Kurzmeldung

Meinhard Miegel und „Die ewige Rentenlüge“

Heute Abend um 19.15 Uhr wiederholt Phoenix den Beitrag „Die ewige Rentenlüge“. Die BR-Dokumentation von Joachim Schröder lief bereits Anfang Mai im Bayrischen Fernsehen und und Anfang Juni dreimal zweimal auf Phoenix. Auf Kritik, dass der Beitrag sich weitgehend auf Meinhard Miegel als Experten stützt und dessen Verbindungen zur Versicherungsbranche nicht offen legt, geht Phoenix […]
von 31. August 2006

Heute Abend um 19.15 Uhr wiederholt Phoenix den Beitrag „Die ewige Rentenlüge“. Die BR-Dokumentation von Joachim Schröder lief bereits Anfang Mai im Bayrischen Fernsehen und und Anfang Juni dreimal zweimal auf Phoenix. Auf Kritik, dass der Beitrag sich weitgehend auf Meinhard Miegel als Experten stützt und dessen Verbindungen zur Versicherungsbranche nicht offen legt, geht Phoenix nicht ein.

Bereits die Ankündigung auf Phoenix zeichnet ein düsteres Bild: „Schon in einigen Jahren muss jeder Erwerbstätige sein Einkommen halbieren, um gleichzeitig einen Rentner zu finanzieren!“. Meinhard Miegel bemängelt in dem Beitrag das staatliche Umlagesystem und preist die Privatvorsorge an. Der Zuschauer erfährt allerdings nicht, dass er wissenschaftlicher Berater des Deutschen Instituts für Altersvorsorge, das von der Deutschen Bank-Gruppe finanziert wird. Außerdem tourt er als Vortragsredner für den Finanzdienstleister MLP.

Auf kritische Zuschriften von Zuschauern reagierten sowohl Phoenix und BR abweisend. Der Phoenix-Zuschauerdienst schreibt: „Herr Miegel äußert sich zu einem Thema, dass er als Lobbyist betreut. Dies ist allgemein bekannt, zumal er ja auch in diversen Talkshows als solcher auftritt.“

Tatsächlich tritt Miegel in Talkshows auf, z.B. zweimal bei Christiansen 2005. Allerdings werden seine Verbindungen auch dort nicht offengelegt. Man kann also keineswegs voraussetzen, dass seine Tätigkeit für die private Versicherungswirtschaft allgemein bekannt ist. Die Förderung von nahestehenden Experten und Wissenschaftlern gehören zu den wichtigen Strategien von Unternehmen oder Arbeitgeberkampagnen wie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft bei der Beeinflussung der Öffentlichkeit. Diese Strategie setzt darauf, dass diese Experten eine höhere Glaubwürdigkeit besitzen und ihre Lobby-Funktion selten thematisiert wird. Deshalb gehört es zu den journalistischen Aufgaben, solche Verbindungen offen zu legen – insbesondere, wenn wie in diesem Fall der „Experte“ Miegel so klar für die private Altersvorsorge eintritt.

Der Bayerische Rundfunk verteidigt Miegels Rolle anders: Zwar sei zutreffend, dass Prof. Miegel auch für die private Versicherungswirtschaft tätig sei. Aber seine Analysen zur Rentenversicherung hätten sich als zutreffend erwiesen und andere Experten wären sicher zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen. Kein ernstzunehmender Zeitgenosse würde die u.a. durch die demografische Entwicklung ausgelösten Probleme der Rentenversicherung abstreiten.

Dass es demographische Veränderungen gibt, ist klar (und zwar in verschiedenen Schüben seit über 100 Jahren). Aber tatsächlich gibt es unterschiedliche Einschätzungen über die Verlässlichkeit langfristiger Prognosen und über die Auswirkungen der Entwicklungen für die Rente (da spielen noch andere Aspekte wie etwa die Produktivitätsentwicklung eine Rolle). Der Zusammenhang zwischen demographischen Entwicklungen und der vermeintlichen Notwendigkeit der Privatisierung der Rente ist keineswegs eindeutig. Deshalb sollte sich eine ausgewogene Dokumentation nicht nur an Meinhard Miegel orientieren. Zumindest aber muss sie seine Rolle und Interessenverflechtungen mit der Versicherungswirtschaft offen legen.

