Aus der Lobbywelt

Merkel-Vertraute wird Energielobbyistin – Bundestag muss Schranken setzen

Hildegard Müller (CDU), bislang Staatsministerin im Bundeskanzleramt, übernimmt ab Oktober die Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Sie wird alle politischen Ämter aufgeben – aber das Problem des nahtlosen Wechsels aus der Politik in einen Lobbyjob wird damit nicht beseitigt. Müller ist nur der jüngste Fall, in dem finanzstarke Lobbygruppen oder Unternehmen sich […]
von 25. Juli 2008

Hildegard Müller (CDU), bislang Staatsministerin im Bundeskanzleramt, übernimmt ab Oktober die Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Sie wird alle politischen Ämter aufgeben – aber das Problem des nahtlosen Wechsels aus der Politik in einen Lobbyjob wird damit nicht beseitigt. Müller ist nur der jüngste Fall, in dem finanzstarke Lobbygruppen oder Unternehmen sich hochrangige Politikerinnen und Politiker einkaufen und mit ihnen Insiderwissen und gute politische Kontakte. Eigentlich müsste es dringend klare Regeln für dieses „Drehtür“-Phänomen geben – aber im Bundestag ist das Thema in der Schublade verschwunden.

Bundestag muss das Thema endlich aufgreifen
Nach dem Wechsel des Ex-Bundeskanzlers Gerhard Schröder zu Gasprom gab es eine große öffentliche Debatte zu dem Seitenwechsel-Problem. Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und die FDP brachten Anträge ein, deren Forderungen von einer fünfjährigen Karenzzeit für scheidende Regierungsmitglieder (Die Linke, Bundestagsdrucksache (BT-Drs) 16/846), einem Ehrenkodex (B’90/Die Grünen, BT-Drs 16/948) bis zu einer zweijährigen Anzeigepflicht ähnlich der Regelung für Beamten (FDP, BT-Drs 16/677) reichten. Die Anträge wurden an den Innenausschuss des Bundestages verwiesen – seitdem herrscht Funkstille.

Es ist höchste Zeit, dass der Bundestag das Thema erneut aufgreift. Die Verschleppung muss ein Ende haben. LobbyControl fordert eine dreijährige Sperrfrist (Karenzzeit), bevor Politiker Lobby-Tätigkeiten übernehmen dürfen (siehe unsere Studie von letztem Herbst “Fliegende Wechsel – die Drehtür kreist. Zwei Jahre danach – Was macht die Ex-Regierung Schröder II heute?”).

> Wenn Sie aktiv werden wollen:
Auf abgeordnetenwatch.de finden Sie die Mitglieder des Innenausschusses und können diese direkt anfragen, was aus den Anträgen zu den Seitenwechseln von Politikern in Lobbyjobs geworden ist.

Wuermeling als Versicherungslobbyist durchgewinkt
Ein weiterer aktueller Seitenwechsel ist Joachim Wuermeling (CSU). Bis Anfang des Jahres war er beamteter Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, seit 1. Juli arbeitet er als Lobbyist für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Als beamteter Staatssekretär muss er dem Wirtschaftsministerium seine neue Tätigkeit anzeigen. Das Ministerium hätte die Möglichkeit, die neue Tätigkeit zu untersagen, wenn dadurch „dienstliche Interessen“ gefährdet sind.

Wir haben im Wirtschaftsministerium angefragt und nach zwei Wochen endlich eine Antwort bekommen: Wuermeling habe seine neue Tätigkeit ordnungsgemäß angezeigt und „der für eine Untersagung nach §69 a Abs. 2 Bundesbeamtengesetz erforderliche konkret begründete Zusammenhang zwischen der früheren dienstlichen Tätigkeit von Herrn Dr. Wuermeling als Staatssekretär im BMWi und der beabsichtigten Tätigkeit beim GDV [sei] nicht festzustellen“ (Schreiben des BMWi vom 23. Juli 2008).

Wuermeling war Europastaatssekretär im Ministerium – jetzt ist er „Bevollmächtigter für europäische und internationale Angelegenheiten“. Die neue Stelle ist eine Reaktion auf die wachsende Bedeutung des EU-Rechts für die Versicherungswirtschaft und soll den GDV als politischen Akteur in Brüssel stärken. Einen Zusammenhang könnte man da durchaus sehen – der GDV kauft sich einen Entscheidungsträger mit guten europäischen Kontakten ein. Aber der Fall zeigt, dass auch die bestehende Regelung für Beamte keine nennenswerte Wirkung hat. Umso mehr müsste das Thema auf die politische Tagesordnung – damit in diesem Bäumchen wechsle dich-Spiel finanzschwächere gesellschaftliche Interessen, wie z.B. Verbraucherinteressen, nicht unter die Räder kommen.

Ergänzend noch zu Hildegard Müller:
Sie war bereits einmal in den Schlagzeilen, weil die Dresdner Bank ihren Aufstieg finanzkräftig unterstützt hat (siehe u.a. Spiegel Online).

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