Recherchen aus 15 Jahren LobbyControl
Um verdeckte oder unausgewogene Einflussnahme sichtbar zu machen, recherchieren wir ausführlich. Über die Jahre konnten wir so immer wieder Verstrickungen ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Manche Fälle sorgten für besonders viel Aufregung – und damit für starken öffentlichen Druck, etwas zu verändern. Hier ein Überblick über einige prägende Recherchen und Studien aus 15 Jahren LobbyControl:
2006: Verdeckte Meinungsmache in Talkshow von Sabine Christiansen
Mit unserer Studie zur Talkshow „Sabine Christiansen“ konnten wir ein Jahr nach Gründung großes Medienecho erzielen. Hauptkritikpunkte der Studie waren das elitäre und einseitige Gästespektrum, die einseitige Themenwahl und die neoliberale Schlagseite der Sendung. Die Studie machte deutlich, dass die Sendung in der damaligen Form dem Bildungs- und Informationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht gerecht wurde. Wir forderten insbesondere, die Verzerrung des Themenspektrums sowie die Intransparenz der Interessenverflechtungen der Gäste zu beenden.
2007: Greenwashing und Klimawandel
Schon 2007 wurde die Klimadebatte in der Gesellschaft breit diskutiert. Doch Unternehmen versuchten, sich lieber ein grünes Image zu geben, um den Druck für schärfere Maßnahmen zu reduzieren als echte Veränderungen anzustoßen. Unsere Studie Greenwash in Zeiten des Klimawandels zeigte diese irreführenden Methoden der Konzerne auf, mit denen ein grüner Deckmantel über klimaschädliche Geschäftsmodelle gelegt wurde. Veränderung und echten Klimaschutz bewirkten solchen Maßnahmen nicht. Die Methoden von damals setzen sich fort, noch immer wird wirksamer Klimaschutz ausgebremst, verwässert oder ganz blockiert.
2009: Deutsche Bahn-Skandal
Ein Paukenschlag im Jahr 2009 war die Aufdeckung des Bahn-Skandals: Wir konnten der Deutsche Bahn AG nachweisen, dass sie die Öffentlichkeit manipulierte, um die umstrittene geplante Privatisierung durchzusetzen. Für über 1,5 Millionen Euro hatte sie verdeckte Meinungsmache bei einer Lobby-Agentur in Auftrag gegeben. Die Agentur und Denkfabrik Berlinpolis mischte sich daraufhin mit Umfragen, Meinungsbeiträgen in Zeitungen, Leserbriefen und Blogeinträgen z.B. auf Spiegel-Online in die Privatisierungsdebatte ein. Es gab sogar eine fingierte Bürgerinitiative pro Bahnprivatisierung. Unsere Enthüllung schlug hohe Wellen, die Bahn entließ noch am selben Tag ihren PR-Chef.
2010: Lobbypedia – Online-Lexikon zum Thema Lobbyismus
Seit 5 Jahren arbeitete LobbyControl daran, Lobbyarbeit sichtbar zu machen, recherchierte zum Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit und den verdeckten Methoden. Um das gesammelte Wissen unserer Recherchen leicht zugänglich zu machen und mit der Öffentlichkeit zu teilen, starteten wir die Lobbypedia, ein Online-Lexikon mit Wissen, Daten, Fakten und Zusammenhängen über die Arbeit von Lobbyisten, aktuelle Fälle und Informationen über wichtige Akteure und Lobbyregulierung. 2012 gewannen wir dafür außerdem den Grimme Online Award.
2011: Lobbykratie-Medaille für undemokratische Lobbyarbeit
Nach zwei Monaten Recherche stellten wir die Kandidaten zur Abstimmung. Die Deutsche Bank und Josef Ackermann waren die ersten Gewinner der Lobbykratie-Medaille. Nominiert waren sie, weil sie über einen privilegierten Zugang zur Politik die günstigen Konditionen für die Finanzbranche bei der Griechenland-Rettung prägten und sich zugleich nach außen irreführend als hart getroffen darstellten.
2013: Lobbyismus an Schulen
Mit der Studie Lobbyismus an Schulen deckten wir 2013 das erschreckende Ausmaß der Einflussnahme von Wirtschaftsunternehmen auf Schülerinnen und Schüler auf. Damit werfen wir ein Schlaglicht auf ein bisher kaum bekanntes Problem. Mit Erfolg: 2015 beendete das Land Niedersachsen eine Kooperation mit dem Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG), von dem sich die WEG und Konzerne wie Exxon Mobil unter anderem eine „Verbesserung der Reputation der Branche“ versprachen. 2016 verboten die meisten Bundesländer einen von uns kritisierten Amazon-Lesewettbewerb. Und im gleichen Jahr diskutierte auch der Bundestag erstmals in seiner Geschichte über das Thema Lobbyismus an Schulen.
