Nebeneinkünfte

Steinbrücks Vortragsliste zeigt: Transparenzregeln lückenhaft

Peer Steinbrück hat heute detaillierte Informationen über seine Vorträge veröffentlicht. Die von ihm beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat die Vorträge zwischen 2009 und 2012 mit genauer Honorarhöhe, Thema und Auftraggeber aufgelistet und die Offenlegung nach dem Abgeordnetengesetz geprüft. Bis auf zwei Vorträge, die nicht ordnungsgemäß gemeldet wurden, haben sie keine Beanstandungen. Es ist gut, dass die Informationen […]
von 30. Oktober 2012

Peer Steinbrück hat heute detaillierte Informationen über seine Vorträge veröffentlicht. Die von ihm beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat die Vorträge zwischen 2009 und 2012 mit genauer Honorarhöhe, Thema und Auftraggeber aufgelistet und die Offenlegung nach dem Abgeordnetengesetz geprüft. Bis auf zwei Vorträge, die nicht ordnungsgemäß gemeldet wurden, haben sie keine Beanstandungen.

Peer Steinbrück, Pressefoto SPDEs ist gut, dass die Informationen über Auftraggeber und Honorare jetzt auf dem Tisch liegen. Herr Steinbrück hat damit einen wichtigen Schritt für mehr Transparenz gemacht. Wir kritisieren allerdings, dass er zwar alle Vorträge detailliert offenlegt, nicht aber seine anderen Nebentätigkeiten wie publizistische Tätigkeiten.

Zugleich werden anhand der Liste mehrere Probleme mit der bisherigen Handhabung der Nebentätigkeiten von Abgeordneten deutlich, die auch von der durch die Rechtstellungskommission vorgeschlagene Neuregelung bisher nicht erfasst werden:

1) Regeln für Redneragenturen und Anwälte nötig
Der Fall Steinbrück zeigt, wie dringend Regeln für die über Redneragenturen vermittelten Tätigkeiten nötig sind. Um Interessenkonflikte zu erkennen, muss die Öffentlichkeit den genauen Auftraggeber kennen, nicht nur die vermittelnde Agentur. Hier müssen die Regeln dringend nachgebessert werden. Das gleiche gilt auch für Nebentätigkeiten von Anwälten und Unternehmensberatern. Hier sollte angesichts von Verschwiegenheitspflichten zumindest die Branche der einzelnen Kunden offengelegt werden.

2) Neue Stufen sind zu grob
Die vorgeschlagenen neuen Stufen sind weiterhin zu grob. Die meisten von Steinbrücks Vorträgen würden in die Stufe 7.000 bis 15.000 Euro fallen. Mit so einer Angabe blieben in Steinbrücks Fall etwa 50% der Einnahmen im Unklaren, da nicht sichtbar ist, dass der Großteil der Vorträge sich mit 15.000 Euro genau am oberen Rand der Stufe befindet.

3) Wirksame Kontrolle und Sanktionen fehlen
Die Tatsache, dass zwei Vorträge unbemerkt nicht gemeldet wurden und nun scheinbar folgenlos nachgemeldet werden konnten, wirft die Frage nach einer wirksamen Kontrolle und Sanktionen bei den Veröffentlichungspflichten auf. Die Bundestagsverwaltung behandelt bislang fehlerhafte Meldungen als Lappalie und macht von den Sanktionsmöglichkeiten wie Rüge oder Ordnungsgeldern praktisch keinen Gebrauch.

4) Abgeordnetenmandat muss im Mittelpunkt stehen
Die Anzahl der Vorträge und die Höhe der damit erzielten Einkünfte weist darauf hin, dass für Herrn Steinbrück seine Tätigkeit als Abgeordneter offenbar nicht im Mittelpunkt stand, wie es das Abgeordnetengesetz verlangt. Auch wird deutlich, wie viel Geld insbesondere die Finanzbranche bereit ist, für die Kontakte zu einzelnen Fachpolitikern auszugeben.

