Kurzmeldung

Lobby-Hinweise der letzten Tage

Kurz vor der Weihnachtspause noch einmal einige Hinweise aus den letzten Tagen: Matthias Berninger geht zu Mars Ärzte mieteten Demonstranten Lobbyarbeit gegen Klimaschutz Britische Korruptionsäffare – Ermittlungen unerwünscht Durchsuchungen wegen Ratiopharm-Skandal Weitere Links
von 21. Dezember 2006

Kurz vor der Weihnachtspause noch einmal einige Hinweise aus den letzten Tagen:

  1. Matthias Berninger geht zu Mars
  2. Ärzte mieteten Demonstranten
  3. Lobbyarbeit gegen Klimaschutz
  4. Britische Korruptionsäffare – Ermittlungen unerwünscht
  5. Durchsuchungen wegen Ratiopharm-Skandal
  6. Weitere Links

1) Matthias Berninger geht zu Mars
Matthias Berninger, der ehemaliger Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium, gibt sein Amt als Bundestagsabgeordnete der Grünen auf und wird stattdessen „Director of Corporate Health und Nutrition“ bei Mars in Brüssel. Dem Grünen, der sich im Verbraucherministerium der Massenkrankheit Übergewicht widmete und in dieser Tätigkeit auch mahnende Appelle in Richtung Lebensmittel- und Süßigkeitenhersteller sandte, scheint dieser Seitenwechsel keine Probleme zu bereiten: Er werde weiterhin für gesunde Lebensmittel und gegen die „globale Übergewichts-Epidemie“ kämpfen.´ Berninger verlängert damit die Liste der ehemaligen rotgrünen Minister und Staatssekretäre, die in die Wirtschaft oder den Lobbyismus wechseln. (Quellen: FR, Zeit, HNA-Interview)

2) Ärzte mieteten Demonstranten
Spiegel und Berliner Zeitung berichteten über die ungewöhnliche Vorgehensweise der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die zu einer als politische Kundgebung angemeldeten Demonstration gegen die Gesundheitsreform vor dem Reichstag ca. 170 der 200 demonstrierenden Personen je 30 Euro für ihre Teilnahme an der Demo bezahlte. Die KBV beteuerte zunächst, dass die 170 Personen zwar tatsächlich über eine professionelle Arbeitsvermittlung zur Teilnahme rekrutiert wurden, die Aktion aber keine Kundgebung, sondern lediglich eine PR-Aktion gewesen sei. Allerdings hatte der deutsche PR-Rat schon 1999 den Einsatz von Miet-Demonstranten als „Irreführung der Öffentlichkeit“ gerügt – aber wie wir wissen, sind diese Rügen ja folgenlos.

3) Lobbyarbeit gegen Klimaschutz
Die deutsche Industrie macht mobil gegen schärfere Klimaschutzvorgaben aus Brüssel. Der BDI und zahlreiche Manager machten in einem Brief an Merkel Druck und drohen mit der Rücknahme von Investitionszusagen. Der Brief wurde auch von Klaus Rauscher, Vorstandsvorsitzender der Vattenfall Europe AG, unterschrieben. Vor kurzem erst hatte Merkel den Vorsitzenden des schwedischen Mutterkonzerns, Lars Göran Josefsson, zu einem ihrer Klimaberater ernannt. Da wurde offensichtlich der Bock zum Gärtner gemacht (via politischer.blogspot.com). Auch Jürgen Rüttgers wurde zugunsten der NRW-Industrie für weniger Klimaschutz aktiv. Generell setzt Rüttgers auf die enge Kooperation mit der Wirtschaft in Sachen „Umweltpolitik“. Auch an anderen Stellen sieht man, dass die reale Politik in NRW wenig mit dem Bild von Rüttgers als soziales Gewissen der CDU zu tun hat – siehe eine kleine Übersicht dazu auf den Nachdenkseiten.

4) Britische Korruptionsäffare – Ermittlungen unerwünscht
In der britisch-saudischen Korruptionsaffäre um den Rüstungskonzern BAE-Systems wurden die Ermittlungen eingestellt. Tony Blair nannte als Begründung lediglich „nationale Interessen“. Während die englische Financial Times „erfolgreiche“ Arbeit der Lobbyisten von BAE-Systems als Hintergrund der Entscheidung vermutet, geht der Observer davon aus, dass der Grund für den Abbruch der Untersuchung politischer Druck aus Saudi Arabien gewesen ist (siehe Spiegel, Tagesspiegel).

