Handelspolitik

Bertelsmann-Stiftung macht Stimmung für Freihandelsabkommen

Die Bertelsmann-Stiftung will durch zahlreiche Studien, Webseiten und Veranstaltungen über die Vor- und Nachteile des Freihandelsabkommen zwischen der EU und USA aufklären. Wirklich? Oder ist das alles nur Meinungsmache? Eine der einflussreichsten neoliberalen Denkfabriken in der Bundesrepublik engagiert sich außergewöhnlich stark, um eine positive Stimmung für das Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaftsabkommen herzustellen. Die Ergebnisse ihrer in Auftrag gegebenen Studien scheinen allerdings fragwürdig.
von 9. Oktober 2013

Die Bertelsmann-Stiftung will durch zahlreiche Studien, Webseiten und Veranstaltungen über die Vor- und Nachteile des Freihandelsabkommen zwischen der EU und USA aufklären. Wirklich? Oder handelt es sich um Meinungsmache? Eine der einflussreichsten neoliberalen Denkfabriken in der Bundesrepublik engagiert sich außergewöhnlich stark, um eine positive Stimmung für das Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaftsabkommen (englische Abkürzung TTIP) herzustellen. Die Ergebnisse ihrer in Auftrag gegebenen Studien scheinen allerdings fragwürdig.

Die Bertelsmannstiftung macht Stimmung für Freihandel

Bertelsmann

Das Webportal der Bertelsmannstiftung mit Graphiken und Videos zur ifo-Studie

Bereits zum  zweiten Mal beauftragte die Bertelsmannstiftung das konservative ifo-Institut von Hans-Werner Sinn, die ökonomischen Effekte des geplanten EU-USA-Freihandelsabkommen zu analysieren. Das Ergebnis lautete im Juni wie im Oktober: Es wird mehr Arbeitsplätze geben – weltweit und deutschlandweit. Nachdem die erste Studie einzelne Staaten betrachtete, lag der Schwerpunkt der zweiten Studie allein auf Deutschland. Laut Studie würden von dem Abkommen in Deutschland alle profitieren, vom Großkonzern bis zum Geringverdiener. Mit eben dieser frohen Kunde schaffte es die Bertelsmannstiftung in die Schlagzeilen (z.B. FAZ, Spiegel, Stern).

Die Bertelsmannstiftung wandelte die Ergebnisse der Studien in zahlreiche bunte interaktive Graphiken und animierte Bilder um. Die aufwändige Aufbereitung verdeckt, dass die eigentliche Datengrundlage dünn ist. Die Ergebnisse der Studie beruhen allein auf Schätzungen und fragwürdigen Vergleichen. So ziehen die Autoren als Berechnungsgrundlage vor allem die angeblichen Wachstumseffekte anderer Freihandelszonen wie die NAFTA und den Europäischen Binnenmarkt heran. Diese fragwürdige Methode lässt die spezifischen Handelsstrukturen innerhalb der NAFTA und der EU ebenso außer acht wie den zeitlichen Rahmen der Vergleichszahlen, wie Jens Berger von den Nachdenkseiten bereits bei der ersten Studie bemängelte.

Fragwürdige Ergebnisse

Auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich mit den möglichen Auswirkungen des Freihandelsabkommen beschäftigt. Sie kommen zu gänzlich anderen Ergebnissen als ifo und Bertelsmann. Stefan Beck, Donna McGuire und Christoph Scherrer von der Universität Kassel bezweifeln die positiven Einschätzungen der Beschäftigungs- und Lohneffekte. Sie sehen vielmehr die Gefahr von Wohlfahrtsverlusten, da Verbraucherschutzregeln und Sozial- bzw. Umweltstandards abgebaut werden könnten. Auch der Niedriglohnsektor könnte sich laut der drei Autoren ausweiten.

Auch Jan Behringer und Nikolaus Kowall vom gewerkschaftsfinanzierten Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung relativieren den angeblichen „Job-Boom“, den die ifo-Studie vorhersagt: „Selbst wenn man unterstellt, dass in den USA ebenfalls 400.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen würden, entspräche dies bei aktuell 143 Millionen Erwerbstätigen lediglich einem Beschäftigungseffekt von weniger als 0,3 %. Geht man davon aus, dass die Beschäftigungseffekte im Verlauf der nächsten 10 bis 20 Jahren wirksam werden, ist dieser Effekt marginal.“ Der angebliche Boom für den Arbeitsmarkt entpuppt sich damit als minimaler Jobzuwachs.

Interessen des Medienkonzerns Bertelsmann

Bertelsmann building

Das „Bertelsmann building“ in Manhattan/New York: Hier befindet sich die Nordamerika-Zentrale des Bertelsmann-Konzerns

Die Bertelsmannstiftung ist organisatorisch und personell eng mit dem Medienkonzern Bertelsmann verknüpft. Dass eben dieser Konzern einer Profiteure des Abkommens sein wird – dazu braucht es keine mathematischen Modelle. Mit über 16 Mrd. Euro Jahresumsatz ist Bertelsmann das größte Medienimperium in Europa. Bekannte Medien wie RTL, stern, die Verlage Heyne oder Goldman, die Buchgeschäfte „Der Club“ oder der US-Verlag Random House gehören dem Bertelsmannkonzern. Der Konzern Bertelsmann hat ein Interesse an Liberalisierungen und erweiterten Schutzrechten für geistiges Eigentum durch ein Freihandelsabkommen, um seine Marktmacht auszubauen.

Bertelsmannstiftung will Akzeptanz schaffen

Bei den Studien der Bertelsmannstiftung geht es vermutlich um mehr als wissenschaftliches Arbeiten zum Freihandelsabkommen. Vielmehr scheint die Stiftung Lobbyarbeit für ein politisch umstrittenes Großprojekt zu machen, indem es breite gesellschaftliche Akzeptanz für das Vorhaben schaffen will.

In Teilen der Politik ist die Botschaft jedenfalls angekommen: Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Peter Beyer, der zuständige Berichterstatter im Auswärtigen Ausschuss (CDU), erklärten nur wenige Tage nach Erscheinen der Studie, dass das Freihandelsabkommen nun schnell „zum Erfolg gebracht“ werden müsse. Der Grund: Die Studien der Bertelsmannstiftung hätten positive Effekte auf den Arbeitsmarkt nachgewiesen.

Kritische Kommentare zur ifo-Studie der Bertelsmann-Stiftung:

Frankfurter Rundschau: Freihandelsabkommen – Eigentümliche Rechnung

Deutscher Kulturrat: Bertelsmann-Stiftung: Multimediale Stimmungsmache für EU/USA-Freihandelsabkommen (TTIP)

Nachdenkseiten: Freihandelsstudie – Scharlatanerie im pseudowissenschaftlichen Gewand (Juni 2013)

 

Weitere Informationen zum EU-USA-Freihandelsabkommen:

S2B/CEO: A Brave New Transatlantic Partnership: the social & environmental consequences of the proposed EU-US trade deal

LobbyControl: Freihandel für Unternehmen, Intransparenz für die Öffentlichkeit

 

Bild: Americasroof, CC-BY-SA-3.0

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Kommentare

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10 Kommentare

Ralph Feltens17. Oktober 2013 um 14:25

Ein Freihandelsabkommen wird immer lediglich wirtschaftliche Belange im Blick haben. Was dabei gänzlich unter den Tisch fallen wird bzw. unter die Räder kommt, sind in der Regel gesellschaftliche Errungenschaften wie Selbstbestimmung / demokratische Entscheidungsstrukturen, soziale Standards oder Umweltstandards. Die sich daraus ergebenden Konflikte können wir in einzelnen Fällen schon sehr gut innerhalb der EU sehen, wie Demokratiedefizite im Rahmen von Finanz- und Wirtschaftspolitik (nicht-parlamentarsich oder via Volksentscheid legitimierte Rettungsschirme mit staatsübergreifende Schuldenhaftung).

So hat beispielsweise Monsanto sämtliche Zulassungsanträge für gentechnisch veränderte Pflanzen in der EU zurückgezogen. Spart man sich so doch das Geld und die Mühe für etwas, was einem im Rahmen des Freihandelsabkommens praktisch automatisch in den Schoß fallen wird, da im Zweifelsfall immer die niedrigsten Standards als allgemeinverbindlich festgeschrieben werden. Gleiches ist für Produktionsstandards bezüglich des Umwelt- und Klimaschutzes zu erwarten; da man dem jeweiligen Partner ja nicht zumuten kann, seine Standards zu erhöhen und es auch leichter ist, die eigenen abzusenken – weniger strenge Auflagen sind ja auch ein Instrument, die heimische Industrie zu entlasten, welcher Wirtschaftsstratege würde sich so eine Gelegenheit entgehen lassen?

