Aus der Lobbywelt

Wer dreht am Rad der Politik?

„Wer dreht am Rad der Politik? – Über Zustand und Zukunft von Lobbyismus und Politikberatung“ diskutierten am Mittwoch Lobbyisten, PR- und Unternehmensberater, Politiker, Journalisten und Wissenschaftler bei einer Tagung der Berlin Media Professional School der Freien Universität Berlin und des Deutschlandradios Kultur. Am Samstag von 22:30 bis 23:00 wird gibt es im Deutschlandradio dazu einige […]
von 19. Januar 2007

„Wer dreht am Rad der Politik? – Über Zustand und Zukunft von Lobbyismus und Politikberatung“ diskutierten am Mittwoch Lobbyisten, PR- und Unternehmensberater, Politiker, Journalisten und Wissenschaftler bei einer Tagung der Berlin Media Professional School der Freien Universität Berlin und des Deutschlandradios Kultur. Am Samstag von 22:30 bis 23:00 wird gibt es im Deutschlandradio dazu einige Auszüge, das Tagungsprogramm findet sich hier (pdf). Hier ein paar eigene Beobachtungen und Kommentare:

Politik brauche Beratung
Es gab einen breiten Konsens, dass Politik „Beratung brauche“ und dass die Politik immer komplexer geworden sei. Das klingt natürlich besser, als zu sagen, dass man seine eigenen Interessen durchsetzen will. Nur einzelne Stimmen hinterfragten diese Annahmen, die als Einfallstor für Lobbyisten und Berater dienen. Claus Leggewie (Universität Gießen) erinnerte an die zahlreichen Fälle von Unternehmensversagen der letzten Jahre und stellte in Frage, ob tatsächlich auf Seiten der Unternehmen und Berater immer das bessere Wissen vorhanden ist (siehe Interview im Deutschlandradio). Außerdem sei „komplex“ ein Plastikwort, woran werde das denn gemessen?

Auch Albrecht Müller (Nachdenkseiten, ehemals Bundeskanzleramt) argumentierte, dass die Politik sich auf ihre eigenen Stärken besinnen solle. Michael Rogowski, ehemaliger BDI-Präsident, merkte kurz an, dass die Komplexität der Politik auch mit dem Einfluss der Lobbies zu tun haben könnte, die als Partikularinteressen stärker ihre Sonderinteressen und Sonderfälle in die Gesetze einbrächten. Es wurde auch darauf verwiesen, dass die Ministerialbürokratie heute kleiner sei als noch vor der Wiedervereinigung. (Vielleicht sollte man mal über folgende Wirkungskette nachzudenken: „Schlanker Staat“ > mehr Einfluss für Partikularinteressen > mehr Komplexität und letztlich wieder mehr Bürokratie.)

Lippenbekenntnisse für Transparenz
Verbal waren alle für mehr Transparenz. Allerdings muss man dies eher als Lippenbekenntnisse einschätzen. Denn mit diesem verbalen Bekenntnis wurden keine konkrete Vorschläge verbunden, wie man das erreichen könnte. Unsere Erfahrungen im europäischen Kontext zeigen, dass sich die meisten Lobbyisten in der Realität vehement gegen verstärkte Transparenzanforderungen wehren.

In Deutschland klagen Bundestagsabgeordnete gegen (leicht) verschärfte Transparenzanforderungen – unter ihnen Friedrich Merz (CDU). Aber Merz verstieg sich in seiner Rede zu der Aussage, dass Deutschland eines der transparentesten Länder sei und dass man nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch wissen werde, wie weit die Transparenz bei Abgeordneten gehen solle. Das ist dreistes Spindoktoring angesichts seiner eigenen Klage – und obendrein falsch. Es gibt in Deutschland z.B. keine Pflicht, dass Lobbyisten ihre Auftraggeber offen legen müssen wie in den USA, Kanada oder einigen osteuropäischen Ländern. Und wenn es nach Merz ginge, würden die Bürgerinnen und Bürger auch über die Nebentätigkeiten der Abgeordneten nicht umfassend informiert. Die Äußerungen Merz‘ und die anderen Lippenbekenntnisse zeigten bei genauerer Betrachtung, wie wenig ernsthaftes Bemühen um Transparenz es innerhalb von Politik und Lobbyismus gibt. Es wird also stärkeren Drucks von außen bedürfen.

