Kurzmeldung

ZDF-Themenschwerpunkt Demographie als Bühne der Lobbyisten

Heute abend läuft der dritte Teil von „2030 – Aufstand der Alten“ im ZDF. Rund um die Dokufiction hat der ZDF letzte Woche einen Themenschwerpunkt zum demographischen Wandel gebaut – mit einer einseitigen Expertenauswahl. So kamen letzte Woche verschiedene „Experten“ zu Wort, die zugleich enge Verbindungen zur Versicherungswirtschaft oder Kampagnen wie der Arbeitgeber-„Initiative Neue Soziale […]
von 23. Januar 2007

Heute abend läuft der dritte Teil von „2030 – Aufstand der Alten“ im ZDF. Rund um die Dokufiction hat der ZDF letzte Woche einen Themenschwerpunkt zum demographischen Wandel gebaut – mit einer einseitigen Expertenauswahl. So kamen letzte Woche verschiedene „Experten“ zu Wort, die zugleich enge Verbindungen zur Versicherungswirtschaft oder Kampagnen wie der Arbeitgeber-„Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) haben. Am Montag war Bernd Raffelhüschen als Studiogast bei WISO geladen, um dort u.a. fachkundige Ratschläge zur Privaten Altersvorsorge zu geben. Raffelhüschen ist Aufsichtsratsmitglied der ERGO-Versicherungsgruppe, tourt als Redner für den Finanzdienstleister MLP durch die Lande und ist Berater der INSM sowie Vorstand der marktliberalen „Stiftung Marktwirtschaft“. Auch seine Forschung wird stark von der Wirtschaft unterstützt (siehe z.B. die Förderer seines Forschungszentrums Generationenverträge). Den Zuschauern wurden diese Verbindungen nicht offengelegt, Raffelhüschen wurde als Finanzwissenschaftler der Uni-Freiburg präsentiert.

Im ersten Teil der Doku-Fiktion „2030 – Aufstand der Alten“ wurde dann der einschlägig bekannte Lobbyist Meinhard Miegel in der Rolle des warnenden Propheten eingeblendet. Miegel ist Berater des Deutschen Instituts für Altersvorsorge, finanziert von der Deutschen Bank-Gruppe. Das Institut wirbt für eine stärkere private Altersvorsorge, ganz im Interesse der Deutschen Bank-Gruppe und ihrer Versicherungssparte. Später am Abend durfte dann mit Thomas Straubhaar ein weiterer Berater der INSM in der auffällig einseitigen Dokumentation „Altenrepublik-Deutschland“ seine Kommentare abgeben. Straubhaars wurde als Vertreter des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) eingeblendet, seine Tätigkeit für die INSM wurde nicht erwähnt.

Bild legt nach
Seit gestern fährt auch die Bild-Zeitung eine Kampagne zum Thema Rente. Als „Schock-Tabelle“ präsentierte sie Berechnungen von Peter Oberender, Gesundheitsökonom aus Bayreuth. Auch Oberender hat in der Vergangenheit eng mit der INSM zusammengearbeitet. Außerdem ist er Seniorpartner der Beratungsfirma „Oberender und Partner – Unternehmungsberatung im Gesundheitswesen“ und berät Akteure im Gesundheitswesen darin, wie sie in einem stärker wettbewerblichen Gesundheitssystem bestehen können.

Allerdings regt sich auch Kritik an Oberenders Berechnungen. Die SZ verweist darauf, dass das interessante an Oberenders Studie ist, dass sie Gewinner und Verlierer des demographischen Wandels in Euro-Beträgen ausweist – aber dass es fraglich ist, ob sich das überhaupt seriös berechnen läßt. Die SZ zitiert verschiedene andere Experten:

„Karin Klopsch von der Deutschen Rentenversicherung Bund sagt nur: ‘Wir können die Berechnungen nicht nachvollziehen.’ Gesundheitsökonom Gert Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hält manches an der Studie ‘für nicht richtig überzeugend’, und der Sozialexperte von Universität Mannheim Axel Börsch-Supan sieht eine ‘logische Inkonsequenz’.“

Gert Wagner verweist darauf, dass für derartige Studien ein Forscher über 30, 40 Jahre festlegen müsse, wie sich Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit oder Zinssätze entwickeln. Dabei können kleine Änderungen große Auswirkungen haben.