Übrigens wird die Dokumentation auch am Dienstag, den 05.September um 08.15 Uhr und am Mittwoch, den 6. September um 18.30 Uhr auf Phoenix gezeigt – das macht dann insgesamt sechsmal…

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10 Kommentare

Thomas Immanuel Steinberg1. September 2006 um 12:15

Ob privat oder staatlich: In ein Versicherungssystem muß eingezahlt werden; raus kommt, was eingezahlt wurde, plus Zinsen, minus Betreiberkosten.
An einem privaten Versicherungssystem verdienen Private, sonst machen sie es nicht. Daher verringern sich die Auszahlungen um den erzielten privaten Gewinn.
Eventuell ist ein öffentliches Versicherungssystem weniger effizient als ein privates. Jedoch hat noch niemand nachgewiesen, daß die staatlichen Ineffizienzen größer sind als die privaten, einschließlich des dort kassierten privaten Gewinns.
Also ist die Privatisierungsforderung Mumpitz.

Sogno1. September 2006 um 13:21

Ich verstehe die Debatte nicht. Dass die gesetzliche RV in der bisherigen Form keine Zukunft hat, ist seit Anfang der 90-iger bekannt – und Norbert Blühm hat es auf den Punkt gebrach. Seine Aussage “ unsere Renten sind sicher“ hat doch ausreichend für Diskussionen gesorgt. (Die Renten der Politiker sind sicher – was ist aber mit den Renten derer, die dafür Monat für Monat einzahlen?) Richtig, sie sind nicht sicher! Deutlich wird die fatale Rentenpoltik doch mit der „Riester- Rente“ und den „Rürup- Programmen“.
Wer darauf hinweist, dass die private Vorsorge immer wichtiger wird, ist mir völlig egal, Hauptsache ist, dass überhaupt darauf hingewiesen wird.

U. Müller1. September 2006 um 18:02

@Sogno: Ob Du es glaubst oder nicht, es gibt unterschiedliche Einschätzungen zur Rentenversicherung – wie auch in diesen Kommentaren deutlich wird. Tatsächlich sind die Argumente für eine private Altersvorsorge deutlich wackliger als mancher „Experte“ behauptet.

Wenn einer dieser Experten direkt mit der privaten Versicherungswirtschaft verbandelt ist, gehört es für mich zu den journalistischen Mindestanforderungen, das offen zu legen.

Du machst es Dir zu einfach, ein bißchen nach dem Motto: solange meine Meinung vertreten wird, ist mir egal mit welchen Methoden. So kann eine pluralistische, demokratische Öffentlichkeit nicht funktionieren, aus meiner Sicht.

Gert Flegelskamp1. September 2006 um 18:03

Ich habe diesen Text an Phönix gesendet.

Guten Tag,

Die große Rentenlüge mit Meinhard Miegel wurde bereits zum dritten Mal bei Phönix gesendet. Sie sollten die Sendung lieber mit dem Titel versehen:
Phönix unterstützt die von der Privatversicherung geförderte Volksverdummung.
Im Text zu dieser Sendung haben Sie angeführt, niemand könne die Auswirkungen des demographischen Faktors bestreiten. Sie irren, ich kann.

Als Bismarck 1891 das Rentensystem einführte, lag die mittlere Lebenserwartung der Menschen bei 40,56 Jahren, das Einstiegsalter für die Rente war allerdings 70 Jahre.

