Kurzmeldung

Merkel soll Mitarbeit von Lobbyisten in Ministerien beenden

Wir haben Bundeskanzlerin Merkel in einem offenen Brief aufgefordert, die Beschäftigung von Lobbyisten in den Bundesministerien zu beenden und alle Informationen über die bisherige Mitarbeit externer Mitarbeiter in den Ministerien offen zu legen. Jüngste Anfragen beim Gesundheitsministerium zeigen, dass die Bundesregierung weiter auf Intransparenz setzt und keine Konsequenzen aus den öffentlichen Kritik an der Mitarbeit […]
von 21. August 2007

Wir haben Bundeskanzlerin Merkel in einem offenen Brief aufgefordert, die Beschäftigung von Lobbyisten in den Bundesministerien zu beenden und alle Informationen über die bisherige Mitarbeit externer Mitarbeiter in den Ministerien offen zu legen. Jüngste Anfragen beim Gesundheitsministerium zeigen, dass die Bundesregierung weiter auf Intransparenz setzt und keine Konsequenzen aus den öffentlichen Kritik an der Mitarbeit von Lobbyisten in den Ministerien zieht.

Neuer Fall: Bertelsmann-Stiftung
LobbyControl hatte versucht, vom Bundesgesundheitsministerium eine Aussage zu einer Mitarbeiterin des „Internationalen Netzwerk Gesundheitspolitik“ der Bertelsmann-Stiftung zu bekommen, die derzeit an das Gesundheitsministerium entliehen ist. Das Ministerium verweigerte dazu jede Auskunft, da man sich zu internen Personalien nicht äußere. Diese Blockadehaltung ist inakzeptabel: Die Mitarbeit von externen Akteuren in den Ministerien ist mehr als eine interne Personalie. Hier geht es um privilegierten Einblick und Einfluss für einzelne gesellschaftliche Interessen. Die Haltung des Gesundheitsministeriums zeigt, dass die Regierung nichts aus der öffentlichen Kritik an dieser Praxis gelernt hat.

Die Bertelsmann-Stiftung hat demgegenüber die Entleihung der Mitarbeiterin bestätigt. Sie habe im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft „bei der Vorbereitung und Durchführung von Fachveranstaltungen mitgearbeitet“. Die Bundesregierung wäre hier gefordert, für Aufklärung zu sorgen. Denn die Bertelsmann-Stiftung ist kein neutraler Akteur. Sie hat ein klare politische Linie: mehr Wettbewerb, Ökonomisierung und Privatisierung.

Weitere Informationen zu dem Fall finden Sie hier in unserer Datenbank zu Lobbyisten in Ministerien.

Der offene Brief (pdf) steht hier.

Hintergrund
Im Oktober 2006 hatte das Fernsehmagazin Monitor aufgedeckt, dass in vielen Ministerien externe Mitarbeiter beschäftigt sind oder waren, die größtenteils aus großen Unternehmen stammen und von diesen weiter bezahlt werden. Über 100 Fälle sind bekannt – allerdings oft fehlen oft Informationen, an welchen Themen und Projekten die externen Mitarbeiter in den Ministerien gearbeitet haben.

LobbyControl präsentierte Ende Juli eine Datenbank, die die Informationen zu den bisher bekannten Fällen bündelt. Diese Datenbank wird laufend um neue Informationen und Fälle ergänzt – wie den neuen Fall der Bertelsmann-Stiftung. Sie findet sich online unter www.keine-lobbyisten-in-ministerien.de.

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5 Kommentare

Jochen Hoff21. August 2007 um 12:44

Der Scherz ist gut. Sagt doch dem Sturm, er solle aufhören zu blasen. Angela Merkel steht doch genau für dieses korrupte System, sonst hätte sie schon den Bundestagspräsidenten aus der CDU geworfen als der gegen geltendes Recht verstieß.

Da nützen leider keine Briefe was. Aber danke das ihr es versucht.

