Kurzmeldung

Halbzeit-Bilanz: Schwarz-Gelb hat bei Demokratiereformen versagt

Der Ruf nach „echter Demokratie“ spielt bei den Protesten der Occupy-Bewegung auch in Deutschland eine wichtige Rolle. Zu Recht: nach zwei Jahren schwarz-gelber Regierung fällt die Halbzeitbilanz in Sachen Demokratie ernüchternd aus. Dies kritisierten wir heute auf einer Pressekonferenz mit Attac und Mehr Demokratie zum zweiten Jahrestag von Angela Merkels Amtsantritt (28. Oktober 2009). Union […]
von 27. Oktober 2011

Der Ruf nach „echter Demokratie“ spielt bei den Protesten der Occupy-Bewegung auch in Deutschland eine wichtige Rolle. Zu Recht: nach zwei Jahren schwarz-gelber Regierung fällt die Halbzeitbilanz in Sachen Demokratie ernüchternd aus. Dies kritisierten wir heute auf einer Pressekonferenz mit Attac und Mehr Demokratie zum zweiten Jahrestag von Angela Merkels Amtsantritt (28. Oktober 2009). Union und FDP haben etliche Möglichkeiten zu Demokratiereformen ungenutzt verstreichen lassen. Was die Souveränität der Politik gegenüber Lobbyeinflüssen, die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürger angeht oder demokratische Kontrolle der Finanzmärkte, hat Schwarz-Gelb nichts bewegt.

Verpasste Chancen bei Lobby-Transparenz, Nebeneinkünften und Parteienfinanzierung

Timo Lange von LobbyControl kritisiert verpasste Reformchancen in den Bereichen Lobby-Transparenz, Offenlegung von Abgeordneten-Nebeneinkünften und Parteienfinanzierung: „Schwarz-Gelb hat nichts unternommen, um die Demokratie durch mehr Transparenz im Bereich Lobbyismus zu stärken. Ein verpflichtendes Register für alle Lobbyisten wäre ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz und damit größerer Legitimität politischer Entscheidungen“, so Lange. „Die Regierungskoalition hat mehrere Anträge der Opposition dazu rundheraus abgelehnt, ohne überzeugende Argumente vorbringen zu können.“

Unterschriftenübergabe und Aktion zur Offenlegung der Nebeneinkünfte von Politikern, Mai 2011 - © Alle Rechte vorbehalten von campact

Timo Lange bei der Unterschriftenübergabe zur Offenlegung der Nebeneinkünfte von Politikern, Mai 2011

Auch in anderen Bereichen habe die Koalition darin versagt, die engen Verflechtungen zwischen Politik und finanzstarken Lobbygruppen aufzubrechen. So wurde eine angekündigte Reform der Offenlegungspflichten für Abgeordneten-Nebeneinkünfte nicht umgesetzt und mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung verhindert. „Die Staatengruppe gegen Korruption hat vor zwei Jahren deutlichen Reformbedarf im Bereich der Parteienfinanzierung, etwa beim Sponsoring, festgestellt. Schwarz-Gelb hat diese Vorschläge in der Schublade verschwinden lassen“, kritisiert Lange. „Auf diese Weise wird es der Regierung nicht gelingen, dem Ruf nach mehr Unabhängigkeit der Politik nachzukommen.“

Direktdemokratische Flaute

„Seit 2009 herrscht auf Bundesebene eine direktdemokratische Flaute“, stellt Mehr Demokratie-Vorstandssprecher Michael Efler fest. Zum wiederholten Mal scheiterte 2010 ein Gesetzentwurf zur Einführung bundesweiter Volksabstimmungen, weil CDU und FDP die notwendige Zweidrittelmehrheit verhinderten. „Die schwarz-gelbe Koalition hat nicht einmal den im Koalitionsvertrag versprochenen Ausbau des Massenpetitionsrechts umgesetzt – das hätte zumindest ein bisschen frischen Wind gebracht“, so Efler.

Im Bereich des Wahlrechts kritisiert Mehr Demokratie vor allem die von CDU/CSU und FDP durchgesetzte Neufassung des Bundeswahlgesetzes. „Das Bundeswahlrecht ist nach wie vor verfassungswidrig und kann den Wählerwillen in absurder Weise verzerren“, erklärt Efler. „Schwarz-Gelb hat das Urteil des Verfassungsgerichts von 2008 ebenso missachtet wie die Interessen der Bevölkerung.“ Mehr Demokratie organisiert deshalb gemeinsam mit Wahlrecht.de eine von Bürgern getragene Verfassungsbeschwerde gegen das aktuelle Wahlgesetz.

