Kurzmeldung

Nachgefragt: Finanzministerium und Stiftung Marktwirtschaft

LobbyControl versucht weiterhin, vom Bundesfinanzministerium Aufklärung über die Rolle der Stiftung Marktwirtschaft bei der Erarbeitung der Unternehmenssteuerreform zu erhalten. Bereits Ende Januar hatte LobbyControl einen entsprechenden Brief mit mehreren Fragen geschrieben. Ende Juni haben wir nach mehrmaligem Nachhaken endlich eine Antwort erhalten. Allerdings war das Schreiben kurz und ging auf wesentliche Aspekte nicht ein.
von 6. Juli 2006

LobbyControl versucht weiterhin, vom Bundesfinanzministerium Aufklärung über die Rolle der Stiftung Marktwirtschaft bei der Erarbeitung der Unternehmenssteuerreform zu erhalten. Bereits Ende Januar hatte LobbyControl einen entsprechenden Brief mit mehreren Fragen geschrieben. Ende Juni haben wir nach mehrmaligem Nachhaken endlich eine Antwort erhalten. Allerdings war das Schreiben kurz und ging auf wesentliche Aspekte nicht ein.

Zur Rolle der Stiftung Marktwirtschaft hieß es:

„Mitarbeiter des Bundesministeriums der Finanzen haben weder im politischen Beirat noch in der Lenkungsgruppe der Stiftung Marktwirtschaft mitgearbeitet. Es haben allerdings Gespräche und Diskussionen auf Fachebene stattgefunden, in denen mit Vertretern der Stiftung über die Konzepte diskutiert wurde.“

Der politische Beirat und die Lenkungsgruppe der Kommission Steuergesetzbuch werden auf der Webseite der Stiftung Marktwirtschaft namentlich vorgestellt. Insofern bietet diese Antwort nichts neues. Aber die Kommission besteht natürlich nicht nur aus diesen beiden Gremien, sondern auch aus den Sitzungen der gesamten Kommission selbst. Wir haben jetzt noch mal gefragt, ob Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen des Ministeriums regelmäßig an diesen Sitzungen teilgenommen haben. Außerdem nach weiteren Informationen über die Gespräche auf Fachebene.

Zu der Frage nach der Beteiligung anderer Perspektiven und Organisationen bei der Erarbeitung der Unternehmenssteuerreform schrieb das Ministerium:

„Das Bundesministeriums der Finanzen hat in den letzten Monaten mehrfach erläutert, dass es einen eigenen Vorschlag zu einer Unternehmenssteuerreform vorbereitet. Dabei wird neben den Überlegungen der Stiftung Marktwirtschaft eine Vielzahl von Konzepten und Überlegungen geprüft und bewertet.“

Namentlich genannt wird aber nur der Sachverständigenrat. Deswegen haben wir auch hier nachgefragt. Ebenso bei der komplett unbeantworteten Frage, wie das Bundesfinanzministerium die politischen und finanziellen Hintergründe der Kommission Steuergesetzbuch der Stiftung Marktwirtschaft einschätzt. Die Finanzierung der Stiftung Marktwirtschaft ist nicht transparent. Vermutlich spielen Großunternehmen eine zentrale Rolle dabei. Das deuten zumindest die Besetzung des Stiftungsrats und des Kuratoriums der Stiftung Marktwirtschaft und die Verbindungen ihrer Mitglieder zu Unternehmen wie Altana, der Haniel Gruppe, der Deutschen Bank oder Privatbanken an.

Das Informationsverhalten des Bundesfinanzministerium in dieser Frage ist sehr dürftig. Dabei ist es aus unserer Sicht von zentraler Bedeutung für die Demokratie, dass verschiedene Interessen und wirtschaftspolitische Positionen an Entscheidungsverfahren beteiligt werden und dass die Rolle von Interessengruppen bei politischen Entscheidungsprozessen für die Bürgerinnen und Bürger transparent gemacht wird. Sonst ist keine wirkliche Zuordnung politischer Verantwortung für einzelne Entscheidungen möglich.

* Anlass für den Brief im Januar war die Rede von Finanzminister Peer Steinbrück bei der IHK Frankfurt am Main, in der er einerseits den Lobbyismus kritisierte, aber zugleich ankündigte, sich bei der Erarbeitung der Unternehmenssteuerreform neben dem Sachverständigenrat auf die Stiftung Marktwirtschaft zu beziehen. Dabei dient auch eine Denkfabrik wie die Stiftung Marktwirtschaft der gezielten Beeinflussung der Politik (siehe genauer in unserem Brief, pdf).

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1 Kommentare

Klaus Müller15. August 2006 um 14:20

Diese Art, staatliche Institutionen methodisch für Kapitalinteressen zu funktionalisieren („State Capture“ lautet der Fachbegriff), greift um sich. In der Börsenzeitung vom 3. August, „Experten brandmarken Zinsbesteuerung bei Unternehmen“) heißt es zum „Institut Finanzen und Steuern (IFSt)“: „Das Institut wird zwar weitgehend von der Wirtschaft getragen, gilt aber als äußerst renomiert … Die Bundesfinanzminister der verschiedenen Regierungen haben dort regelmäßig als Gastredner zur Verfügung gestanden, und zumindest in früheren Zeiten fanden die Leiter der Steuerabteilungen nach ihrem altersbedingten Ausscheiden aus dem Ministerium im IFst-Vorstand eine neues Betätigungsfeld.“ Was soll man von solchen Politikern und Beamten erwarten?