Gerade weil diese Studien und Prognosen so stark von Annahmen und willkürlichen Setzungen ausgehen, wäre es erforderlich, dass Medien klar stellen, welchen Hintergrund die von ihnen zitierten Experten haben. Außerdem müssten sie verschieden Positionen zu Wort kommen lassen, da es auch zur demographischen Entwicklung verschiedene Einschätzungen gibt. So kritisiert der Demographie-Forscher Bosbach z.B. das „Horrorszenario“ des ZDF in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau. Er greift in seiner Einschätzung z.B. das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts auf, ein Faktor, der beim ZDF auf der Hintergrundseite zu „2030“ überhaupt nicht thematisiert wird.

Angesichts der Stimmungsmache in ZDF und Bild sei nochmal auf den Monitorbeitrag „BILD und die Rentenangst – harte Interessen, weiche Zahlen“ vom März 2006 verwiesen, der weiter aktuell ist.

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10 Kommentare

stralau23. Januar 2007 um 18:43

Jetzt ist es auch online.

Jayne Ann24. Januar 2007 um 13:29

Einschlägig die Antworten, die auch die dritte Folge der Schauer-Fiction den Zuschauern erteilt hat: die Regierung habe ihre Hausaufgaben in Sachen „Reformen“ nicht gemacht, der Bürger nicht in Sachen privater Vorsorge. Die sozialen Sicherungssysteme funktionierten schon heute nicht mehr … Im Abspann war die unverhohlene Drohung zu lesen, daß es bald so wie in der Fiction aussehen könnte, wenn …
Der mdr-figaro fand heute morgen in einem Beitrag auch nur lobende Worte für diese „neue Format“.
Interessant wäre, zu erkunden, ob neben den einschlägigen Experten aus dem Umfeld der INSM die Doku-Fiction vielleicht gar Financiers oder Sponsoren aus diesen illustren Kreisen aufzuweisen hat. Selbst recherchieren kann ich das mit meinen bescheidenen Möglichkeiten leider nicht.
Jayne Ann

linus24. Januar 2007 um 21:09

eigentlich hatte ich nach den verantwortlichen der produktion gesucht und ggfs. daten über die filmförderung. hatte aber nicht gedacht, dass die lösung so einfach ist. 2 minuten google und … ich liebe das internet!

Die Redaktion und die Produzenten von „2030 – Aufstand der Alten“ haben mit der gewohnt einseitigen Auswahl so genannter Experten dafür gesorgt, dass bei ihnen keine Zweifel aufkommen. […] Wolfram Engels, Horst Opaschowski, Meinhard Miegel, Ernst Welteke, Bernd W. Klöckner, Bernd Raffelhüschen, Herwig Birg. […] Natürlich wird verschwiegen, dass einige der Experten (zum Beispiel Miegel und Raffelhüschen) in Diensten der Finanzindustrie stehen …

http://www.nachdenkseiten.de/?p=2015

guenter gieseking25. Januar 2007 um 22:23

diese leute wollen ein anderes deutschland ,einen umsturz von oben,sie sind vogelfrei.

Michael26. Januar 2007 um 20:01

Das die den Prof. Raffelhüschen noch bringen, ist komisch. Der wurde doch vor ca. 2Monaten in einer Monitor oder WISO Sendung noch vorgeführt. Da hatte man ihm Intressenskonflikte vorgeworfen, wozu erStellung nehmen sollte. Er sagte nur das, das nicht Thema des Interviews wäre, und sich diesbezüglich nicht äußern würde. Die Message des Intressenskonfliktes kam da aber eindeutig rüber!
Das heißt, die schrecken nicht einmal mehr vor öffentlich enttarnten „Experten“ zurück. Oder es wird gezielt auf die Vergesslichkeit der Bevölkerung gebaut.

Kann man eigentlich nichts gegen diese Einseitige Berichtserstattung unternehmen? Ich meine, wie zahlen doch schließlich GEZ Gebühren.

Peter Speth27. Januar 2007 um 14:30

Ich empfehle, folgendes Buch zu lesen:
Carsten Krebs/Danyel T.Reiche – “ der mühsame Weg zu einer Ökoligischen Steuerreform von 1995. Würden die
versicherungsfremden Leistungen, wie z.B. Renten für Aussiedler – über Steuern bezahlt, wäre die Rentenkasse um 20- 25 % entlastet.