Dieser Umstand zeigt, mit welchen Parametern ein der Versicherungsvertreter Meinhard Miegel arbeitet, wenn er sein ewiges Geschwätz von der großen Rentenlüge verbreitet. Natürlich ist die durchschnittliche Lebenserwartung immens gestiegen. Doch bei den Aussagen der Apologeten aus der Versicherungsbranche unterbleiben die Hinweise darauf, was die Hauptindikatoren dieser Steigerung sind.
Gehen wir einmal von der 1949 bis 1951 gültigen durchschnittlichen Lebenserwartung aus. Damals betrug sie bereits 64,56 Jahre, also 20 Jahre mehr, als bei der Einführung des Rentensystems. Was macht diesen gewaltigen Unterschied aus? Die Menschen wurden nicht 20 Jahre älter, stattdessen war die Kindersterblichkeit und die Unfallhäufigkeit am Arbeitsplatz rapide eingedämmt worden. Rund 65 von 100 Neugeborenen erreichten das Alter von 65 Jahren, und damit einen Anspruch auf Rente, gegenüber 31,3 im Jahre 1891.
Heute (2001/2003) erreichen 81,6 von 100 das Renteneinstiegsalter mit 65. Der maßgebliche Faktor ist also nicht, wie weit die durchschnittliche Lebenserwartung gestiegen ist, sondern wie viel Menschen das Rentenalter erreicht haben und wie hoch ihre Lebenserwartung dann noch ist. Betrachtet man diese Faktoren, dann reduziert sich der Anstieg der Lebenserwartung bei den Rentnern gewaltig. Gleichzeitig muss dabei aber auch festgehalten werden, dass die Zahl der erwerbsfähigen Menschen den Löwenanteil bei der durchschnittlichen Lebenserwartung ausmacht.
Aber auch der Anstieg der Lebenserwartung bei den Rentnern ist relativ. Was fehlt, sind empirische Daten über die Altersentwicklung nach Berufs- und Vermögensspezifischen Kriterien. So hat das Max Planck-Institut in diesem Jahr nachgewiesen, dass die Lebenserwartung von Menschen mit einem höheren Lebensstandard steigt.
Eine weitere Aussage vermisse ich bei den Herren, die vorgeben, Rentenexperten zu sein, aber real nur die Interessen von Versicherungsgesellschaften vertreten, also den Herren Miegel, Raffelhüschen und Rürup. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt findet keinerlei Beachtung. Auch nicht der Umstand, dass bereits seit Anfang der 90ger Jahre geburtenschwache Jahrgänge ins Berufsleben nachrücken möchten, aber bedauerlicher Weise keine Lehrstelle und keine Jobs finden. Natürlich würden die Herren betonen, dass diese jungen Leute eben unqualifiziert wären. Aber auch diese Argumentation ist widerlegt, weil es einer großen Zahl von Studienabgängern auch nicht gelingt, einen festen Job zu finden. Hier hat sich die Industrie darauf spezialisiert, sie von einer unbezahlten Praktikantenstelle zur nächsten zu schieben.
Sollte die Aussage von Herrn Miegel richtig sein, dass bald zwei Arbeitnehmer einen Rentner finanzieren müssten, hat das nichts mit der Lebenserwartung zu tun, sondern liegt an der Arbeitslosigkeit. Dabei muss die reale Zahl der Arbeitslosen betrachtet werden, nicht die statistisch geschönte Zahl der Bundesagentur für Arbeit. derzeit sind ca. 10 Millionen Menschen arbeitsfähig, finden aber wegen der Arbeitsmarktpolitik der Regierung, der Profitgier der großen Konzerne und der bewusst herbeigeführten Schwächung des Binnenmarktes keine Arbeit. Würden diese Menschen in das Arbeitsleben integriert, gäbe es kein Probleme in der Rentenversicherung und keine Probleme in der Krankenversicherung. Die Transferleistungen des Staates wären minimal und die Steuereinnahmen optimal. Doch das ist nicht gewünscht, denn dann könnten die von der WTO mit GATS gestellten Ansprüche an die Privatisierung aller staatlichen Leistungen nicht erfüllt werden, weil die Notwendigkeit fehlt.
Der Sender Phönix ist somit in meinen Augen kein unabhängiger Sender, sondern ein Teil der Lobby, der daran mitwirkt, alles Volksvermögen zu Schleuderpreisen an privates Kapital zu verhökern und die dafür erforderliche Verdummung der Bevölkerung mit zielgerichteten Sendungen wie „die große Rentenlüge“ zu betreiben.

Gert Flegelskamp

Udo Ehrich1. September 2006 um 22:16

Sehr geehrter Herr Flegelskamp,

volle Zustimmung zu Ihrem Brief! Sie haben recht: In der Tat spielt für die Frage des Funktionierens des Umlagesystems in der Rente die Demographie nur eine untergeordnete Rolle, tatsächlich sind die Wirkungen des Verhältnisses der Einzahler zu den Empfängern im laufenden Jahrgang viel wichtiger.

Dazu gehören alle von Ihnen genannten Probleme, zusätzlich aber auch noch die von der Politik selbst geschaffenen Probleme für die Sozialkassen, nämlich die Ausweitung der prekären Beschäftigungsverhältnisse in Mini-Jobs, Midi-Jobs, Scheinselbständigkeit, Ein-Euro-Jobs und welche absurden Möglichkeiten es noch alles noch alles für die Unternehmen gibt, sich um die Einzahlung in die Sozialversicherungen zu drücken.

Auch diese Aspekte werden von Miegel, Raffelhüschen und wie sie alle heißen nie aufgegriffen.