Geringe Kritikfähigkeit
Insgesamt ließen die Statements von Lobbyisten, PR- und Unternehmensberatern wenig Kritikfähigkeit erkennen. Im Umgang mit Kritik am „real existierenden Lobbyismus“ gab es zwei Reflexe: erstens den Rückgriff auf die rein abstrakte Ebene, dass Politik Beratung brauche und Lobbyismus legitim sei und zweitens die Abwehr der Kritik als Schwarzmalerei. Leggewie sprach angesichts dieser Kritikunfähigkeit auch von einem „Stoiber-Syndrom“ im Saal (da war er noch nicht zurückgetreten…).

Diskussion über Denkfabriken
Am Nachmittag kam es zu einer Diskussion über die Rolle von Denkfabriken zwischen Max A. Höfer, einem der Geschäftsführer der Arbeitgeber-„Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) und Claus Leggewie. Während Höfer selbst mehr Denkfabriken (Think Tanks) wie in den USA als wünschenswert sah, wies Leggewie dies zurück. Amerikanische Denkfabriken seien kein Vorbild: ihnen ginge es um „persuasion“, um Propaganda im klassischen Sinn. Stattdessen setzte sich Leggewie für mehr „Gesellschaftsberatung“ ein, also mehr selbstreflexive Diskussionen in der Gesellschaft selbt. Die Bürger müssten von vornherein einbezogen werden müssen und zwar ernsthaft, nicht nur um Akzeptanz zu beschaffen. Er kritisierte das Öffentlichkeitsbild der INSM: für diese sei die Öffentlichkeit nur ein passiver Resonanzboden für ihre Propaganda.

Höfer blieb bei seiner Zielvorstellung von mehr Ideenagenturen, die nicht parteipolitisch zugeordnet und nicht direkt von Interessen geleitet seien. Für die INSM nahm er in Anspruch, kein Interessenverband zu sein und mit den zentralen Interessen von Gesamtmetall nichts zu tun zu haben. Diese Position ist aber absurd – nicht nur angesichts der 10 Mio. Euro, die die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie für die INSM pro Jahr aufwenden, sondern auch angesichts der inhaltlichen Positionen der INSM. Sie zielt klar darauf ab, ein für die Arbeitgeber günstiges Meinungsumfeld zu schaffen. Erst auf Nachfragen relativierte Höfer seine Aussagen: es gebe keine völlige Unabhängigkeit, aber eine relative Unabhängigkeit. Richard Gaul, Leiter Konzernkommunikation und Politik bei BMW, unterstützte Höfer: das Sprichwort „wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ stimme eben nicht.

Die Diskussion zeigte, dass es insgesamt zu wenig Sensibilität für die strategische und langfristige Beeinflussung der öffentlichen Meinung und von Fachdiskursen und Wissenschaft gibt, also für das was in der internationalen Debatte auch „deep lobbying“ genannt wird. Das zeigte sich auch, als Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, den Einsatz des Bankenverbandes für die ökonomische Bildung in den Schulen als Leistung des Verbandes für die Gesellschaft im Sinne von „good corporate citizenship“ darstellte. Dabei stehen dahinter natürlich auch interessengeleitete Motive, nämlich zukünftige Kunden und die öffentliche Meinung langfristig im eigenen Sinn zu prägen.

Soweit ein paar Eindrücke, die natürlich nur Ausschnitte wiedergeben. Man hätte sich an mehr Stellen kontroverse Diskussionen über konkrete Entwicklungen des Lobbyismus gewünscht. Leider verfing sich die Tagung an anderen Stellen in wenig zielführenden Diskussionen über vermeintliche Gegensätze zwischen Unternehmens- und Verbandslobbyisten oder Lobbyarbeit in Berlin oder Brüssel. Letztlich lief es in beiden Fällen auf ein „Sowohl-als auch“ hinaus, mit leicht unterschiedlichen Gewichtungen durch verschiedene Redner. Dafür kamen andere Trends wie „Grassroots Lobbying“ nicht vor.

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