Aus der Lobbywelt

Der Frankfurter Zukunftsrat – eine neue, altvertraute Reforminitiative

Es gibt eine neues unternehmensnahes Expertengremium, das Reformvorschläge für Deutschland erarbeiten soll, den „Frankfurter Zukunftsrat“. Gegründet hat es der Historiker Manfred Pohl, der früher für alle Stiftungsaktivitäten der Deutschen Bank verantwortlich war. Der Zukunftsrat soll Deutschland auf „Reformkurs“ bringen und zunächst zu folgenden drei Themen arbeiten: Erziehung und Bildung, Integration und Migration sowie Wirtschaft und […]
von 14. März 2008

Es gibt eine neues unternehmensnahes Expertengremium, das Reformvorschläge für Deutschland erarbeiten soll, den „Frankfurter Zukunftsrat“. Gegründet hat es der Historiker Manfred Pohl, der früher für alle Stiftungsaktivitäten der Deutschen Bank verantwortlich war. Der Zukunftsrat soll Deutschland auf „Reformkurs“ bringen und zunächst zu folgenden drei Themen arbeiten: Erziehung und Bildung, Integration und Migration sowie Wirtschaft und Politik. „Es muss ein Ruck durch das Volk gehen“, forderte Pohl laut Medienberichten – und verweist damit auf die Ruck-Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog. Dieser ist seit 2003 die Galionsfigur des Konvents für Deutschland, den Pohl mit dem ehemaligen BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel und dem Unternehmensberater Roland Berger ins Leben gerufen hatte (mehr zum Konvent weiter unten).

Die Arbeitsgruppe zu Wirtschaft und Politik leitet der ehemalige Grüne und Politikberater Oswald Metzger, der ebenfalls für den Konvent für Deutschland und die Arbeitgeber-Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) aktiv ist. Er machte die Richtung klar: die Hartz IV-Empfänger sollten nicht im Focus des politischen Interesses stehen. Metzger beklagte stattdessen, dass das CDU-Konzept einer „Gesundheitsprämie“ als Kopfpauschale verunglimpft werde, und sprach laut Welt von dringenden Problemen wie steigenden Lohnnebenkosten. Dabei hat das Statistische Bundesamt gerade sinkende Lohnnebenkosten für 2007 vermeldet. (Das liegt an den gesunkenen Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, weil die große Koalition den Überschuss der Bundesagentur für Arbeit lieber an die Einzahler zurückzahlt als an der prekären Lage vieler Hartz IV-Empfänger etwas zu ändern – aber wer will es schon so genau nehmen?)

Wer steckt hinter dem Zukunftsrat?
Neben Manfred Pohl und dem Unternehmensberater Roland Berger finden sich die üblichen Verdächtigen aus der Politik wieder:

  • der frühere Grüne Oswald Metzger (siehe oben),
  • der noch SPDler Wolfgang Clement, ebenfalls Mitglied im Konvent für Deutschland und früherer INSM-Botschafter,
  • und Friedrich Merz von der CDU, u.a. für eine große Wirtschaftskanzlei tätig und Mitglied im Förderverein der INSM.

Ebenfalls dabei ist Rudolf Scharping, der inzwischen seine eigene Beratungs- und Lobbyagentur betreibt (Rudolf Scharping Beratung Kommunikation, RSBK) und für Public Private Partnerships Lobbyarbeit macht.

Dazu kommen eine Reihe von Wissenschaftlern wie der Hirnforscher Wolf Singer, der Philosoph Peter Sloterdijk, der Arzt Dietrich Grönemeyer oder der konservative Bildungsforscher Bernhard Bueb („Das Lob der Disziplin“), Wirtschaftsvertreter und Leute aus dem Kulturbereich, die auch im Frankfurter Kultur Komitee tätig sind.

Das „Frankfurter Kultur Komitee“ ist der formale Träger und Finanzier des Zukunftsrats; ansonsten fördert es die Kultur in Frankfurt als Teil der sogenannten „weichen Standortfaktoren“. Die Mitglieder sind vor allem Banken und Großunternehmen sowie Einzelpersonen, wobei die Unternehmen für den Großteil der Finanzierung sorgen.

Als Pressesprecherin des Zukunftsrats fungiert die Geschäftsführerin und Pressesprecherin des Konvent für Deutschlands, Jane Uhlig – nach eigenen Aussagen auf ehrenamtlicher Basis. Auch hier zeigt sich erneut die enge Verbindung zum Konvent für Deutschland. Gerade im Themenbereich Politik und Wirtschaft ist der Zukunftsrat ein erneuter Aufguss ähnlicher unternehmensnaher „Reforminitiativen“.

Ungenaue Medienberichte
Es gibt eine ganze Reihe von Medienberichten über den Auftakt des Zukunftsrats in der Privatvilla der Bankiersfamilie von Metzler, aber nur wenige zeigen die Verbindungen von Pohl zur Deutschen Bank auf (Ausnahme: der Tagesspiegel) und niemand scheint nach der Finanzierung des Zukunftsrats gefragt zu haben. Mehrfach erwähnt wird die enge Verbindung vom Frankfurter Zukunftsrat zum Konvent für Deutschland, aber ohne den Konvent genauer zu beschreiben.

Der Konvent für Deutschland tritt öffentlich als unabhängiges Beratergremium für die Politik auf. In Realität ist es eine elitäre, unternehmensnahe Lobbygruppe, die für einen schlanken, wettbewerbsorientierten Staat eintritt, mehr Ungleichheit und bessere Möglichkeiten, unpopuläre Reformen wie das Zurückschrauben von Sozialsystemen durchzusetzen (siehe unsere Studie „Konvent für Deutschland – Wegbereiter für unpopuläre Reformen“).

Der Konvent für Deutschland und das Mehrheitswahlrecht
Auch an anderer Stelle profitiert der Konvent für Deutschland davon, dass Medien häufig darauf verzichten, ihre Leserinnen und Leser über Verflechtungen einzelner Experten und die Hintergründe von „Reforminitiativen“ oder Lobbygruppen aufzuklären. So konnte Roman Herzog in der Süddeutschen Zeitung vor gut einer Woche die Einführung des Mehrheitswahlrechts nach französischem Muster fordern (als Reaktion auf die Wahlerfolge der Linken und das neue Fünfparteiensystem). Die Süddeutsche schrieb erläuternd zum Interview nur: „Wiederholt hat er [Herzog] sich mit Vorschlägen zu Wort gemeldet, wenn er das Gefühl hatte, sein Rat könne dem Land dienlich sein.“ Keine Rede von seinem Engagement für den Konvent für Deutschland.

Nachtrag: Laut einem Artikel im Neuen Deutschland bestätigt die Pressesprecherin des Konvents für Deutschland, dass Roman Herzog bei seinem Artikel für die Süddeutsche Zeitung von Mitarbeitern des Konvents „unterstützt“ worden sei.

Auch der Konventler Hans-Olaf Henkel warb jüngst für ein französisches Mehrheitswahlrecht, z.B. in einem Web-TV-Interview mit stern.de im einschlägigen Lobbyisten-Café Einstein. Darin spricht Henkel selbst die Zusammenarbeit mit Herzog im Konvent für Deutschland an – aber in dem Artikel von Stern-Journalist Hans-Ulrich Jörges fällt das wieder unter den Tisch. Dort steht nur: „Der frühere Bundespräsident und Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Roman Herzog, habe ihm [Henkel] jüngst versichert, dass für die Einführung des Mehrheitswahlrechts eine Verfassungsänderung nicht notwendig wäre.“ Ein schöner Doppelpass.

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