Wenn Politiker*innen finanziell an Unternehmen beteiligt sind, drohen Interessenkonflikte – besonders bei Mitgliedern der Bundesregierung. Sie treffen weitreichende Entscheidungen von denen Unternehmen unmittelbar betroffen sein können.
Doch während einfache Abgeordnete Beteiligungen offenlegen müssen, fehlt ausgerechnet für Minister*innen eine solche Pflicht. Das muss sich ändern! Besonders jetzt, da viele Posten mit Personen aus der Wirtschaft besetzt sind. Fordern Sie mit uns: Aktiendepots offenlegen − für mehr Transparenz und Integrität!
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Merz,
ohne klare Offenlegungspflichten finanzieller Interessen in der Bundesregierung drohen ernsthafte Interessenkonflikte. Ebenso ist das Vertrauen in die Integrität der Regierung und der Politik insgesamt in Gefahr. Hier gilt es, für mehr Transparenz, Vertrauen und politische Verantwortung zu sorgen.
Ich fordere Sie daher auf:
> Schaffen Sie verbindliche Regeln zur Anzeige und Offenlegung für Aktienbesitz und Unternehmensbeteiligungen von Bundesminister*innen und Staatssekretär*innen.
Mit freundlichen Grüßen
Hintergrund
Warum ist es wichtig, dass Regierungsmitglieder ihre Aktien offenlegen?
Der Bundeskanzler und seine Minister*innen üben die höchsten Ämter der Exekutive, der ausführenden Gewalt, in unserem Staat aus. Ihre Entscheidungen haben weitreichenden Einfluss auf ganze Wirtschaftszweige, teilweise auch auf einzelne Unternehmen. Das gilt ebenso für die Staatssekretär*innen in den Ministerien. Daher muss klar sein, dass die höchsten politischen Ämter in Deutschland in ihren Entscheidungen völlig frei von jeglichem Anschein von Interessenkonflikten sind.
Ohne Angaben zu Unternehmensbeteiligungen bleiben solche finanziellen Interessenkonflikte aber im Verborgenen und können nicht gelöst werden. Das beeinträchtigt das Vertrauen in die Integrität und Unabhängigkeit der Amtsführung.
Aus gutem Grund verlangt das Abgeordnetengesetz von Bundestagsabgeordneten öffentliche Angabe zu Unternehmensbeteiligungen, um eine unabhängige Mandatsausübung sicherzustellen. Dabei haben Abgeordnete als Gesetzgeber*innen wesentlich weniger direkten Einfluss auf die Geschicke einzelner Unternehmen. Es ist daher widersinnig, wenn für sie strengere Regeln gelten als für die Exekutive.
Welche Offenlegungsregeln gelten für Bundestagsabgeordnete?
Seit der letzten Verschärfung des Abgeordnetengesetzes sind Bundestagsabgeordnete verpflichtet, Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften öffentlich anzuzeigen, wenn sie mit mehr als fünf Prozent beteiligt sind. Ebenfalls angezeigt werden muss, wenn diese Gesellschaften wiederum selbst mit mehr als fünf Prozent an anderen Gesellschaften beteiligt sind. Auch Einkünfte aus solchen Beteiligungen müssen transparent gemacht werden. Zudem sind auch Optionen auf Anteile („Optionsscheine“) anzeigepflichtig.
Dies alles dient dem Zweck, „mögliche für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen offenzulegen“, so die Gesetzesbegründung. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege hier den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, so der Gesetzgeber damals, wenn dadurch Interessenverknüpfungen offengelegt werden.
Wie sollte eine verbindliche Regelung aussehen und für wen sollte sie gelten?
Eine Regelung zur Offenlegung finanzieller Interessen für die höchsten Ämter der Exekutive sollte umfassender und strenger sein als jene für Abgeordnete. Sie sollten mindestens gelten für die jeweiligen Bundeskanzler*innen, Minister*innen sowie für parlamentarische und beamtete Staatssekretär*innen.
