Parteienfinanzierung

„Rent-a-Sozi“: Kosmetische Korrekturen und Reformvorstöße

Zwischen „Riesen-Scheiße“ und noch mehr Miet-Ministern gibt es erste Vorstöße für eine Gesetzesreform, die Sponsoring endlich transparent und unsauberen Praktiken den Garaus machen könnte. Zwischen vielen Wortmeldungen zum Skandal fällt auf: Die Union schweigt.
von 24. November 2016

Gestern wurde bekannt, dass auch die nordrhein-westfälischen SPD-Minister Garrelt Dujn (Wirtschaft) und Michael Groschek (Verkehr) sowie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller an Sponsor-Gesprächen teilgenommen haben. Und die organisierende Agentur NWMD veränderte im Lauf des Tages ihren Internet-Auftritt: Dort bietet sie weiterhin „Politische Beratung“ an, kürzte aber die Leistungsbeschreibung ein wenig.

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Offenbar will NWMD weiterhin Lobbydienstleistungen anbieten – nur nicht ganz so offensiv wie bisher. Um es noch einmal klar zu machen: parteieigene Lobbyagenturen – das geht gar nicht. Sonst sind Interessenkonflikte schlicht und ergreifend vorprogrammiert. Die SPD muss das gesamte Angebot ihrer Agentur NWMD im Bereich politische Beratung sofort stoppen und alle Informationen über die gesponsorten Vorwärts-Gespräche offenlegen!

Einmal aufräumen reicht nicht!

Die SPD muss auch sicherstellen, dass sich Ähnliches nicht in Zukunft wiederholt. Dabei ist die SPD in einem gewissen Sinne Wiederholungstäterin. Die „vorwärts-Gespräche“ hießen früher „Kamingespräche“ – bis der Spiegel 2010 kritisch darüber berichtete, dass Sponsoren für die Schaltung einer 18.000-Euro-Anzeige in der Parteizeitung „Vorwärts“ eine Einladung zu diesen vertraulichen Unterredungen mit Spitzenpolitikern bekamen. Unsaubere Praktiken wirklich glaubhaft beenden kann die SPD nur, wenn sie eine gesetzliche Regelung auf den Weg bringt, die solche Vorgänge wirksam unterbindet. Das beinhaltet auch, Sponsoring insgesamt transparent zu machen.

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Als erste führende SPD-Politikerin schloss sich Fraktions-Vize Eva Högl unserer Forderung nach einer gesetzlichen Regelung an: „Wir müssen hier noch mal zu viel schärferen Regeln kommen, was das Sponsoring insgesamt angeht – sowohl Gespräche mit Politikern, als auch die Finanzierung von Parteitagen und anderen Parteiveranstaltungen“, sagte sie gestern morgen dem RBB. Der Dortmunder SPD-MdB Marco Bülow äußerte sich ähnlich im heute journal. Der Vorgang befeuere „die Populisten, die sagen, alle Politiker sind korrupt. Wir müssen jetzt vorweggehen, um deutlich zu machen, dass wir andere Gesetze haben wollen, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.“ Richtig gesehen.

Die „Vermieteten“ nehmen Stellung

Die unmittelbar Betroffenen wurden derweil auf Twitter und im Internet in besonderem Maße Zielscheibe der Kritik und auch des Spotts. Auch einige von ihnen meldeten sich gestern erstmals zu Wort. So etwa Katarina Barley, SPD-Generalsekretärin: Niemand habe mit ihr über den finanziellen Hintergrund des vorwärts-Gesprächs gesprochen, an dem sie teilgenommen hatte. Die offengelegte Vermarktungspraxis widerspreche ihrem „sozialdemokratischen Selbstverständnis“. Justiz-Staatssekretär Ulrich Kelber fühlt sich von der Agentur hinters Licht geführt. Ihm sei angesichts der Hintergründe die „Kinnlade runtergeklappt“, das sei „salopp gesagt, Riesen-Scheiße“, sagte er dem „heute-journal“. Seine Bewertung: Ganz egal, ob die Vorgänge formalrechtlich in Ordnung seien oder nicht, seien sie „ein politischer Skandal“, der „harte Konsequenzen“ haben müsse.