Erfüllungsgehilfe der Banken statt Vertretung der Bürgerinnen und Bürger

Die Bundesregierung habe vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzkrise eher als Erfüllungsgehilfe der Banken und anderer Finanzakteure denn als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger gehandelt, stellt Mike Nagler von Attac fest. „Anstatt sich in Europa für eine strenge Regulierung der Finanzmärkte einzusetzen und die Banken endlich in die Schranken zu weisen, lässt sich die Bundesregierung von den Profiteuren der Krise vor den Karren spannen, setzt erneut auf milliardenschwere Bankenrettungspakete zu Lasten kommender Generationen und legalisiert Steuerflucht auf Kosten der Allgemeinheit.“

Das Primat der Politik über die Finanzwirtschaft müsse hergestellt werden. Das könne aber nur gelingen, wenn auch die Politik wieder unter demokratische Kontrolle gebracht werde. „Wir können uns unkontrollierte Banken, die mit eigentlich öffentlichem Geld weiter auf den Finanz- und Rohstoffmärkten spekulieren, nicht mehr leisten. Die Bürgerinnen und Bürger gehen vollkommen zu Recht auf die Straße, denn diese Regierung repräsentiert nicht ihre Interessen und betreibt Entdemokratisierung“, so Nagler.

Ernsthafte Demokratiereformen auf den Weg zu bringen

Mehr Demokratie, Lobby Control und Attac rufen die Bundesregierung auf, die verbleibende Regierungszeit zu nutzen, um ernsthafte Demokratiereformen auf den Weg zu bringen. Das Gefühl einer Krise sei allgegenwärtig – ob nun im Bereich der Finanzmärkte, fehlender Mitsprachemöglichkeiten oder mangelnder Transparenz. „Es gibt viele Lösungsansätze zur Bewältigung der Krise – sie müssen bloß den Sprung von der Straße in die Parlamente schaffen“ – so das Fazit der Organisationen.

Zum Download: eine genauere Analyse zu den Themen
– Direkte Demokratie (Mehr Demokratie)
– Demokratische Kontrolle des Banken- und Finanzsystems (Attac)
– Lobbyregulierung (LobbyControl)

Foto: © Alle Rechte vorbehalten von campact

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4 Kommentare

Tyler Durden Volland29. Oktober 2011 um 2:33

Ich kann ihren Beitrag nicht so ganz verstehen….

„Schwarz-Gelb hat bei Demokratiereformen versagt“

Woraus schliessen sie denn das? Wie kommen sie auf die Idee, Schwarz-Gelb habe in dieser Angelegenheit nicht zu 100% genau das getan, was für Schwarz-Gelb am Wünschenswertesten war?

Wollen sie ernsthaft behaupten, dass diese Regierung es als ihre Aufgabe betrachtet die tatsächlichen Interessen des Volkes zu vertreten? Kennen sie die Zahlen zu Afghanistan Abzug, zum Mindestlohn, zu Hartz IV, zur Banken Sanierung mittels Steuertgeldern und vielem anderen?
Welche Schlüsse ziehen sie denn daraus? Gar keine?

Sie nennen sich wie?

LobbyControl – Aktiv für Transparenz und Demokratie?

Sie belügen und verdummen die Menschen. So sind sie Teil des Problems nicht Teil der Lösung!

Überraschen sie uns doch mal ausnahmsweise, zensieren einen Beitrag wie diesen nicht, sie sind doch angeblich so „Aktiv für Transparenz“

Marty30. Oktober 2011 um 13:02

@ Tyler Durden Volland : Also ich verstehe Ihren Kommentar irgendwie auch gar nicht. Wieseo belügt LC die Menschen, wenn sie Demokratiereformen einfordert? Klären Sie uns doch mal alle auf?

ralf schwartz31. Oktober 2011 um 16:00

Oder so:

„Finanzkrise? Pah! Politkrise!
Längst haben wir es nicht mehr mit einer Finanz-, Banken- oder Schuldenkrise zu tun. Das will uns die Politik nur weismachen.
Die Politik arbeitet sich gerade an sich selbst, ihrer Vergangenheit und ihren falschen Entscheidungen ab.
Wir stecken mitten in der größten politischen Vertrauens- und Führungskrise seit Ende des II. Weltkrieges.

(Natürlich gibt es gute Gründe, Schulden zu machen. Wenn man zB eine Vision hat, wenn man diese realisieren möchte, wenn man ersteinmal investieren muss, um eine Basis für ein Geschäft, eine Politik, eine Zukunft zu legen.
All dies aber passiert nicht im Moment, und ist auch früher nicht der Grund für Schulden gewesen.)

Schulden entstehen nicht von alleine. Schulden müssen gemacht werden. Von irgendjemandem. Von Menschen. Von Verantwortlichen. Von Mächtigen, die Schulden machen können.

Schulden werden nur gemacht, um über den eigenen Verhältnissen zu leben. Schulden werden gemacht, um andere zu beeindrucken. Schulden werden gemacht, um Versprech(ung)en zu erfüllen, die man sich selbst oder anderen gegeben hat.

