Parteienfinanzierung

Politiker mieten: Geht immer noch

Nach dem „Rent-a-Sozi“-Skandal um gekauften Zugang zu SPD-Spitzenpolitikern hatten die Genossen Konsequenzen angekündigt. Dem sind sie bis heute nicht überzeugend nachgekommen. Was wir von ihnen erwarten, haben wir gestern noch einmal deutlich gemacht – mit den Unterschriften von 20.000 Unterstützer/innen.
von 4. Juli 2017

Imke Dierßen, Annette Sawatzki (v.l.) gestern bei der Übergabe unserer Unterschriften an SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan. Foto: Bianca Theis/ LobbyControl

Der „Rent-a-Sozi“-Skandal um käuflichen Zugang zu SPD-Spitzenpolitikern war Anlass für unsere Online-Aktion „Politik darf nicht käuflich sein“ – die von mehr als 20.000 Menschen unterstützt wurde. Gestern haben wir die Unterschriften an den SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan übergeben. Wir hatten den Kanzlerkandidaten Martin Schulz angefragt, doch dieser stand nicht für eine Übergabe zur Verfügung. CDU-Generalsekretär Tauber und CSU-Chef Horst Seehofer sagten ab, ohne eine Vertretung für die Entgegennahme anzubieten.

„An der SPD wird es nicht scheitern!“

Dietmar Nietan hatte auf dem Höhepunkt des Rent-a-Sozi-Skandals im Bundestag politische Konsequenzen angekündigt: Die SPD werde jetzt bei der Sponsoring-Transparenz vorangehen und noch in der laufenden Legislaturperiode ein Gesetz machen. Dabei appellierte er ausdrücklich an die Union, winkte aber auch mit dem Zaunpfahl der rechnerischen rot-rot-grünen Mehrheit im Bundestag: „An der SPD wird es jedenfalls nicht scheitern.“ Gescheitert ist es aber doch, und dies liegt auch an der SPD.

Gescheitert ist es – auch an der SPD

Zwar hat die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf erarbeitet und beschlossen. Der Beschluss kam aber erst in der vorletzten Sitzungswoche – und führte nur dazu, das Papier zu den Akten zu legen. In den Bundestag reichte die SPD es nicht ein. Zur Begründung hieß es, der Widerstand der Union sei zu groß gewesen. Tatsächlich ist die Unionsspitze (im Unterschied zu ihrer Basis) extrem hartleibig in Sachen Sponsoring. Doch für einen Alleingang mit Unterstützung der Opposition reichte der sozialdemokratische Ehrgeiz nicht aus. Hätte sich die SPD tatsächlich so ins Zeug gelegt, wie sie dies unter dem Druck sich reinzuwaschen angekündigt hatte, wäre angesichts der Positionen von Linken und Grünen nicht nur eine „Ehe für alle“, sondern auch „Transparenz für alle“ möglich gewesen.

Ein Fortschrittchen

Der Gesetzentwurf der SPD ist zwar ein Fortschritt – doch gemessen am Handlungsdruck enttäuschend. Gegenüber dem ersten Entwurf, der im Frühjahr an die Medien durchgesickert war, hatte die SPD auf unser Drängen noch nachgebessert – doch leider nur in einem Punkt. Die Schwelle, ab der Sponsorzahlungen in den Partei-Rechenschaftsberichten veröffentlicht werden sollen, senkte sie von 10.000 Euro auf eine Bagatellschwelle von 500 Euro ab. Dabei geht die SPD sogar über unsere Forderung hinaus – wir fordern, die Schwelle bei 2.000 Euro pro Sponsor, Partei und Jahr zu setzen.

Eine zeitnahe Veröffentlichung von Sponsorzahlungen würde es nach Vorstellung der SPD jedoch de facto nicht geben. Die Rechenschaftsberichte erscheinen bekanntlich erst mit rund zwei Jahren Verzögerung, und eine Sofort-Offenlegung sieht sie erst ab 50.000 Euro Sponsor-Wert im Einzelfall vor. Ein Wert, der kaum oder nie erreicht wird – er entspräche z. B. einem Parteitagsstand von 200 Quadratmetern.