Während Abgeordnete derzeit nur Beteiligungen anzeigen müssen, die über einer relativen Schwelle („fünf Prozent der Anteile“) liegen, sollte für die höchsten Exekutivämter zusätzlich eine absolute Schwelle gelten („Über X Euro“). Schließlich kann auch eine Beteiligung in Höhe von zum Beispiel 100.000 Euro an einem DAX-Unternehmen einen Interessenkonflikt darstellen.
Die Regelung sollte außerdem enge Familienangehörige mit umfassen. Ein Interessenkonflikt wird schließlich nicht gelöst, wenn die Anteile beispielsweise auf den Ehepartner oder die Ehepartnerin übertragen werden.
Reicht das Verbot von Insider-Handel bei Wertpapiergeschäften nicht?
Richtig, auch für Bundesminister*innen und Staatssekretär*innen gilt das Verbot, nicht-öffentliche, wesentliche Informationen für private Finanzgeschäfte zu nutzen. Als Staatssekretär oder Ministerin hat man je nach Zuständigkeit durchaus häufig Zugang zu solchen Informationen.
Ausreichend ist dieses Verbot allerdings nicht. Zum einen stellt sich die Frage der praktischen Überprüf- und Durchsetzbarkeit im Einzelfall. Zum anderen sind davon nicht alle Formen von Beteiligungen erfasst und vor allem nicht diejenigen, die schon vor Amtsantritt bestanden.
Welche Regeln gelten in anderen Ländern?
In vielen anderen Ländern ist es längst üblich, dass hochrangige Entscheidungsträger*innen in der Regierung Erklärungen zu ihren finanziellen Interessen abgeben. Weit braucht die Bundesregierung also nicht zu schauen, um sich Orientierung zu holen: Mitglieder der EU-Kommission müssen beispielsweise zu allen Finanzanlagen ab 10.000 Euro Angaben machen.
In Frankreich müssen nicht nur Regierungsmitglieder, sondern auch Abgeordnete sehr detaillierte Angaben zu ihrem Vermögen machen.
In den USA gilt seit 2012 der sogenannte STOCK Act (Stop Trading on Congressional Knowledge), der Insiderhandel durch Kongressmitglieder eigentlich unterbinden soll. Abgeordnete und andere hochrangige Entscheidungsträger*innen müssen seit dem alle Börsentransaktionen über 1000 Dollar melden. Aufgrund von unscharfen Definitionen und praktischen Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung wurde allerdings noch nie ein Verstoß gegen das Gesetz festgestellt.
Welche internationalen Standards gibt es?
Die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) hat bereits 2020 die Regelungen für die Bundesregierung mit Blick auf Korruptionsrisiken und Interessenkonflikte unter die Lupe genommen. Hinsichtlich finanzieller Interessenkonflikte hat die Staatengruppe im Ergebnis gefordert, die Transparenz bezüglich der finanziellen Interessen und Beteiligungen an Unternehmen der Bundesminister*innen, der Staatssekretär*innen und der Abteilungsleiter*innen „erheblich“ zu verbessern – und zwar über die Regeln für Mitglieder des Bundestages hinaus. Deutschland solle zudem in Erwägung ziehen, Familienangehörige in die Angaben mit aufzunehmen und diese einer angemessenen Überprüfung zu unterziehen.
Deutschland wies diese Forderung damals mit dem Argument zurück, dies sei verfassungsrechtlich hierzulande nicht möglich. Die Staatengruppe entgegnete dem, dass a) auch von Bundestagsabgeordneten einige Angaben verlangt werden und b) andere Länder durchaus „angemessene Lösungen gefunden haben, die mit ihrem jeweiligen Verfassungsrecht im Einklang stehen“. Aktuell läuft noch ein sogenanntes Non-Compliance-Verfahren der Staatengruppe gegen Deutschland, weil es die Empfehlung nach wie vor nicht umgesetzt hat.