5) Steinbrücks Potential für Interessenkonflikte
Einzelne Vorträge von Herrn Steinbrück haben ein klares Potential für Interessenkonflikte und werfen die Frage nach besonderen Regeln für ehemalige Regierungsmitglieder auf. Besonders heikel ist der Vortrag bei bei der Anwalzkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, welche zuvor im Jahre 2008 vom Finanzministerium beauftragt wurde, ein Finanzmarktstabilisierungsgesetz und die Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung auszuarbeiten. Ebenfalls als besonders problematisch sticht die Zahlung von über 7000 Euro für den Geschäftsbericht des Baukonzerns Bilfinger Berger im Jahr 2010 hervor, bei dem Steinbrück sich zum Thema Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) äußerte. Hier ist die genaue Summe weiter unbekannt, da diese Nebentätigkeit als publizistische Tätigkeit nicht in der jetzt vorgelegten Liste der Vorträge enthalten ist. Als Mitglied der ÖPP Deutschland AG hatte Bilfinger Berger maßgeblich durch das Einwirken des Bundesfinanzministeriums profitiert. Das Ministerium stand zum damaligen Zeitpunkt unter der Leitung Steinbrücks.

Jetzt ist die Gelegenheit für die Regierungskoalition zu zeigen, ob es ihr mit ihren Rufen nach Transparenz ernst ist. Eine Verschärfung der Regeln ist überfällig. Mit der letzte Woche beschlossenen erweiterten Stufenregelung allein ist es nicht getan. Bis es zu einer neuen Regelung kommt, sollten alle Abgeordneten freiwillig ihre Einkünfte und Auftraggeber detailliert offenlegen.

Mehr Informationen über Peer Steinbrück finden Sie in unserer Lobbypedia.

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6 Kommentare

Jochen31. Oktober 2012 um 13:48

Steinbrück macht es vor und jetzt sollen alle anderen nachziehen. Nun fordert der SPD-Kanzlerkandidat die Transparenz der Nebeneinkünfte aller Politiker, was bestimmt wieder so einige Debatten entfachen wird, aber mit einer Summe von 1,25 Millionen, mit denen der ehemalige Finanzminister in den letzten 3 Jahren für seine Vorträge vergütet worden ist, liegt er mit höchster Wahrscheinlichkeit in den obersten Rängen der Topverdiener im Bundestag.

Quelle: Reuters

Jens Veit Günther13. November 2012 um 11:49

Das sind doch keine Nebentätigkeiten! Damit hat der Mann sein Geld verdient! Nichts gegen viel Geld verdienen. Aber wo kann jemand da unabhängig bleiben? Wenn Steinbrück trotzdem nächstes Jahr Bundeskanzler werden sollte, ist den Deutschen wirklich nicht zu helfen. Allein an diesen „Nebentätigkeiten“ sieht man doch, daß es sich bei wesentlichen Politikern um Marionetten in einem schäbigen Puppentheater handelt, welche durch die Bilderberger in die nötigen Positionen gehievt werden.

Annemarie Laatz13. November 2012 um 21:10

Ich finde das ganze „Theater“, das jetzt um die Offenlegung der
Vorträge/Honorare von Peer Steinbrück veranstaltet wird, schon recht
„makaber“. Da macht „Einer“ seine Nebentätigkeiten öffentlich, was immer gefordert wurde, – schon werden die Angaben in der Presse, ja selbst Fernsehmagazin (MDR),im Detail kritisiert. Nichts gegen Hinterfragung,damit muß auch der Kandidat rechnen, aber….. wo bleibt
die Kritik an denen, die die Offenlegung der Nebentätigkeit von ihm
gefordert haben, selbst aber seit J a h r e n jede konkrete Offenlegung blockiern und es auch weiterhin tun!!!.Sie haben jedenfalls ihr Ziel erreicht, und den Medien scheint es ja auch zu genügen.. da hört man keine Kritik!!! schon garkeine massive Forderung
Auch, daß Abgeordnete nach Ihrer Bundestagstätigkeit nahtlos in lukrative Wirtschaftsposten wechseln, wird anscheinend von den Medien, bis auf wenige Ausnahmen, auch als selbstverständlich hingenommen.
„Geld regiert die Welt“, auch leider Viele in unserer Politik,
die käuflich sind, so jedenfalls stellt es sich dem Wähler dar.

„Nirgendwo in Europa ist die Schere zwischen „Arm und Reich“ größer
als in der Bundesrepublick“ – so Precht in seiner Diskussion über
„was ist Gerechtigkeit“ das sollte die Politik und auch die Öffentlichkeit einmal hinterfragen.