Schulden werden im Zweifel gemacht, weil man meint, man könne es sich erlauben, es werde schon keiner merken, wenn man denkt: nach mir die Sintflut.

Schulden werden aus Verantwortungslosigkeit gemacht, aus Gleichgültigkeit, aus Dummheit – wenn man in der Schule zB nur Milchmädchenrechnung lernte.

Schulden werden gemacht, weil man lieber haben will als zu sein. Weil man auf Äußerlichkeiten achtet, auf Symbole und Symptome. Nicht auf Werte, Tugenden, Tradition.

Schulden werden nicht nur in anderen Ländern gemacht. Schulden werden nicht erst heute gemacht. Schulden werden nicht nur in Berlin gemacht, sondern auch in Bremen, …

Die Politik macht Schulden, weil sie nicht in Bildung investiert, auch nicht die eigene. Weil sie nicht weiß, was sie tut. Weil sie keine Vision hat, die Sinn, Relevanz oder Bedeutung hat. Weil sie die Menschen, die Wähler nur mit Geschenken locken kann, weil sie selbst nur noch so funktioniert.

Die Politik hat sich selbst einen Selbstbedienungsladen geschaffen, warum sollte sie noch Wirtschaften wollen oder gar können? Pläne, Budgets, Soll und Haben passen so gar nicht zu ihren Allmachtsphantasieen. Da heißt es eher: Was kostet die Welt!?

Schließlich hat sich die Politik noch selbst des effektivsten Korrektivs beraubt, das einer Führungskraft zur Verfügung steht: das ehrliche Feedback der eigenen Umgebung, den Resonanzraum, die Messlatte, an dem ich mein eigenes Handeln, meine Moral messe: die Menschen, die Wähler, die Mitarbeiter, die Konsumenten um mich herum.

Die Politik dient dem den falschen Herrn. Sie hat das komplette Konzept von Politik und Dienerschaft am Staate falsch verstanden. Sie läuft 50 Vorstands-Millionären hinterher, statt 80 Millionen Menschen in die Zukunft zu führen. Damit wird sie – und nicht zuletzt – auch die Wirtschaft zerstören.

Die Politik hat ihre Führungsaufgabe eindrucksvoll vernachlässigt – unabhängig davon, daß Politik noch selten voranging. Nein, sie führt weder von vorne, noch von hinten. Sie ist ängstlich, mutlos, kraftlos. Sie versteckt sich. Weil sie sich der eigenen Ohnmacht bewußt ist. Und das macht sie noch gefährlicher …

Das ist weder Politik, noch Führung.
Das ist weder Inspiration, noch Vorbild.

Das ist die perfekte Krise.
Die Krise der Politik, der Demokratie.

Politkrise. “

http://ralfschwartz.typepad.com/rsc/2011/10/finanzkrise-pah-politikkrise.html

Tyler Durden Volland7. November 2011 um 3:38

@ Marty

KEINE Regierung hat ein Interesse an Demokratie Reformen. Regierung haben ein Interesse an der Ahnungslosigkeit der Massen. Die Medien, die sich in Konzernhänden befinden haben, helfen mit die Meinungen diesbezüglich zu manipulieren, weil dies natürlich auch im Interesse der Konzerne liegt.
Wir haben es in DE mit einem Volk zu tun, das in den letzten 30 Jahren Leute wie Kohl, Schröder und Merkel gewählt. Alle drei sind die Protototypen der Deutschen und somit wahre Repräsentanten des deutschen Volkes. Kohl ein rechter Spiesser aus einem Dorf dem die Wiederbereinigung in den Schoss fiel, hat bei dieser mal kurz den Staatshaushalt ruiniert, Schröder der linke Spiesser, der Zigarren rauchende, Edelmantel tragende Emporkömmling hat den Deutschen bei H4 vorgerechnet mit wieviel Geld sie monatlich auszukommen haben, und die personifizierte, völlig prinzipienlose, opportunistische Mittelmässig ist den beiden ins Kanzleramt nachgefolgt.

Wie war das möglich? Alle drei wurden in freien, demokratischen Wahlen vom deutschen Bürger/Wähler/Steuerzahler freiwillig gewählt!
Wer Demokratie Reformen will, muss andere Politiker wählen, und er muss dafür sorgen, dass andere einen Platz in der politischen Landschaft finden, und er muss dafür sorgen, dass das Volk TROTZ der gleichgeschalteten Medien, beginnt die Realität dieser Pseudo Demokratie zu begreifen, und ein INteresse daran entwickeln, dass sich daran etwas ändert.

Einer Regierung vorzuwerfen, sie habe kein Interesse an Demokratie Reformen so ziemlich das Damlichste und Nutzloseste das man tun kann.