„Rent-a-Sozi“ wäre weiterhin möglich

Gravierender ist, dass die SPD nach wie vor keine Vorkehrungen treffen will, die eine Wiederholung von „Rent-a-Politiker“-Fällen verhindern könnten. Zur Erinnerung: Die Kontaktgeschäfte unter dem Deckmantel des Sponsoring waren über eine SPD-eigene Firma abgewickelt worden. Diese trat als Lobbyagentur auf, über die Kunden gegen Entgelt in Kontakt mit sozialdemokratischen Entscheidungsträgern in ihrem Interessengebiet kamen.

Wir haben darauf gepocht, dass nicht nur von einer Partei direkt abgeschlossene Sponsorvereinbarungen offengelegt werden, sondern auch solche, die von Partei-Firmen oder -Vereinen abgewickelt werden. Zudem drängten wir darauf, dass Parteien, ihren Firmen und Vorfeldorganisationen gesetzlich untersagt wird, unter dem Sponsoring-Deckmantel Kontaktgeschäfte zu machen, also Geld für den Zugang zum eigenen politischen Personal zu nehmen. Denn wenn Parteien (oder ihre Firmen- und Vereinskonglomerate) als ihre eigenen Lobbyagenturen auftreten, bedeutet das den Ausverkauf der Parteiendemokratie an die meistbietenden Kunden.

Die SPD jedoch blendet Parteifirmen und -vereine sowie das Problem der Kontaktgeschäfte in ihrem Gesetzentwurf komplett aus. Fälle wie „Rent-a-Sozi“ wären damit weiterhin möglich. Dass die SPD, wie Nietan gestern ankündigte, im kommenden Monat neue interne Verhaltensregeln für Funktionär/innen beschließen will, ändert nichts daran. Freiwillige Compliance-Regeln sind gut und schön – doch sie können keine gesetzliche, bindende und kontrollierbare Regelung für alle ersetzen.

Union setzt auf Fake News

In einem Punkt hat die SPD recht: Die Union, die (neben der FDP) am meisten von Sponsoring profitiert, bewegt sich bisher gar nicht – zumindest nicht an ihrer Spitze. Wer mit CDU-Mitgliedern an der Basis, Funktionär/innen aus dem Mittelbau oder dem früheren CDU-Justiziar Peter Scheib spricht, hört immer wieder ein klares „Ja“ zu umfassender Sponsoring-Transparenz. Doch die Parteiführung hält sich die Ohren zu. Manche Vertreter gehen sogar so weit, elementare Fakten zu leugnen. So behaupteten die MdBs Philipp Murmann und Michael Frieser im Dezember im Bundestag, Sponsoring sei längst transparent. Das grenzt an Realitätsverweigerung. Schließlich kann jede und jeder selbst sehen, dass da gar nichts nachlesbar ist. Nicht mal das Wort Sponsoring taucht in den Berichten auf. Es gibt diese Kategorie nicht – und erst recht keine Ausweisung der einzelnen Sponsoren und ihrer Zahlungen.

Murmann ist kein Einzelfall. Ins gleiche Horn stieß Helmut Brandt, Justiziar der Unionsfraktion im Bundestag, bei der Düsseldorfer Jahrestagung der deutschen Parteienrechtler/innen und Parteienforscher/innen Ende April. Angesichts der erschütterten bis empörten Reaktionen aus dem Kreis der versammelten Fachleute bekam Brandt zwar leuchtend rote Ohren, wies die Kritik an seinen faktenfreien Auslassungen aber trotzig als „komplett absurd“ zurück.

Fakt ist: Verantwortung für den inakzeptablen Status-Quo beim Sponsoring tragen alle Parteien der Großen Koalition. Dennoch hätte die SPD mit einem ambitionierten Entwurf zeigen können, dass sie es ernst meint und ihren vollmundigen Versprechungen nach Aufdeckung des „Rent-a-Sozi“-Skandals Taten folgen lässt. Das hat sie aber eben nicht getan. Wir werden auch die Genossen deshalb weiter drängen, endlich zu liefern – bei der Bundestagswahl und darüber hinaus.

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