Udo Ehrich29. Januar 2007 um 13:03

Gestern war Presseclub in der ARD zum Thema »Das ungelöste Rentenproblem« und als Gast trat dort Meinhard Miegel auf, der als Publizist vorgestellt wurde. Kein Hinweis auf seine Tätigkeit für die Versicherungswirtschaft, genausowenig wie seinerzeit in dem Filmbeitrag »Die ewige Rentenlüge«.

Miegel scheint langsam zum Dauergast im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu werden und dort im Gewande des objektiven Experten seinen Lobbyismus betreiben. Schade, daß die öffentlich-rechtlichen Sender aus der Geschichte mit der Schleichwerbung so wenig gelernt haben.

Beobachter29. Januar 2007 um 16:21

In der Sendung „Presseclub nachgefragt“ auf Phoenix hat ein Anrufer die Aktivitäten von Herrn Miegel hinterfragt. Die Moderatorin Frau Piel hat daraufhin betont, dass Herr Miegel weder für Versicherungen noch für Finanzdienstleister tätig sei, Miegel hat hierzu geschwiegen.

Wie schlimm muß es um den WDR bestellt sein, wenn an dessen Spitze zukünftig eine Journalistin steht, welche sich so offen dem Lobbyismus ausliefert – und dafür zahlen wir auch noch Gebühren.

Neoliberales ZDF30. Januar 2007 um 15:54

Skandal im ZDF

Soeben (30.01.2007) hat das ZDF ein Live-Interview mit einem laut Ankündigung „neutralen und unabhängigen“ Finanzwissenschaftler der Uni-Mainz geführt zum Thema Mindestlohn.

Dieser Herr Peffekoven kam zu ziemlich überraschenden Thesen.

So würde seiner Aussage nach ein Mindestlohn zu einem Massiven Abbau und Aslagerung von Arbeitsplätzen führen. So haben nach seiner Aussage alle Beispiele in Europa zum Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen geführt. Besonders in Großbritannien und Frankreich (das wäre wirklich mal was neues, das Gegenteil ist der Fall). Zum Schluss sagte die Moderatorin das „Mindestlöhne den Menschen wohl sehr Schaden würden“

Ich frag mich was der sogenannte „Presserat“ eigentlich macht, so ein offensichtliches Lobby-Interview hab ich selten gesehen.

Ach ja, zu dem laut ZDF „neutralen und unabhängigen Experten der Uni-Mainz“:

—–

Von 1980 bis 1983 war Peffekoven ordentlicher Professor an der Universität Kiel (als Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft). Seit 1983 ist er ordentlicher Professor an der Universität Mainz (auch dort als Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft). Seit 1973 ist er Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen.

Im Jahr 1991 und erneut 1996 wurde er von der Regierung Kohl in den Sachverständigenrat berufen. Er war Schattenkandidat für das Amt des Finanzministers im Wahlkampfteam der Rheinland-Pfälzischen CDU im Landtagswahlkampf 2006. Zudem ist er Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. (!!!!)

http://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Peffekoven

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Übrigens, das ZDF ist eine öffentlich-rechtliche Einrichtung und gesetzlich dazu verpflichtet „neutral und unabhängig“ zu berichten und es wurde in dem Interview keinerlei Hinweise auf die Zugehörigkeit zu der INSM-Sekte gegeben.

Udo Ehrich3. Februar 2007 um 18:24

Langsam fällt es auf, wie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die lobbyistischen Verbindungen Miegels unterschlagen, deren Thematisierung gar verhindert wird. Am 1. Februar wollte Albrecht Müller – er und Meinhard Miegel waren unter anderem Gast in dieser Runde – die Verbindungen Miegels mit der Versicherungswirtschaft thematisieren, als die Moderatorin Gaby Dietzen diesem Vorhaben ruppig ein Ende setzte.

Eine interessante Frage wäre, wieso eigentlich das öffentlich-rechtliche Fernsehen kein Interesse daran hat, auch auf Miegels Verbindungen zur Versicherungswirtschaft hinzuweisen, immerhin hat mein seinerzeitiger Mailwechsel mit Phoenix und BFS bezüglich der Sendung »Die ewige Rentenlüge« auch nicht gerade ein Problembewußtsein bei den Sendern bezüglich Lobbyismus und PR-Journalismus zutage gefördert. Fürchtet man, Miegel als Gast für Talk-Shows zu verlieren wenn man darauf hinweist, wie er mit der privaten Versicherungswirtschaft verbunden ist?