E. Cinque22. August 2007 um 14:30

Hintergrund:
Mir scheint ihr geht den Weg den die meisten kritisch- (links-) demokratisch orientierten Gruppen gehen. Ihr seht überall Gespenster. Die Gefahr von «Paranoia» ist permanent.
Richtig ist, dass der Staatsapparat mit seiner Regierung und Verwaltungsorganen etc. einer demokratischen Kontrolle unterliegen muss. Das Parlament, als gesetzgebende Gewalt, wird und soll durch die Wahl der Abgeordneten einer solchen basisdemokratischen Kontrolle unterzogen. Die Regierung, als ausführendes Organ (Exekutive), mit ihren Ministerien und Verwaltung, hat die bestehenden Gesetze und Verordnungen anzuwenden. Sie soll durchs Parlament, seine Ausschüsse und die Öffentlichkeit einerseits und ev. durch die Gerichte andererseits kontrolliert werden.
Soweit so gut – in der Theorie.
Wichtig für die Gesetzgebung (Legislative) ist der Prozess der Entscheidungsfindung – und hier kommen die Lobbyisten ins Spiel. Sie sind Teil der gesellschaftlichen Akteure. Ob als Konsument, Gewerkschafter, Fabrikant, Händler, Professor oder Dienstleister, ein jeder muss seinen Teil zur Meinungsbildung beitragen. Dafür sind in erster Linie die entsprechenden Marktteilnehmer selbst, in zweiter die Medien verantwortlich. Wichtig ist dabei nicht nur die offene und öffentliche Diskussion, sondern auch die Teilnahme an den Wahlen und Abstimmungen, soweit sie vorgesehen sind, um so seine Meinung demokratisch ins politische Verfahren einzubringen. Mit eurem Engagement und Webseite nehmt ihr somit Teil eurer Verantwortung war.
Dazu gehört ebenso die Wahrhaftigkeit. Teile der Wahrhaftigkeit können aber auch die Argumente der Gegenparteien sein. Diese zu unterschlagen, ist als Partei zwar legitim, im Prozess der Meinungsbildung aber ein gefährliches Spiel, gilt es doch den bestmöglichen Konsens unter den Teilnehmer zu finden, der für das definierte Bezugsfeld gelten soll.
Mit dem gemeinsamem Austausch von Mitarbeitern aus der Verwaltung und aus der Wirtschaft eröffnen sich beiden Seiten gegenseitige Blickfelder vom anderen Elfenbeinturm aus, die ihnen sonst nur schwer zugänglich wären. Die gegenseitige Erfahrung der Abläufe und implizierten Hintergründe von Verwaltung und Betriebswirtschaft ist wichtig um ohne Vorurteile und Nachteile miteinender zu wirtschaften.
Es gibt dazu verschiedene Möglichkeiten diesen politischen Prozess zu vollziehen. Bei uns in der Schweiz werden oft schon die Ideen, spätestens aber die Gesetzesentwürfe, in die so genannte «Vernehmlassung» an die interessierten und betroffenen Parteien geschickt, damit der Elfenbeinturm schon gar nicht entsteht und die Departementsbeamten (Ministerialbeamten) die Bodenhaftung nicht verlieren, auf dem sich die Wirtschaftenden bewegen müssen. Trotzdem lobbyieren die Wirtschaftsverbände auch bei uns was das Zeug hält. Unsere (Miliz-) Parlamentarier haben
daher auch ihre Interessensbindungen bekannt zu geben. Ich kann eure Forderung an BK Merkel nur soweit gutheißen, als ihr euch für Öffentlichkeit stark macht. Dass gegenseitig Fachleute ausgetauscht werden ist wohl eher zu beidseitigem Nutzen.

Martin Betzwieser22. August 2007 um 17:53

Dieser Vorwurf im offenen Brief ist besonders raffiniert: „Durch den Einblick in interne Abläufe, Kenntnisse vertraulicher Themen und das Knüpfen persönlicher Kontakte entstehen den entsendenden Unternehmen außerdem Vorteile, die weit über die konkrete Tätigkeit im Ministerium hinaus reichen. … Allerdings hat die Bundesregierung keine konkreten Schritte unternommen, um diesen einseitigen Zugang für spezifische (Wirtschafts)Interessen zu beenden.“ Das sind ja genau genommen Vorgänge, die den oft und gerne geforderten „fairen und freien Wettbewerb“ stören und so niemals hingenommen werden dürften.

U. Müller23. August 2007 um 15:06

Lieber E. Cinque,

wir sehen keine Gespenster, unsere Kritik basiert auf Fakten und realistischer Analyse. Die Mitarbeit von Lobbyisten in den Ministerien bevorzugt die entsendenden Unternehmen und Verbände. Das sind fast durchweg Großunternehmen und Wirtschaftsverbände. Man findet Pharmakonzerne, aber keine Patientenorganisationen, Chemie-Unternehmen, aber keine Umweltschützer, Banken und Investmentbranche, aber keine Verbraucherorganisationen usw. Die Gewerkschaften sind zweimal vertreten – bei über hundert Fällen. Das ist kein Zufall.

Diese Art der Verflechtung begünstigt finanzstarke Akteure gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen und ist deshalb nicht akzeptabel. Wie wir in dem offenen Brief an Merkel geschrieben haben: „Der Austausch zwischen Regierung und Gesellschaft ist sinnvoll, aber er kann nicht durch die einseitige Entsendung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Unternehmen und (Wirtschafts)Verbänden in die Ministerien erfolgen.“

Dementsprechend fordern wir transparente und demokratische Wege zu externem Sachverstand anstelle der organisierten Verflechtung von Bundesregierung und Wirtschaft. Wir sind nicht für eine Elfenbeinturm-Politik, sondern vielmehr für eine stärkere Rolle der Bürgerinnen und Bürger.

Sie skizzieren in Ihrem Kommentar ein weitverbreitetes pluralistisches Idealbild. Die Realität sieht aber anders aus: dort gibt es enorme Machtungleichheiten und Ressourcenunterschiede zwischen verschiedenen Interessen. Die Politik sollte dem entgegenwirken, statt die Ungleichgewichte durch Verflechtungen wie die Mitarbeit von Lobbyisten in den Ministerien zu verschärfen.

Helga Müller24. August 2007 um 17:44

Ich finde den Brief an die Bundeskanzlerin sachlich und wichtig. Für mich besteht ein großes Problem darin, daß die Politik will, daß alle Menschen in die Krankenversicherung einzahlen, andererseits werden aber immer mehr Gesundheitseinrichtungen privatisiert. Und wenn der Mensch tot ist möchten viele Transplantationsärzte ( Eckkehart Nagel aus Bayreuth) natürlich noch die Organe verpflanzen.
Offensichtlich schreit das Wirtschaftssystem überall nach der totalen Verwertung des Menschen.
Es wurde meines Wissens nirgend diskutiert, ob vereinzelt Menschen sich diesem Verwertungssystem konsequent entziehen wollen. Das hat doch eine Ursache.
Interessant ist der Mensch im Gesundheitsunwesen nur als Konsument und Spender.
Ihre Anfrage an die Frau Merkel ist auf jeden Fall wichtig.
Die Bundesärztekammer mit dem Herrn Hoppe ist meiner Meinung nach auch eine gute Einrichtung, die sich auch schon kritisch gegenüber politischen Entscheidungen ( Gesundheitsreform) geäußert hat.
Freundliche Grüße