2016: Reichtum und Einfluss sichtbar machen
In diesem Jahr hatten wir am Beraterkreis zum Armuts- und Reichtumsbericht teilgenommen, denn dort sollten auch das Thema „politische Macht von Reichen“ behandelt werden. Umso empörter waren wir, als große Teile zu diesem Thema aus der ursprünglichen Version des Berichts gestrichen wurden – ebenso ein ganzes Kapitel zum Thema Lobbyismus. Unsere Recherchen zu den Streichungen schlugen hohe Wellen – am Ende mit Erfolg: große Teile wurden in die finale Version des Berichts wieder aufgenommen, das Thema „Reichtum und Einfluss“ wurde nun u.a. aus lobbykritischer Perspektive in einem Regierungsbericht beleuchtet.
2016: TTIP
Konzerne beeinflussen Gesetzesvorhaben, noch bevor Parlamente sie überhaupt zu Gesicht bekommen. Das sollte über die umstrittenen Handelsabkommen CETA und TTIP dauerhaft festgeschrieben werden. Auf diesen bis dato weithin unbekannten Fakt wiesen wir mit unserer Studie zur regulatorischer Kooperation beim Handelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU hin. Wir führten eine Speakers-Tour durch sechs europäische Städte und beteiligten uns außerdem an den Protesten gegen TTIP und CETA, Zehntausende mobilisierte das Thema, was dazu führte, dass CETA und TTIP nicht wie geplant durchgesetzt werden konnten.
2017: Parteispenden transparent machen
Parteispenden sind ein beliebtes Lobbyinstrument. Doch auch wenn Parteien darüber öffentliche Rechenschaft ablegen müssen, ist die Recherche nur mit mühseliger Kleinstarbeit möglich. Diese technische Barriere verschleiert, welche Großspender über viele Jahre Parteien mit hohen Beträgen fördern. Deshalb begaben wir uns auf Spurensuche, um alle Großspenden seit dem Jahr 2000 zusammenzutragen. Herausgekommen ist eine umfassende Parteispenden Datenbank, die wir in unser Online-Lexikon Lobbypedia integriert haben. Alle Bürgerinnen und Bürger, Journalisten oder Forscher können diese Daten nun mit wenigen Klicks durchsuchen.
2017: PR für autokratische Regime
2017 recherchierten wir ausführlich zu dem Skandal um die CDU-Bundestagsabgeordnete und Europaratsmitglied Karin Strenz. Strenz bekam Geld von einer Firma, die Lobbyarbeit für das umstrittene Regime in Aserbaidschan leistete. Besonders fragwürdig dabei: Strenz trat immer wieder als Fürsprecherin des Regimes auf. Ihre Verbindungen zu der Lobbyfirma hatte Strenz zudem nicht ordnungsgemäß angezeigt.
2018: Illegale Wahlkampfhilfen für die AfD
Nicht alle Gelder, die an Parteien fließen, sind sichtbar: dazu gehören illegale Wahlkampfhilfen. Schon seit 2016 recherchierten wir zu den verdeckten Spenden an die AfD über einen Briefkasten-Verein. 2018 brachten neue Enthüllungen durch Journalisten das Thema erneut in die Öffentlichkeit. Die finanziellen Dimensionen der AfD-Affäre sind inzwischen vergleichbar mit den schwarzen Kassen von Helmut Kohl. Für uns ist das ein Anlass, mit unserer Online-Petition „Verdeckte Wahlbeeinflussung stoppen“ den Druck auf die Politik zu verstärken. Wir fordern: gesetzliche Schlupflöcher schließen und private Geldflüsse deckeln!
2019: Monsanto: Lobbyismus und Wissenschaft
Eine Recherche zu intransparenten Verflechtung zwischen Wissenschaft und der Agrarindustrie nahm eine unerwartete Wendung. Nach monatelanger Recherche konnten wir die unethischen Methoden des Konzerns Monsanto in der Diskussion um das Pflanzengift Glyphosat aufdecken. Der Konzern, Hersteller von Saatgut und Pflanzengiften, verschleierte seine Beteiligung an wissenschaftlichen Studien, um die Debatte über die Glyphosat-Zulassung zu beeinflussen. Als Kronzeugen diente ein Professor, der mit seinem Titel den Lobby-Botschaften mehr Glaubwürdigkeit verlieh. Eine Fachjournal zog deshalb zwei Aufsätze zurück, Bayer kündigte mehr Transparenz bei kommenden Studien an.
2020: Googles Lobbynetzwerke
Dieses Jahr haben wir vermehrt die großen Digitalkonzerne in den Blick genommen. Die Lobbyausgaben von Google, Amazon, Microsoft, Facebook und Apple in Europa steigen. Darin spiegelt sich die wachsende Rolle und Macht der Branche. Unsere Recherchen zeigten allerdings, dass die Digitalkonzerne in Brüssel oft intransparent vorgehen. Nach unserer Beschwerde, die wir daraufhin formulierten, besserten die Konzerne ihre Angaben im EU-Lobbyregister nach. Ein erster Schritt zu mehr Transparenz, doch die aggressiven Taktiken setzen sich fort. Wir bleiben dran...
Endlich ein Lobbyregister für Deutschland? Wir setzen uns seit 15 Jahren dafür ein, hier können Sie sehen, welche Zwischenerfolge und Rückschläge es bis hierhin gab.
Die Geschichten waren Ihnen alle bekannt? Sie wollen testen, was Sie schon wissen? Hier geht's zum Jubiläums-Quiz: