Kurzmeldung

Gefallen an Gefälligkeiten – wie Journalisten umgarnt werden

Luxuriöse Pressereisen, Testautos oder Kooperationen mit Verlagen – eine neue Studie vom Netzwerk Rercherche beleuchtet das Zusammenspiel von Journalismus und Unternehmen. Das Ergebnis: Die Grenze zwischen PR und Journalismus wird immer unklarer. Dies gefährdet eine unabhängige Berichterstattung.
von 5. August 2013

Luxuriöse Pressereisen, Testautos oder Kooperationen mit Verlagen – die Liste mit Gefälligkeiten, mit denen Unternehmen und Wirtschaftsverbände Journalisten umgarnen, ist lang. Dies birgt Gefahren für Interessenkonflikte, die zu einseitiger Berichterstattung führen können. Eine neue Studie, die das Netzwerk Rercherche in Kooperation mit  Transparency Deutschland, der Otto-Brenner-Stiftung und der TU Dortmund herausgegeben hat, beleuchtet das Zusammenspiel von Journalismus und Unternehmen. Das Ergebnis: Die Grenze zwischen PR und Journalismus wird immer unklarer. Dies gefährdet eine unabhängige Berichterstattung.

Beispiel Autolobby

Unbenannt„Als Automobil-Journalist [müsse man] bescheuert sein, sich ein Auto zu kaufen“ – so zitiert die Studie den Anwalt von Franz Danner, den ehemaligen PR-Manager von Mazda. Der Fall Mazda gibt einen Einblick in die Lobbyarbeit eines Autokonzerns mit der Zielgruppe Journalisten. Im Auto-Journalismus sei es üblich, immer wieder neue Testwagen zu bestellen. Danner habe die Fahrzeuge teilweise bis zum nächsten Modellwechsel an Journalisten als Testwagen vergeben. Präsentationen von neuen Modellen seien häufig allein die „Fassade für luxuriöse Reisen an reizvolle Orte“ gewesen. So habe er beispielsweise Testfahrten in Wien organisiert. Die teilnehmenden Journalisten bekamen gleich die Karten für den Besuch des Wiener Opernballs und einen maßgeschneidertem Frack mit dazu.

Luxuspressereisen als Teil von Krisen-PR

Mazda ist kein Einzelfall: So organisierte beispielsweise Volkswagen eine Reise zu den Olympischen Spielen in Peking – samt Flug erster Klasse und Übernachtung im Luxus-Hotel. Recherchen des Magazins Stern legen nahe, dass der Olympia-Sponsor Volkswagen das Ziel hatte, einen PR-GAU wegen der Proteste in Tibet abzuwenden. Auch andere Unternehmen verwenden diese Form der Krisen-PR: Laut Studie bezahlte etwa auch Thyssen Krupp Journalisten eine Luxusreise nach Südafrika, nachdem der Konzern mit Negativschlagzeilen zu kämpfen hatte.

Fragwürdige Kooperationen

Am Beispiel der WAZ-Women Group (Neue Welt, Echo der Frau, die aktuelle) zeigt die Studie fragwürdige Kooperationen zwischen Unternehmen und Verlagen auf. So seien in den Produkten der WAZ-Gruppe zahlreiche konkrete Empfehlungen für bestimmte Markenprodukte aufgetaucht. Beispielsweise seien rezeptfreie Medikamente in der Gesundheitsrubrik erwähnt, die an anderer Stelle des Hefts per Anzeige direkt beworben werden. Für Unternehmen sind Empfehlungen in den auflagestarken Blättern lukrativ. Die Verlage wiederum profitieren vom Anzeigengeschäft. Laut Studie nehmen Anzeigenabteilungen auch in anderen Medien immer wieder Einfluss auf die Redaktionen.

Medienpartnerschaften

WiWoAuch Medienpartnerschaften sind eine problematische Form der Einflussnahme. Besonders aktiv in diesem Bereich ist die arbeitgeberfinanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM): Die Initiative kooperierte unter anderem mit dem Handelsblatt, Focus Money, der Welt und der Wirtschaftswoche. Erst jüngst produzierte die Wirtschaftswoche ein ganzes Heft in Kooperation mit der INSM – bestückt unter anderem mit zahlreichen Artikeln zu Studien, die von der INSM in Auftrag gegeben wurden. Auch die Themen des Hefts orientierten sich an der aktuellen Gerechtigkeits-Kampagne der INSM.

Mehr Transparenz nötig

Der Kodex des Deutschen Presserats legt fest: „Journalisten nehmen […] keine Einladungen oder Geschenke an, deren Wert das im gesellschaftlichen Verkehr übliche und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit notwendige Maß übersteigt. (…) Wenn Journalisten über Pressereisen berichten, zu denen sie eingeladen wurden, machen sie diese Finanzierung kenntlich.“ Auch andere Kodizes legen ähnliche Beschränkungen fest. Doch häufig fehlen verbindliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung. Das Netzwerk Recherche und Transparency fordern daher mehr Transparenz, um wirtschaftliche Abhängigkeiten und Interessenkonflikte offenzulegen.

Weitere Informationen zu der Studie „Gefallen an Gefälligkeiten. Journalismus und Korruption“.

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10 Kommentare

Johann9. August 2013 um 9:33

Diese Einschätzung kann ich nur bestätigen – Mehr als 15 Jahre habe ich als Journalist im Bereich Reise und Technik gearbeitet. Allerdings bekamen mit der Zeit die kritischen Kollegen „Druck“ vom Verleger, wenn sie nicht „mitspielen“ wollten. Die Chefredaktionen wurden zunehmend entmachtet und die Anzeigenabteilungen bestimmten fortan die Inhalte. Sicher auch ein Grund für den Auflagenrückgang der Zeitungen. Anzeigenkunden machten ganz offen Druck: beispielsweise mit der Anfrage „wir schalten 2x halbe und eine ganze Seite, wenn wir einen redaktionellen Beitrag bekommen“. Schleichwerbung ist an der Tagesordnung. Und, bloß kein „böses“ kritisches Wort gegen Anzeigenkunden. Die kritischen (und meist guten) Kollegen fristen heute ihr prekäres Dasein als Freelancer, oder sie dürfen in Call-Centern ihr kärgliches Geld verdienen. Und die Anzeigenkunden kaufen sich gleich die Zeitungen, Zeitschriften und Sender. Das macht es einfacher. Die Pressegesetze gelten schon länger nicht mehr. Das kam auch durch den wachsenden Einfluss der Banken.

Sven9. August 2013 um 14:28

Besonders pervers finde ich in diesem Zusammenhang, wie akribisch und gnadenlos die gleichen Journalisten, die zu Spottpreise fliegen und in Hotels übernachten, „Verfehlungen“ von Politikern recherchieren und anprangern. Zum Beispiel in der Causa Wulff. Verglichen mit dem, was manche Journlalisten im Laufe ihres Berufslebens an Vorteilen (steuerfrei) kassieren, sind ein u.U. (noch gilt die Unschuldsvermutung!) „gesponsorter“ Urlaub oder gar die Entgegennahme eines Bobbycars beim Autokauf Peanuts. Dass Wulff letztlich zurücktreten musste, liegt sicher (auch) an anderen Aspekten der Affäre, aber alles in allem wird dann ausgerechnet von denen, die sich großzügig aushalten lassen, eine etwas dickere Mücke zum Mammut gemacht. Das stößt schon übel auf. Und lässt einen den Glauben in die „freie Presse“ verlieren.