5) Durchsuchungen wegen Ratiopharm-Skandal
Ein anderer Fall geht dafür endlich voran: Die Polizei hat am Montagmorgen die Wohnungen von mehr als 400 Ratiopharm-Außendienstmitarbeitern durchsucht. Hintergund der Aktion sind die Ermittlungen gegen den Pharmakonzern wegen seiner Vertriebspraktiken. Mehr dazu im Stern, der den Skandal Ende 2005 ans Licht brachte.

6) Und noch ein paar Links
Wichtiger Chemieberater kassierte jahrzehntelang Honorar von Monsanto-Firma (taz).

Die Gewinner der Falsies 2006 stehen fest- die größten Tatsachen-Verdreher laut dem amerikanischen Center for Media and Democracy.

Wenn Vampire eine Blutbank leiten – Das Parlament zu Lobbyisten im Gesundheitswesen

Das Neue Deutschland kritisiert die Föderalismusreform II als neoliberale Agenda. Allerdings gehen die Lobby-Bemühungen dazu noch weiter zurück und man müsste die Rolle weiterer Lobby-Organisationen und Stiftungen beleuchten, insbesondere des „Konvent für Deutschland“, der Bertelsmann-Stiftung und der Stiftung Marktwirtschaft.

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5 Kommentare

Markus21. Dezember 2006 um 15:50
Kai21. Dezember 2006 um 20:40

Zu Ordnungsziffer 5 – Ratiopharm – ist folgender Artikel bei r-archiv.de lesenswert.

U. Müller22. Dezember 2006 um 12:55

Hallo Kai,

ich sehe das anders als r-archiv und empfehle wirklich nochmal den ursprünglichen Stern-Artikel zum Ratiopharm-Skandal. Dort ist u.a. aufgeführt, dass Ratiopharm-Generika in einer Reihe von Fällen nicht die günstigsten Präparate sind. Insofern gibt es sehr wohl Anhaltspunkte für Untreue. Das andere Pharma-Firmen auch nicht sauber sind in ihren Vertriebspraktiken, ist für mich kein echtes Argument.

Kai23. Dezember 2006 um 12:14

Hallo Herr Müller,

Dann bin ich ja mal gespannt, was dabei herauskommen wird. Untreue ist sowieso ein sehr schwammiger Tatbestand. Wer auch immer die günstigsten Generika herstellt – ich bin mal gespannt, was bei der ganzen Angelegenheit herauskommen wird.

Schöne Festtage!

Jan7. Januar 2007 um 4:28

Der r-Archiv Artikel ist imo ein Witz.
Er argumentiert, dass Ratiopharm-Medikamente (wie am Beispiel seines Apothekers, dem man selbstverständlich sofort laut zuruft „ich entscheide was ich kaufe, nicht Sie“ wenn dieser eine Empfehlung gibt) von den Ärzten aus unsachlichen Vorurteilen missachtet wurden und Ratiopharm deswegen zu dieser Maßnahme fast schon greifen musste, zumal das in der Branche Gang und Gäbe sei und deswegen toleriert werden muss, das aber andererseits kein Anhaltspunkt besteht, dass unnötig/falsche Medikamente verschrieben wurden.

Sprich: Die Provisionen für Ärzte haben dazu geführt, dass Ratiopharm Medikamente verschrieben wurden, wenn es die beste Wahl war, der Arzt aber ohne die in Aussicht gestellte Provision zu einem zweitklassigen/teureren Medikament gegriffen hätte.
Die Provisionen für Ärzte haben nicht dazu geführt, dass Ratiopharm Medikamente verschrieben wurden, wenn andere Medikamente besser/billiger gewesen wären oder keine Medikamente notwendig gewesen wären.
An was glaubt er hier, dass er diesen Unterschied macht? An das hohe Berufsethos der Ärzte (Geld annehmen is ja ok…)? Die Stoßrichtung ist „Es sollen mehr Ratiopharm Medikamente verschrieben werden“. Punkt. Ich weiß nicht ob das Ganze strafrechtlich relevant ist. Aber es ist in jedem Fall ein Skandal dem Patienten gegenüber.