Lobbyismus in der EU

Bruegel, das Bundesfinanzministerium und Caio Koch-Weser

Noch eine kleine Lobby-Geschichte aus dem „Lobby Planet Brüssel„, die auch mit dem Finanzministerium zu tun hat: das Ministerium ist innerhalb der Bundesregierung für „Bruegel“ zuständig, einer gemeinsamen Denkfabrik von 14 europäischen Regierungen und 20 Großkonzernen in Brüssel. Initiiert wurde Bruegel 2003 von Schröder und Chirac. Aus Deutschland beteiligen sich daran DaimlerChrysler, Deutsche Börse, Deutsche […]
von 6. Juli 2006

Noch eine kleine Lobby-Geschichte aus dem „Lobby Planet Brüssel„, die auch mit dem Finanzministerium zu tun hat: das Ministerium ist innerhalb der Bundesregierung für „Bruegel“ zuständig, einer gemeinsamen Denkfabrik von 14 europäischen Regierungen und 20 Großkonzernen in Brüssel. Initiiert wurde Bruegel 2003 von Schröder und Chirac. Aus Deutschland beteiligen sich daran DaimlerChrysler, Deutsche Börse, Deutsche Post, Deutsche Telekom und Siemens – sowie der deutsch-französische Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS.

Das Institut soll zu einem besseren Verständnis der ökonomischen Herausforderungen und globalen Verantwortung Europas im Kontext der Globalisierung beitragen. Dabei geht es sowohl um „Reformen“ in Europa als auch um eine stärkere Stellung Europas in der internationalen Wirtschaftspolitik.

Als Vertreter des Finanzministeriums saß unter Rot-Grün der Staatssekretär Caio Koch-Weser im Vorstand (Board) von Bruegel – und er sitzt dort immer noch, auch nach seinem Wechsel zur Deutschen Bank. Somit sind in dem zehnköpfigen Gremium jetzt mit der Deutschen Bank und DaimlerChrysler zwei deutsche Großunternehmen vertreten, aber kein Regierungsvertreter mehr. Laut Bruegel-Statuten handeln die Mitglieder des Vorstandes nach ihrer Wahl in rein persönlicher Autorität und sind in ihrer dreijährigen Amtszeit völlig unabhängig. Aber das ist wohl eine Idealisierung. Nach Koch-Wesers Wechsel zur Deutschen Bank dominiert auf jeden Fall die Wirtschaft das Bruegel-Board. Obwohl das Institut selbst behauptet, Regierungen, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu verbinden, finden sich keine Vertreter der Zivilgesellschaft in dem Gremium.

Bruegel behauptet ferner, keiner bestimmten politischen Doktrin zu folgen und nur „evidenz-basierte Politikempfehlungen“ abzugeben. Allerdings hängt die Ausrichtung einer Denkfabrik und seiner Forschung natürlich von bestimmten Grundannahmen und der Themenauswahl ab. Insgesamt ist das Konstrukt einer gemeinsamen Denkfabrik von Regierungen und Großunternehmen aus demokratischer Perspektive brisant. Hier geht es um mehr als die Umsetzung demokratisch beschlossener Maßnahmen in einer „Public-Private Partnership“ – auch das vielfach als Privatisierung von Politik umstritten. Bruegels Aufgabe ist die Beeinflussung der Entscheidungsprozesse selbst – getragen allein durch Regierungen und Großunternehmen.

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