Critical11. August 2013 um 9:00

Ja, mit Speck fängt man ja bekanntlicherweise Mäuse!
In dem Moment, wo ein Journalist gewissermaßen schwach wird – durch für ihn (allzu) verlockende Angebote -, gibt er bereits die Pressefreiheit und Objektivität seiner Berichterstattung auf, denn er hat sich quasi auf die Seite des Verführers ziehen lassen.
Wenn dies vielleicht bekannt und öffentlich wird, dann hat er wahrscheinlich seine Authentizität bei den Lesern verloren.
Bei mir schon, denn mit einem gekauften Journalismus habe ich wenig im Sinn!
Soll ein betreffender Journalist doch gleich als Werbeträger eines Wirtschaftsunternehmens auftreten und dessen Sprachrohr spielen… Darauf kann ich gut und gerne verzichten.
SO jedenfalls, dass sich Journalisten nämlich regelrecht einfangen lassen – von allerlei noblen Präsenten seitens mancher Konzerne, wird die im Grundgesetz garantierte Pressefreiheit mit Leichtigkeit ausgehebelt, ohne dass die Politik ihre Hände im Spiel hatte.
Ja, ja die menschlichen Schwächen!

Und an die Presseleute allgemein:
Mensch, zeigt doch Rückgrat und auch eine gewisse Größe wie auch Unabhängigkeit –
man braucht so manchen Schnickschnack oder Plunder, all den materialistischen Nobelkram
nun wirklich nicht – und wachst über Euch hinaus, wenn Ihr all den Verlockungen seitens der Wirtschaft standhaltet!
Ich sage immer:
Weniger ist mehr … und es gibt tatsächlich viel bedeutendere und wesentlichere Dinge im Leben, auf die es vielmehr ankommt!
MfG
als

Critical11. August 2013 um 9:44

Sind Journalisten AUCH korrupt?
Ob sie Geld oder eben Geschenke anderer Art annehmen – ist doch egal, dnn – wenn sie diese annehmen, dann haben sie sich quasi bestechen lassen – und wenn der Ruf vorauseilt, dass sie gewissermaßen empfänglich sind für allerlei Präsente seitens der Unternehmen, also doch bestechlich sind, was soll man allgemein von solchen Journalisten halten?!
Durch diese Verfahrensweise – Bestechung bzw. Bestechlichkeit zwischen Konzernen und Journalisten wird die Pressefreiheit gewissermaßen langsam, aber sicher ausgehöhlt.

Was soll einmal Mahatma Gandhi, die große Seele, wie er vom einfachen Volk genannt wurde,
gesagt haben:

„Die Welt hat GENUG für jedermanns BEDÜRFNISSE, aber NICHT für jedermanns GIER.“

Ein wirklich überlegenswerter Spruch!

Thomas Dürmeier12. August 2013 um 9:29

Besten Dank für die Kommentare. Die Unabhängigkeit von LobbyControl besteht Dank der Unterstützung vieler Spender und Fördermitglieder.

Anton12. August 2013 um 11:01

Ich muss leider immer wieder erfahren, dass die Haltung zu den Medien oft grundsätzlich ziemlich unkritisch ist. Hat eine Zeitung erstmal einen Namen, dann wird allem geglaubt, was dort steht. Aber auch umgekehrt gilt: Probleme die nicht dort stehen, existieren für die Leserschaft nicht. Auf solcher Basis lässt sich natürlich leicht Gefälligkeitsjournalismus betreiben. Wer bemerkt schon, dass kritische Anmerkungen zu einem Produkt nur deshalb im Artikel fehlen, weil es sich um einen lukrativen Anzeigenkunden handelt? Es fehlt also auch an einer „Erziehung“ zum kritischen Lesen, um gegen Gefälligkeitsjounalismus etwas zu erreichen.

Lisa16. August 2013 um 18:58

Es wurde erst kürzlich von transparency international gemeldet, dass die Korruption im Bereich der Medienien Deutschland erschreckend zugenommen habe. Befragte möglicherweise Wissende sagten dazu, es könne daran liegen, dass viele freie Journalisten zu wenig verdienen und in Existenznöten sind, weil es mit den Print-Medien bergab geht und online-Tätigkeit wohl vielfach schlechter bezahlt wird ( vor einiger Zeit berichtete das NDR-Magazin ZAPP darüber) .
Bedrohen kann man schon damit, dass man bei mißliebiger Berichterstattung keine Anzeigen mehr in den entsprechenden Blättern schaltet – Ulla Schmidt bzw. wohl Klaus Vater, der für die Presse damals im BMG zuständig war, haben das ja vor ein paar Jahren mit der BILD-Zeitung versucht, und da war dies dann kurzfristig mal Thema im Bundestag.

Wen es interessiert, welche Vorteile Journalisten in Anspruch nehmen können:

http://www.presserabatt.de

oder gleich an der ganz richtigen Stelle:

www. journalismus.com/presserabatt/index.php

Den Service gibt es schon ewig und das Portal wird ständig aktualisiert.

Aktuelle Updates der von Anbietern bestätigten Rabatte auch für Eheringe, Direktbank, Koch- und Küchenzubehör, etc.

Ansonsten gibt es Rabatte für so ziemlich alles, u. a. eine Rubrik freier Eintritt.

Die AOK hielt bis vor wenigen Jahren im Herbst in der Berliner Schorfheide oder ähnlichen Bereichen Pressewochenenden ab, um der Journaille ihre Vorstellungen von Gesundheitspolitik nahe zu bringen und alle Akteure im Gesundheitswesen außer Mitarbeiter sämtlicher gesetzlichen Kassen und deren Verbänden als Verschwender und überbezahlt darzustellen. Ob auch Kost und Logis von der AOK getragen wurde, teilte man nicht ganz genau mit, es ist aber anzunehmen, denn wer tut sich schon ein Wochenende Kassenpopaganda auf eigene Kosten an. Über diese Wochenenden wurde in dem offiziellen Mitteilungsblatt der AOK/Bund auch im Internet berichtet, samt Reden etc..
Ich fand es auch befremdlich, dass zur großen Abschiedsfeier des Vorstandes der TK, ausgerichtet von der Berliner Verwaltung, auch reichlich Pressevertreter eingeladen waren, bei denen man sich für die gute Zusammenarbeit über viele Jahre extra bedankte. Aus gemachter Erfahrung kann ich mir gut vorstellen, weshalb und wofür.

Es ist auch erstaunlich, dass gerade im Gesundheitsbereich kritische Verlautbarungen des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen ungeprüft wort-wörtlich verlesen oder in den Blättern übernommen werden. Zum Teil handelt es sich um Erkenntnisse aus noch gar nicht ausgewerteten teuren Studien, die die Kassen zu Hauf in Auftrag geben, oder mit immer mehr teurem Personal selbst verfassen. Kein Journalist kommt auf die Idee, mal nachzuforschen, ob das entsprechende Gutachten schon auf dem Markt ist ( häufig nicht ), und ob Zahlen und Fakten in Veröffentlichungen stimmen, bzw. nachvollziehbar sind. Auch die Verflechtungen einzelner Gutachter mit anderen Institutionen wird niemals beleutet. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ ist auch in diesem Bereich nicht aus den Augen zu verlieren. Vor allem fällt offensichtlich niemand die zeitliche Platzierung auf.

Was ich bezüglich Korruption im Bereich der Politik nicht verstehe, ist, dass der gute Verhaltens- Codex für Abgeordnete des Bundestages, den der Dortmunder Bundestags- Abgeordnete ( und Journalist ) Marco Bülow verfasst hat und darüber beschließen lassen wollte, und der auch von einer Handvoll anderer Abgeordneter unterstützt wird, in den Medien nicht verbreitet wird, obwohl man das Papier nur von Herrn Bülows Webseite herunter laden müsste. Das wäre doch ein Druckmittel auf die Unwilligen. Aber es tut sich nichts!

Claudia2. September 2013 um 22:26

lt. H.O.Henkel (letztes Buch) mußte Wulff zurücktreten, weil er sich negativ über den Euro geäußert hat!

Claudia2. September 2013 um 22:28

Die größten Anzeigenkunden der meisten Regionalzeitungen sind ja nun die Baufirmen. Und tatsächlich wird immer über Wohnungsmangel berichtet

Dietrich Horstmann23. September 2014 um 9:21

Schon in den 70er Jahren wurden die Redakteure in Duisburg angewiesen über die damaligen Lehrlingsaktionen nicht zu berichten , weil die Anzeigenkunden mit Rückzug gedroht hätten. Info von einem Lokalredakteuer der NRZ Duisburg.