Lobbyismus und Klima

Rohstoffbehörde BGR ließ sich von Industrie mitfinanzieren

Seit den Achtziger Jahren wird die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) von der Industrie gefördert, wie Recherchen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR nun zeigen. Die „Hans-Joachim-Martini-Stiftung“ förderte demnach über Jahre industriefreundliche Projekte, wie etwa eine Studie, die Zweifel an Gorleben als Endlager zerstreuen sollte.
von 1. Juli 2016
Geozentrum_Hannover.

Sitz der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover.

Seit den Achtziger Jahren wird die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) von der Industrie gefördert, wie Recherchen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR nun zeigen. Die „Hans-Joachim-Martini-Stiftung“ förderte demnach über Jahre industriefreundliche Projekte, wie etwa eine Studie, die Zweifel an Gorleben als Endlager zerstreuen sollte.  Über heutige Geldgeber macht die Stiftung keine Angaben.

Schon einmal unter der Lupe von LobbyControl

Die BGR berät die Bundesregierung in geowissenschaftlichen Fragen und sucht in ihrem Auftrag weltweit nach Rohstoffen. Sie untersteht dem Bundeswirtschaftsministerium. Schon einmal hatte LobbyControl die Behörde unter der Lupe: 2011 „gewann“ die BGR den 3. Platz bei der „Lobbykratie-Medaille“, einen Negativ-Preis, mit dem LobbyControl Beispiele für manipulative, irreführende oder undemokratische Lobbyarbeit aufzeigte. Das Energieunternehmen RWE hatte damals in der BGR zwei Mitarbeiterstellen in einem Forschungsprojekt finanziert, das Regeln für den Einsatz der CCS-Technologie in Deutschland erarbeiten sollte – eine Technologie, an der RWE selbst natürlich höchst interessiert war! Lesen Sie die Begründung für die Nominierung zur Lobbykratie-Medaille 2011 hier.

Industrie gibt Geld zur Förderung erwünschter Studien

Die aktuellen Recherche zeigen nun, dass es über die (gemeinnützige!) Hans-Joachim Martini-Stiftung eine langfristige und ziemlich ungenierte Zusammenarbeit zwischen Behörde und Industrie gab. Die Idee, die Stiftung aus der Taufe zu heben, hatte 1981 Bayer-Chefgeologe Gerd Anger. Neben Bayer zahlten zunächst Degussa, die Energiekonzerne Preussag und Rheinbraun (damals größter Braunkohleförderer der Republik und heute Teil des RWE-Konzerns), der Gasförderer Wintershall und der Stahlriese Salzgitter in die Stiftung ein, die damals noch ein Fond war.

Und wer Geld gibt, hat auch etwas zu sagen: Wechselnde Manager der fördernden Unternehmen saßen im Lauf der Jahre im Kuratorium der BGR , einem Beratungsgremium der Bundesanstalt, sowie dem Stiftungsrat, hier zusammen mit dem Präsidenten der BGR und einem ständigen Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums. Eine skandalöse Verquickung von Wirtschaftsinteressen mit dem neutralen Beratungsauftrag einer Bundesbehörde!

Geld für klimaskeptische Studie

Unter anderem vergab die Stiftung Geld für die Finanzierung von Tagungen oder neue Computer, vor allem aber für Ehrungen und Fördermittel für Mitarbeiter und Projekte. Häufig für industriefreundliche, wie es scheint.

So förderte sie Ende der 90er Jahre eine brisante Studie, die CO2 als Verursacher des Klimawandels nur eine untergeordnete Rolle zuweist. Den „Hans-Joachim-Martini-Preis“ erhielt ein Forscher, der dem Salzstock Gorleben die Eignung als atomares Endlager bescheinigte – sowie ein weiterer, der den schädlichen Einfluss von Infraschall bei Windrädern zu belegen versuchte.

Empfänger? Stifter? Keine Angabe!

Die Stiftung verfügt derzeit über 400.000 Euro und vergibt weiterhin Fördergelder und Preise. Die Transparenz über Spender und Empfänger dieses Geldes jedoch verweigert sie. In den vergangenen 10 Jahren seien keine neuen Spenden eingegangen, so ihre Auskunft. Für mehr Transparenz fehle es an Geld und Personal. Dies ist ein Skandal, den die Bundesregierung unverzüglich klären muss. Es kann nicht sein, dass eine private Stiftung und ihre Vertreter Einfluss auf die Forschung einer Bundesanstalt nehmen, und ihre Namen und Geldgeber der Öffentlichkeit völlig unbekannt sind!

Deutsche Behörden in fragwürdigem Licht

Die Geschichte wirft ein weiteres schlechtes Licht auf deutsche Behörden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung und das Kraftfahrtbundesamt stehen nach Glyphosatbewertung und VW-Skandal bereits in der Kritik für ihre viel zu enge Zusammenarbeit mit Unternehmen. Als Bürgerinnen und Bürger müssen wir uns die Frage stellen, wessen Interessen diese Behörden dienen – denen der Verbraucher – oder denen der Industrie? Das Thema Unabhängigkeit von Behörden gehört dringend auf die politische Agenda.

Bild: Gerd Fahrenhorst, CC BY-SA 3.0

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