Ralph Feltens17. Oktober 2013 um 14:27

‚Tschuldigung, aber verwechseln Sie Lobbycontrol vielleicht mit attac?

Critical18. Oktober 2013 um 11:38

Ich bin GEGEN das Freihandelsabkommen zwischen SUPERmacht (?) USA und EU!
Solange NICHT auf GLEICHER Augenhöhe verhandelt wird …
Die USA scheinen mir ziemlich aufgeblasen daher zu kommen, DOCH die dortige Politik in JÜNGSTER Zeit zeigt doch wieder einmal, was von ihr zu halten ist!
SUPER? – Mitnichten!
Solange die Affäre seitens NSA NICHT GÄNZLICH geklärt wird und den betreffenden Politikern
in Amerika KEINE Grenzen – von Seiten der EU und auch von Deutschland – aufgezeigt werden,
sollte man den USA recht skeptisch gegenüberstehen.

Michael21. Oktober 2013 um 16:36

Das TTIP soll mitnichten die Wirtschaft stärken. „FREIhandel“ ist Orwellsche Wortverdrehung. In Wirklichkeit steckt dahinter die Zerschlagung der auf Eben der europäischen Nationalstaaten verbliebenen Errungenschaften: Sozialstaat, Umweltschutz, Verbraucherschutz, Datenschutz und Transparenz.

Durch das TTIP können die USA europäische Staaten VERKLAGEN, falls diese „Handelshemmnisse“ wie z. B. Mindestlöhne, Umweltauflagen, Datenschutzauflagen, Tierschutz, o. ä. einführen oder nicht abschaffen. Auch Festanstellungen sind ein solcher Klagegrund, da natürlich auch auf Zeitarbeit und Werksverträge zurück gegriffen werden soll.

HB16. Dezember 2013 um 23:45

Klingt so, als ob da jemand gaaaanz viel Ahnung hat *schmunzel*.

Werner Horstmann17. Dezember 2013 um 8:49

Ist doch ganz einfach, beim nächsten Abhörverdacht verweist man die Botschaftsmitarbeiter erstmal des Landes, so hat es früher das MFS auch gemacht.
MFS = Ministerium für Staatssicherheit, vielleicht noch einigen bekannt, da müßten doch Kanzlerin, Oppositionsführer und sogar der Bundespräsident an einem Strang ziehen, die kennen das doch aus der nahen Vergangenheit, Gysi hätte doch am liebsten die Stasi im Westen auch etabliert.

Adi Tutsch13. April 2014 um 7:24

Die einigermaßen informierten „Spatzen“ pfeifen es bereits von den Dächern.
Die EUROPÄER sollen, wie die größtenteils uninformierten Menschen von Amerika, gleichgeschltet und ausgebeutet werden.

Marianne Gabel26. Juli 2014 um 8:41

eine dumm klingende Frage? Hat jemand der hier geschrieben hat oder schreiben möchte die Bertelsmann Studie überhaupt einmal gelesen??

Nein !!! Kann nicht gelesen haben, denn die Studie zeigt nicht nur positive Seiten sondern auch die negativen Seiten auf. Und das sehr deutlich.

Bertelsmann so einfach Lobbyismus vorzuwerfen ist schon ein heftiger Vorwurf zumal aus dem Thinktank von Bertelsmann noch ganz andere Studien kommen, die von Regierungsseite ge/benutzt werden. Dann sollte man generell dagegen sein Studien in Auftrag zu geben die aus Wirtschaftsunternehmen finanziell gespeist werden.

Ich persönlich bin übrigens gegen das Feihandelsabkommen mit den USA, weil ich die Studie sehr aufmerksam gelesen habe.

Siegert11. November 2014 um 15:24

Ja genau so ist es, ich lebe seit 3 Jahren hier. Wenn das Handelsabkommen kommt, dann gute Nacht.

Thomas11. Februar 2015 um 12:56

Wo findet man diese Studien?
Ich empfinde das als verstoerend, immer wieder Studien zitiert zu lesen, die dann nicht verlinkt werden.
Schade.
Vermutlich liegt das am Copyleft/Urheberschutz. Darf nicht veroeffentlicht werden, weil das i.d.R aus oeffentlichen Geldern finanziert wurde! gell?!
;-)

Gruss
Thomas