Lobbyismus in der EU

Europäische Allianz gegen Klimapolitik?

Die UN-Klimakonferenz hat am Wochenende in Montreal nach langen nächtlichen Verhandlungen beschlossen, das Kyoto-Protokoll nach 2012 fortzuschreiben und weiter zu entwickeln. Wie dies genau aussehen wird, ist noch offen. Die Debatte um die zukünftige internationale Klimapolitik steht erst am Anfang. Die Gegner von internationalen Klimaschutz-Vorgaben arbeiten unterdessen daran, in Europa eine große Allianz von Konzernen […]
von 12. Dezember 2005

Die UN-Klimakonferenz hat am Wochenende in Montreal nach langen nächtlichen Verhandlungen beschlossen, das Kyoto-Protokoll nach 2012 fortzuschreiben und weiter zu entwickeln. Wie dies genau aussehen wird, ist noch offen. Die Debatte um die zukünftige internationale Klimapolitik steht erst am Anfang.

Die Gegner von internationalen Klimaschutz-Vorgaben arbeiten unterdessen daran, in Europa eine große Allianz von Konzernen und marktliberalen Denkfabriken gegen das Kyoto-Protokoll aufzubauen. Laut internen Unterlagen, die Greenpeace zugespielt wurden, läuft das Projekt unter dem Namen „European Sound Climate Policy Coalition“ und orientiert sich an amerikanischen Erfahrungen. In einer E-Mail und einer Power-Point-Präsentation für den RWE-Konzern skizziert der Klimaskeptiker Chris Horner mögliche Strategien für Lobbying und Meinungsmache. Chris Horner ist Berater beim European Enterprise Institute (EEI) und Mitglied der konservativen US-Denkfabrik „Competitive Enterprise Institute“ (CEI). Das CEI gehört zu den vielen Denkfabriken, die von ExxonMobile für ihre klimaskeptischen Aktivitäten unterstützt werden.

Problematische Strategien
Der Plan von Horner sieht Anti-Kyoto-Positonspapiere vor, Experten, Networking und detaillierte Ratschläge für jeden Politiker oder alle Unternehmen, die das Kyoto-Protokoll und die vorgesehene Reduzierung der CO2-Emissionen in Frage stellen wollen. Außerdem sollen Journalisten und Blogger angesprochen werden, um die Debatte anzuheizen, und die Treffen von Umweltorganisationen besucht werden, um Informationen über deren Sichtweise und Taktiken zu sammeln und auszutauschen.

ExxonMobil wendet sich gegen Kritik an diesen Planungen. Nicht nur die Sichtweisen, das Lobbying und die Finanzierung von NGOs seien legitim: „The notion adopted by some groups … that only their views and only their funding and lobbying are acceptable is, in our opinion, not helpful to the debates vital to developing good public policy“ (zitiert nach dem Independent). ExxonMobil beruft sich damit (wie auch Horner) auf eine simple, pluralistische Interpretation: wir vertreten unsere Position, ihr eine andere – alles ok. Dabei fallen zwei Dinge unter den Tisch:

ExxonMobil ist deshalb auch für den „Worst EU Lobby Award“ nominiert. Aktuell liegt es bei der Internet-Abstimmung aktuell auf Platz zwei. Die Wahlläuft noch bis Dienstag, 13. Dezember, 18 Uhr.

Erfolg bei Unternehmen offen
Wie stark sich die Unternehmen in Europa auf eine solche Allianz einlassen, ist noch offen. In den Unterlagen für RWE behauptet Horner, dass andere Unternehmen wie Lufthansa, Exxon oder Ford bereits Interesse gezeigt hätten. Lufthansa und Ford bestätigen zwar, dass es Kontakte gegeben habe. Sie dementieren aber, dass sie die Pläne unterstützen würden. RWE sagte, sie hätten sich auf Horners Vorschläge hin nicht bei ihm zurückgemeldet.

Denkfabriken aktiv – auch in Berlin
Deutlich ist allerdings, dass die Aktivitäten von Denkfabriken wie dem EEI oder dem International Council on Capital Formation (ICCF) ansteigen. Das ICCF ist der Brüsseler Ableger des American Council on Capital Formation, das sehr enge Industrie-Verbindungen hat. In Berlin organisierte das ICCF mit dem recht jungen „Institut für politische Analysen und Strategie“ eine Diskussion zur Klimapolitik, bei der eine kyoto-kritische Studie des ICCF in deutscher Übersetzung vorgestellt wurde. Zu der Veranstaltung gab es eine Live-Blog – insofern werden die Ideen Horners wie die Ansprache von Bloggern durchaus schon umgesetzt.

IPAS bezeichnet sich selbst als Denkfabrik. Es ist aber eher eine Agentur, bei der man Studien oder Veranstaltungen kaufen kann. Wie die Taktik funktioniert, zeigt der Artikel „Werbung macht die Pillen billig“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (als pdf auf der IPAS-Webseite). Er bezieht sich auf eine über IPAS abgewickelte Studie zum Arzneimittel-Werbeverbot – das erste IPAS-Projekt vom Frühjahr 2005. Die FAS schreibt darin, dass „Wissenschaftler“ zu dem „Befund“ kommen, die Aufhebung des europaweiten Werbeverbots für verschreibungspflichtige Medikamente könnte die Kosten im Gesundheitswesen senken. Sie spricht von einer Studie des Instituts für Politische Analysen und Strategie zusammen mit dem Gesundheitsökonom Klaus-Dirk Henke von der TU Berlin. Dass es einen Dritten im Bunde gibt, den eigentlichen Auftraggeber dieser Studie, fällt unter den Tisch. IPAS wiederum war auf Nachfrage von LobbyControl nicht bereit, den Auftraggeber zu nennen. Er komme aber aus dem Ausland und sei kein Pharma-Unternehmen.

Quellen: Berliner Zeitung, Deutsche Welle, Guardian, Independent, eigene Recherche

Weitere Details finden sich auch in dem Greenpeace-Briefing: „Mit amerikanischen Mitteln gegen den Klimaschutz„, mit einer kleinen Berichtigung (S. 4): Margo Thorning vom ICCF wurde bei der IPAS-ICCF-Veranstaltung in Berlin von Gerd-Rainer Weber vertreten, der früher für den Gesamtverband des Deutschen Steinkohlenbergbaus gearbeitet hat.

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