Lobbyismus in der EU

Kommission gelobt Besserung bei Expertengruppen

Das EU-Parlament hat gestern eine Haushaltssperre aufgehoben, die es im Oktober 2011 über Teile des Budgets für die Expertengruppen der EU-Kommission verhängt hatte. Kommission und Parlament einigten sich darauf, im Rahmen eines „informellen Dialogs“ neue Richtlinien für die Expertengruppen festzulegen, um eine einseitige Beeinflussung der EU-Kommission durch Wirtschaftsvertreter einzudämmen. Ein Erfolg, denn die Kommission muss […]
von 24. September 2012

Das EU-Parlament hat gestern eine Haushaltssperre aufgehoben, die es im Oktober 2011 über Teile des Budgets für die Expertengruppen der EU-Kommission verhängt hatte. Kommission und Parlament einigten sich darauf, im Rahmen eines „informellen Dialogs“ neue Richtlinien für die Expertengruppen festzulegen, um eine einseitige Beeinflussung der EU-Kommission durch Wirtschaftsvertreter einzudämmen. Ein Erfolg, denn die Kommission muss sich nun bewegen.  Dennoch bleiben Zweifel, ob das Parlament nicht voreilig dem Drängen der Kommission nachgibt.

Das Parlament hatte im Oktober 2011 Teile des Budgets für die Expertengruppen gesperrt, nachdem es mehrfach versucht hatte, die Kommission zu einer ausgewogenen Besetzung der Expertengruppen zu bewegen. Expertengruppen beraten die Kommission und spielen eine zentrale Rolle bei der europäischen Politikformulierung und der Vorbereitung von Gesetzgebungsinitiativen.  Wer in welcher Gruppe sitzt, bestimmt allein das zuständige Kommissionsmitglied.

Ein am Montag erschienener Kurzfilm unserer Partnerorgansiation Corporate Europe Observatory zeigt die Probleme, die dabei entstehen können:

Kurz gesagt: zahlreiche Expertengruppen werden von Vertretern großer Unternehmen dominiert. Trotz Fortschritten mangelt es immer noch an Transparenz. Unternehmensvertreter sitzen oft als „neutrale Experten“ in den Gruppen und beraten teilweise über Gesetze und Gelder, von denen ihre Unternehmen direkt betroffen sind – ein unhaltbarer Zustand. Die unausgewogene Besetzung vieler Expertengruppen und welche Folgen das haben kann, wird auch in einer aktuellen ALTER-EU-Studie zu den Expertengruppen der Generaldirektion Unternehmen & Industrie deutlich.

Kommission zeigt sich bereit für Veränderungen

Die Kommission hat inzwischen einiges unternommen, damit das Parlament die teilweise Sperrung der Gelder wieder aufhebt: Im Bereich Finanzmärkte wurden bereits seit November 2010 zahlreiche einseitig besetzte Expertengruppen aufgelöst. Das hat allerdings nicht nur mit der Budgetsperre zu tun, sondern ist auch ein Erfolg unserer Arbeit: Im Jahr 2009 brachten wir gemeinsam mit unserem Netzwerk ALTER-EU eine Studie heraus. Diese Studie legte offen, dass im Bereich Finanzmärkte 9 von 18 Expertengruppen von Lobbyisten der Finanzindustrie dominiert wurden. Und damit von den gleichen Lobbyisten, die durch ihre Lobbyarbeit für Deregulierung entscheidend zur Krise beigetragen hatten.

Gestern haben Europäische Kommission und Haushaltsausschuss nun verabredet, im Rahmen eines „informellen Dialogs“ neue Richtlinien zu erarbeiten, die die größten Sorgen der Abgeordneten bei den Expertengruppen in Angriff nehmen sollen:

  • die Unterrepräsentation der Zivilgesellschaft im Vergleich zu Großunternehmen
  • das Problem der nach wie vor unzureichenden Informationen über die Expertengruppen im bisherigen Online-Register
  • faire Vergütung für Experten mit beschränkten Ressourcen, einschließlich der Vergütung von Vorbereitungszeiten
  • Experten mit einem klaren Interesse im Bereich, den eine Expertengruppe behandelt, sollen nicht länger als unabhängige Experten auftreten können – lediglich als Interessenvertreter des Akteurs, der sie entsendet.

Konkrete Regeländerungen stehen noch aus

Es ist ein Erfolg, dass die Kommission mit den Abgeordneten zu einem „informellen Dialog“ zusammenkommen will. Lange hat sie sich geweigert, im Bereich der Expertengruppen überhaupt irgendetwas zu verändern.  Dieser Erfolg geht auch  auf unser Engagement für transparentere und ausgewogene Expertengruppen zurück. Ohne unsere Recherche- und Kampagnenarbeit hätte es wohl keine Sperrung des Budgets gegeben.

Das offizielle Regelwerk zum Umgang mit Expertengruppen hat die Kommission jedoch noch nicht geändert – eigentlich war das eine Bedingung des Parlaments, um das Budget freizugeben. Dass das Parlament sich nun mit einem „informellen Dialog“ zufrieden gibt, ist problematisch. Jedoch hat das Parlament durch seine Budget-Intervention gezeigt, wie über den EU-Haushalt Druck auf die Kommission ausgeübt werden kann. Sollte es am Ende des Dialogs nicht zu einer umfassenden Änderung der Regeln für Expertengruppen kommen, könnte das Parlament erneut einen Teil des Expertengruppen-Budgets einfrieren.

Wir werden die weiteren Verhandlungen zwischen Parlament und Kommission in den kommenden Monaten genau beobachten und uns für klare Regelungen für transparente und ausgewogen besetzte Expertengruppen einsetzen.

 

Bild: ALTER-EU

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