Parteienfinanzierung

Wie aus Millionenspenden an Parteien olle Kamelle für Bürger werden

Wieder wurden die Rechenschaftsberichte der Parteien mit Rekordverspätung veröffentlicht – und wieder geben sie nur höchst unzureichend Aufschluss über die Herkunft der Spenden- und Sponsormillionen. Im Sinne des Grundgesetzes ist dieser Schlendrian nicht.
von 20. Juni 2017

Erst am 15. Juni 2017 veröffentlichte die Bundestagsverwaltung die Rechenschaftsberichte der Bundestagsparteien für das Jahr 2015. Das ist ein neuer Verspätungsrekord. Und auch jetzt kommen die Zahlenwerke wieder nur sehr unzureichend den Forderungen des Grundgesetzes (Art. 21 Abs. 1) und des Bundesverfassungsgerichts nach, dass die Wähler/innen sich über finanzielle Einflussnahmen auf die Parteien informieren können sollen.

Transparenz: Nur scheibchenweise, nur ausnahmsweise

Nur Großspenden, die in Einzelbeträgen von mehr als 50.000 Euro fließen, werden zeitnah veröffentlicht. Die Folge: Über 90 Prozent aller Großspenden über 10.000 Euro wurden jetzt erst bekannt – zwei Jahre, nachdem das Geld geflossen ist. 70 Prozent der Spenden von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden bleiben auch weiterhin anonym, da sie unterhalb der Veröffentlichungsschwelle von 10.000 Euro pro Spender und Partei blieben. Komplett im Dunkeln bleibt, wieviel die Parteien im Einzelnen an Sponsorengeldern eingenommen haben. Stichproben zeigen, dass Sponsoring inzwischen die Größenordnung von Großspenden erreicht hat und teils um ein Vielfaches übersteigt. Dennoch erscheinen die Sponsor-Millionen nur in verschiedenen anonymen Sammelposten der Rechenschaftsberichte („Einnahmen aus Veranstaltungen und Publikationen“, „Einnahmen aus Unternehmenstätigkeit“, „Einnahmen aus Beteiligungen“). Anders gesagt: Niemand erfährt, welcher Sponsor wieviel und wofür gezahlt hat. Im vergangenen Jahr hatte der Sponsor-Skandal „Rent-a-Sozi“ um käuflichen Zugang zu SPD-Spitzenpolitikern erneut gezeigt, dass das intransparente Sponsoring auch als Deckmantel für Einflussgeschäfte dient, die mit demokratischem Fair Play nicht vereinbar sind.

Wir fordern: Spenden und Sponsorzahlungen sollen ab 10.000 Euro sofort und namentlich veröffentlicht werden, ab 2.000 Euro in den Rechenschaftsberichten. Diese Transparenzpflicht muss auch für Sponsoreinnahmen gelten, die über parteieigene Firmen und assoziierte Vereine fließen. Der Verkauf des Kontakts zum eigenen politischen Personal unter dem Deckmantel des Sponsoring muss ausdrücklich untersagt werden.

Union sahnt ab bei Unternehmen und Wirtschaftsverbänden

Insgesamt nahmen die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien über 41,5 Millionen Euro an Spenden ein. Davon kamen fast 11 Millionen Euro von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden. Fast vier von fünf Spendeneuros aus der Wirtschaft gingen an die Union, die auch bei den Spenden insgesamt mit 25,6 Millionen Euro vorne lag (61%). Die SPD bekam 9,8 Millionen Spenden insgesamt, davon 18 Prozent (1,8 Mio Euro) von Unternehmen und Verbänden. Grüne und Linke liegen mit 4,2 Millionen und 1,9 Millionen Gesamtspenden auf den Plätzen 3 und 4. Zahlen für die derzeit nicht im Bundestag vertretenen Parteien FDP und AfD wurden noch nicht veröffentlicht.

Die 20 Top-Spender der letzten 5 Berichtsjahre

Die  vorläufige 5-Jahres-Liste der Topspender dürfte sich noch etwas verändern, sobald der Bundestag auch die noch fehlenden Zahlen für 2015 herausrückt.  Ihm liegen die Berichte seit Jahresbeginn vor. Nur Grüne und Linke stellten – wie in den Jahren zuvor – ihre Rechenschaftsberichte selbst zu diesem Zeitpunkt online.

In seinem letzten Bericht zur Parteienfinanzierung hatte Bundestagspräsident Lammert angekündigt, eine schnellere Veröffentlichung der Berichte – simple eingescannte Bilddateien – zu „prüfen“. Oho. Mal zum Vergleich: Für die Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte lassen sich britische Parteien und ihre Aufseher nur halb so viel Zeit wie die deutschen. In Großbritannien werden Spenden quartalsweise veröffentlicht, teilweise schon ab 1.500 Pfund; in Wahlkampfzeiten sogar wöchentlich. Und das – man staune – in Form einer leicht recherchierbaren Online-Datenbank. Ob die deutsche Bürokratie es jemals schafft, solches „Neuland“ zu betreten?

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