Lea19. November 2012 um 23:51

@Annemarie: Ich ziehe Deine zwei Argumente einfach zusammen (und LobbyControl tut das auch): Man muss die wenigen Informationen, die auf öffentlichen Druck (das hat Peer Steinbrück ja eben nicht freiweillig getan!) offen gelegt werden, genau unter die Lupe nehmen (und das hat bei einem Kanzlerkandidaten allemal seine Berechtigung!) UND Druck ausüben, dass ALLE ihre Nebeneinkünfte offen legen MÜSSEN. Das schließt sich doch gegenseitig nicht aus.

Lea20. November 2012 um 0:10

Ich will aber nochmal auf den Kern des Problems, aus meiner Sicht, hinaus: Viele PolitikerInnen sind so weit von der Realität der in Prekarität lebenden Menschen entfernt, dass sie diese nicht annähernd würdig vertreten können. Und leider wächst die Gruppe derjenigen, die in Armut oder in ökonomisch schlechten Bedingungen leben. Ich auf jeden Fall wünsche mir Politiker, die ihre Freizeit nicht mit noch-mehr-Geld-scheffeln verbringen, sondern sich über die Menschen informieren, mit denen sie in ihrem Reichen-Umfeld garantiert nicht mehr in Kontakt kommen. In vielen Lädern ist das doch das Problem: Eine Koalition aus den Besser- bis Astronomisch-Verdienenden und den Eliten aus Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien halten sich gegenseitig an der Macht und einander der Rücken frei. Denn sie haben eins gemeinsam: Ihnen und ihren Familien geht es gut, so wie es ist; es muss sich nichts ändern. Ihr einziges Problem: Das demokratische Wahlrecht: Wenn wirklich jedeR eine Stimme hat (one man, one vote) und die Zahl der Prekären ist größer als die der Eliten und es gibt echte wählbare Alternativen… dann, ja dann… gäbe es eine ganz andere Politik! Und so etwas werden Leute wie Steinbrück verhindern. Nicht einmal aus böser Absicht, sondern einfach aus Eigennutz, den man nicht moralisch verdammen muss, sondern dem man gesetzlich wenigstens einen Riegel vorzuschieben versuchen muss.

Und für alle, die noch daran gezweifelt haben, dass die Realos der Grünen Partei genau in dem gleichen Boot sitzen, hier dieser Kommentar von Winfried Kretschmann zu Steinbrück, das mich sehr wütend gemacht hat:

„Mehr wie Selbstkritik kann man von einem nicht verlangen. Ich möchte einfach vor diesem Herummoralisieren warnen. Es führt zu nichts Gutem. Also nehmen Sie mal ein Beispiel: Der Präsident Bush war ein wiedererweckter Christ. Der Präsident Clinton hatte ein Verhältnis mit einer Praktikantin. Über deren Außenpolitik und ihre Qualität sagt das überhaupt gar nichts aus. Wenn wir immer zu viel Herummoralisieren, statt zu fragen, was wollen die Leute, sind sie durchsetzungsfähig, um das zu machen, das endet nie gut. In der Politik kommt es auf gute Ergebnisse an, und gut gemeint ist noch lange nicht gut. Und deswegen ist mein Vorschlag: Liebe Wählerinnen und liebe Wähler, guckt euch an, was wollen die führenden Politiker, was ist ihr Programm? Sind sie in der Lage, das auch glaubwürdig umzusetzen?“

Das geht so an der Wahrheit vorbei! An dieser Passage ist so viel falsches, dass es förmlich überquillt. Die schiefen Vergleiche zu den zwei zur US-Präsidenten mal beiseitige gelassen, es geht hier nicht um Moral, sondern darum, dass die WählerInnen entscheiden können, wer ihre Interessen am besten vertritt! Und da sehe ich einen Unterschied zwischen einer privaten Affäre und einem sich-ans-Kapital-Anwanzen – letzteres ist für die Demokratie schädlicher! Ja, das wünscht sich Herr Kretschmann vielleicht, dass Politiker nach ihren Wahlprogrammen beurteilt werden! Aber wie wäre es denn mit ihrer bisherigen politischen Praxis?!

Lea20. November 2012 um 0:39

nachgereicht: Quelle zu dem Kretschmann Zitat: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/idw_dlf/1925257/

(ca. Minute 24)