Justizminister Maas hatte bereit in dem „Frontal21“-Beitrag zu den Vorgängen Stellung genommen. Er habe nicht gewusst und auch nicht danach gefragt, welche finanziellen und strategischen Hintergründe das mit versteckter Kamera gefilmte Gespräch mit ihm und Unternehmenslobbyisten gehabt habe. Vom Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel war nur indirekt zu hören: Er habe „getobt“. Gabriel hatte nach den ähnlich liegenden CDU-Skandalen „Rent-a-Rüttgers“ und „Rent-a-Tillich“ noch mit breiter Brust verkündet, Vergleichbares käme bei den Sozialdemokraten nicht vor. Irrtum. Aber Gabriel kann jetzt dafür sorgen, dass so etwas nie wieder vorkommt – mit einer gesetzlichen Regelung.

Sind die Dementis glaubhaft?

Man kann natürlich aller Dementis zum Trotz in Zweifel ziehen, dass Maas & Co von den Hintergründen der Lobbygespräche nichts wussten. Man kann ihnen aber auch glauben. Was sagt es allerdings über die politische Realität aus, wenn Politiker nicht wissen und nicht einmal mehr danach fragen, wer ihr Erscheinen bei einem Termin mit lauter Vertretern großer Unternehmen und Wirtschaftsverbände organisiert, was der Zweck der Veranstaltung ist und wer für den ganzen Spaß bezahlt? Einerseits zeigt sich darin ein naives Vertrauen, dass irgendwer – „Mutter Partei“, die Ministerialbürokratie oder der liebe Gott – schon darauf achtet, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Andererseits demonstriert es auch schlicht die Gewöhnung daran, dass das politische Berlin von Lobbyisten wenn nicht dominiert, so doch überall dauerbelagert wird. Sponsoring ist eben ein „nicht unübliches Verfahren“, wie Ulrich Kelber formuliert.

Die Politiker sollten sich daran erinnern, dass Sponsoring zu solch allgegenwärtiger „Üblichkeit“ wurde, weil es für finanzstarke Lobbyakteure eine attraktive Alternative zu Spenden darstellt: es ist steuerlich absetzbar, gewährleistet Anonymität, ermöglicht den Kontakt mit Entscheidungsträgern in verschiedener Weise und ist in keiner Weise reguliert. Geldmittel, die von knallhart kalkulierenden Unternehmen an Parteien verteilt werden, sind keine altruistischen Gaben – sondern dienen dazu, partikularen Interessen ein besseres Image und besondere Durchschlagskraft zu verleihen.

Und was ist eigentlich mit der Union los?

Auch andere Parteien äußerten sich zum Skandal. Klaus Ernst, Fraktions-Vize der Linken, sagte im ZDF, es müssten jetzt Regelungen beschlossen werden, „die dafür sorgen, dass so was auch künftig nicht möglich ist und eindeutig nicht möglich ist“. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, forderte auf Twitter, Sponsoring ebenso transparent zu machen wie Parteispenden. Sie erinnerte daran, dass Union und SPD zuletzt 2015 Vorstöße dorthin blockiert hatten. Zudem wies sie darauf hin, dass die Grünen die Sponsorzahlungen anlässlich ihrer Parteitage offenlegen. Pikanterweise lag 2015 die INGDiba, die das Maas-Treffen gesponsort hatte, auch bei den Grünen finanziell vorn: mit 11.566,80 Euro für einen 36-Quadratmeter-Stand versuchte sich die Bank bei den Delegierten beliebt zu machen.

Die Regierungsparteien CDU und CSU halten sich derweil auffällig bedeckt. Weder springen sie dem Koalitionspartner bei, noch nutzen sie die Gelegenheit, sich im beginnenden Wahlkampf mit Kritik an der Konkurrenz und politischen Vorschlägen zu profilieren. Möchte die Union nicht auf sich aufmerksam machen – etwa um keine schlafenden Hunde zu wecken, die auch bei ihr ähnliche Vorgänge wittern könnten? Wir bleiben dran.

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