genauso wie für Unternehmen und deren Verbände. Es ist gut, dass sich auch viele Unternehmen den Aussagen des Lobbyverbands “Die Familienunternehmer“ klar entgegenstellt und Haltung gezeigt haben. Die öffentlichen Austritte von Rossmann und Vorwerk waren starke Signale.
Um die Demokratie zu stärken, müssen wir aber nicht nur klare Haltung gegen die extreme Rechte zeigen, sondern auch die Vermögenskonzentration bei den reichsten Familienunternehmen verhindern. Besteuerung von Reichtum ist nötig, um die enorme Ungleichheit mit ihren fatalen Folgen für die Demokratie endlich wirksam zu verringern.
Bleiben Sie informiert über Lobbyismus.
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter.
Datenschutzhinweis: Wir verarbeiten Ihre Daten auf der Grundlage der EU-Datenschutz-Grundverordnung (Art. 6 Abs. 1). Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Zur Datenschutzerklärung.