Allerdings fürchte ich, daß Phoenix auf Ihren Text wohl leider nicht viel anders reagieren wird als auf meine Zuschriften: Phoenix wird Sie an den Bayerischen Rundfunk verweisen, und hier würde ich Sie bitten, Ihre Mail auch noch mal an den Bayerischen Rundfunk zu schicken, der wohl die redaktionelle Verantwortung für den Beitrag hat.

G. Grossmann2. September 2006 um 18:11

Meine zusätzliche betriebliche Versorgung ist zum 1.1.2004 um 16% (plötzliche KV u. PV-Pflicht bei der Direktversicherung) und 8% (Verdoppelung der KV-Beiträge bei der betrieblichen AV) gekürzt worden.

8% Kürzung bedeutet eine Monatsrente weniger. Über Nacht!

Soviel zur Sicherheit der kapitalgedeckten Altersversorgung.

Udo Ehrich7. September 2006 um 19:05

Aus aktuellem Anlaß haben die Wiederholungen des Beitrags »Die ewige Rentenlüge« nicht stattgefunden: Am 5. September verhinderte die Übertragung aus dem Deutschen Bundestag die Ausstrahlung des Lobby-Beitrags zur Rentenversicherung, am 6. September strahlte Phoenix statt des Beitrags »Die ewige Rentenlüge« (BFS) einen Betrag des WDR aus, der sich kritisch mit den Fleischskandalen der letzten Zeit auseinandersetze, ebenfalls aus aktuellem Anlaß.

Es steht allerdings zu befürchten, daß der Beitrag »Die ewige Rentenlüge« irgendwann doch wiederholt wird, insofern lohnt es sich sicher, ein wachsames Auge diesbezüglich auf Phoenix zu halten.

Stefan8. November 2006 um 2:51

Hallo,

bei allen Verschwörungstheorien:

am besten wir versaufen unser sauer verdientes Geld abends in der Kneipe – dann haben wir nix zum sparen – und da wir ohnehin mit 58 den Löffel abgeben, brauchen wir uns um Altersvorsorge auch nicht zu kümmern….

Wer die Herren Raffelhüschen, Miegel und Rürup pesönlich erlebt hat (und ich habe dies) wird leicht erkennen, daß es sich hier um echte Missionare handelt – Überzeugungstäter – die vor allem den einzelnen darüber aufklären, daß er keine Chance hat, wenn er sich ausschließlich auf Vater Staat verläßt. Alle 3 betonen, dass immer eine Mischung der Systeme sinnvoll ist – die Deutschen haben aber inn 50 Jahren nix dazugelernt….

Grüße von einem ebensolchen Überzeugungstäter

Ingo Frank24. Mai 2007 um 15:36

„Alle 3 betonen, dass immer eine Mischung der Systeme sinnvoll ist…“

Na wer hätte das gedacht! Alle drei Versicherungsvertreter betonen, dass immer eine Mischung der Systeme sinnvoll sei. Wenn Sie zu dumm sind, zu begreifen, dass nicht wir, sondern die Finanziers dieser „Experten“, von dem Systemwechsel profitieren, sollten Sie mal etwas für Ihre Bildung tun. Die von den drei Herren vertretene Versicherungsbranche interessiert sich nämlich herzlich wenig für unser aller Wohlergehen im Alter, aber sehr wohl für die Steigerung ihrer Profite, welche mit dem steigenden Verkauf – selbstverständlich toppsicherer (logo!) – privater Altersvorsorgeprodukte sehr gut funktioniert. Natürlich mit tatkräftiger Unterstützung der „Volksvertreter“, die diese Produkte mit Milliardenbeträgen aus dem Steuersäckel großzügig subventionieren.

Peter Falch2. Oktober 2009 um 15:40

Dass Herr Miegel offenkundig Schwierigkeiten mit einfachsten Rechnungen hat, beweisst allein die Tatsache, dass derzeitige Neurentner (Manner und Frauen zusammmen) nicht einmal auf 700,– Euro im Monat kommen. Die Durchschnittsrente mit wegsterbenden Altrentnern beträgt knapp 100o,– Euro.
Ergo reicht ein Bruttoeinkommen von 40.000,– Euro bei 19,9% Beitragssatz locker für einen Rentner. Von wegen Teilung des Lohnes der Jungen. Dieser hERR mIEGEL GEHÖRT MEINER mEINUNG NACH WEGEN vOLKSZERSETZUNG ANGEZEIGT.