Lobbyismus in der EU

Europäische Energiepolitik von der Industrie dominiert

Energiepolitik ist ein brennendes Thema, in der EU ebenso wie in Deutschland. Während Bundeskanzlerin Merkel hier im April zum Energiegipfel einlud, richtete die Europäische Kommission Ende Februar gleich eine neue Kommission ein, die High Level Group on Competitiveness, Energy and the Environment. Sie soll in den nächsten zwei Jahren u.a. Konzepte für das Funktionieren der […]
von 28. April 2006

Energiepolitik ist ein brennendes Thema, in der EU ebenso wie in Deutschland. Während Bundeskanzlerin Merkel hier im April zum Energiegipfel einlud, richtete die Europäische Kommission Ende Februar gleich eine neue Kommission ein, die High Level Group on Competitiveness, Energy and the Environment. Sie soll in den nächsten zwei Jahren u.a. Konzepte für das Funktionieren der Energiemärkte, zum Klimawandel und Emissionshandel und zum Better Regulation-Ansatz in der Energiepolitik (sprich Bürokratieabbau und Deregulierung) entwickeln. Die umstrittene Kommission wird von wirtschaftlichen Interessen dominiert, besonders der energieintensiven Wirtschaft.

Verzerrte Zusammensetzung
Neben vier Mitgliedern der EU-Kommission, vier nationalen Wirtschafts- und Handelministern und vier Europaparlamentariern gibt es 18 externe Mitglieder. Zwölf davon kommen aus der Wirtschaft (inklusive eines Vertreters der Lobbygruppe World Business Council on Sustainable Development, der von der EU-Kommission als NGO-Vertreter gezählt wird…). Dazu kommen zwei Vertreter von Regulierungsbehörden, je ein Vertreter von Verbrauchern und Gewerkschaften und zwei Vertreter von Umweltverbänden (WWF-USA und das Europäische Umweltbüro EEB). Ursprünglich war nur James Leap, WWF-Generaldirektor aus den USA, vorgesehen – also gar keine Anbindung an die europäische Umweltszene. Erst auf Druck der Umweltverbände wurde ein EEB-Vertreter nachnominiert.

Auch innerhalb der Wirtschaft ist die Zusammensetzung einseitig: energieintensive Industrien wie Zement, Aluminium, Stahl, Papier und Chemie sind stark vertreten. Dagegen fehlen Vertreter aus dem Sektor regenerative Energien oder die neuen Konkurrenten der traditionellen Energieversorger völlig. Die Beschreibung der Mitglieder der High Level Group weist die erneuerbaren Energien einem Vertreter von bp zu. bp mag sich zwar inzwischen „beyond petroleum“ nennen, aber das Kerngeschäft sind eindeutig immer noch fossile Rohstoffe. Die Seite der Energieversorger wird durch den spanischen, ehemals staatlichen Energiekonzern Endesa und den französische Nuklearkonzern Areva vertreten. Wie diese Kommission ohne Beteiligung der Wettbewerber sinnvoll das Funktionieren der Energiemärkte analysieren soll, erscheint schleierhaft.

Streit mit dem Europaparlament
Die High Level Group hat zu heftigem Streit zwischen der EU-Kommission und dem Europaparlament geführt. Die EP-Fraktionen boykottieren die Kommission bislang und entsandten niemanden zu den ersten Treffen – aus unterschiedlichen Gründen: die Grünen kritisieren das Übergewicht der großen Energiekonzerne und industriellen Energienutzer und die fehlende Vertretung erneuerbarer Energien. Sie haben die Kontroverse um die Kommission im Europaparlament vorangetrieben. Konservative und Sozialdemokraten begründen ihre Ablehnung stärker mit möglichen Rollenkonflikten der zukünftigen Mitglieder der High Level Group. Einerseits sollen sie als Einzelpersonen an der Kommission teilnehmen und zugleich sind sie später als Abgeordnete in legislativer Funktion für die Umsetzung oder Korrektur der Konzepte zuständig.

Ein Sprecher von EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) argumentiert dagegen, dass solche Kommissionen ein Fortschritt sind: die Alternative sei der alte Stil von Entscheidungsprozessen hinter verschlossenen Türen (Quelle: European Voice, 20. April 2006, Login erforderlich). Ein merkwürdiges und fantasieloses Argument: als könnte die EU-Kommission keine offenen Konsultationsprozesse organisieren, zu denen verschiedene Interessen gleichen Zugang haben.

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