Macht der Digitalkonzerne

Facebook gibt Millionen für Imagewerbung aus

Mit teuren Werbekampagnen versucht Facebook seinen beschädigten Ruf zu verbessern. Mit der Image-Aufbesserung will der Konzern vor allem die Debatte über strengere Regeln für Internetplattformen beeinflussen. Dafür hat das Unternehmen seit Dezember 2020 allein in Deutschland Printwerbung im Wert von etwa 6,8 Mio. € geschaltet .
von 27. Oktober 2021

Mit teuren Werbekampagnen versucht Facebook seinen beschädigten Ruf zu verbessern. Mit der Image-Aufbesserung will der Konzern außerdem die Debatte über strengere Regeln für Internetplattformen beeinflussen. Dafür hat das Unternehmen seit Dezember 2020 – also seit Beginn der Debatten über neue Regeln für digitale Plattformen – allein in Deutschland Printwerbung im Wert von etwa 6,8 Mio. € (Bruttowerbeausgaben) geschaltet. Das zeigen neuen Berechnungen von uns.

Facebook steht weltweit massiv unter Druck: Während beinahe täglich neue Enthüllungen den Ruf des Unternehmens nachhaltig beschädigen, wird in Brüssel über strengere Regeln für Internetplattformen beraten. Um neue verbindliche Regeln für Internetplattformen zu schaffen und den Machtmissbrauch durch Facebook, Google, Amazon & Co zu verhindern, werden in der EU aktuell zwei Gesetzespakete verhandelt, der sogenannten Digital Services Act (DSA) und der Digital Markets Act (DMA). Gegen diese Gesetze wehren die Plattformen sich mit geballter Kraft.

Rekordausgaben für Lobbyarbeit

Um strengere Regeln zu verhindern, geben die Unternehmen der Digitalbranche in Brüssel Rekordsummen für Lobbyarbeit aus – mehr als 97 Mio. Euro insgesamt. Erst kürzlich haben wir mit einer Studie gezeigt, dass im Vergleich der 10 größten Lobbyakteure, die Digitalbranche derzeit der Sektor mit den höchsten Lobbyausgaben in der EU ist. Damit übertrifft sie sogar die mächtige Auto-, Pharma- oder Finanz-Lobby.

Als vergleichsweise junge und aufstrebende Branche, die ihre Wurzeln außerhalb der EU hat, muss die Digitalbranche für Lobbyarbeit tiefer in die Tasche greifen. Im Gegensatz etwa zur Autoindustrie unterhält sie noch keine so engen Beziehungen zu den nationalen Regierungen. Daher konzentriert sich die Digitalwirtschaft auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Dazu nutzen die Unternehmen neben Lobbynetzwerken aus Denkfabriken, Anwaltskanzleien und Wirtschaftsberatungsunternehmen auch systematisch Werbekampagnen.

Facebook, Google & Co. setzen in ihrer Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit darauf, eigenen Erzählungen gegen strengere Regulierung zu verbreiten und damit die Debatten zu prägen. So verweisen die großen Digitalkonzerne u. a. wiederholt darauf, dass man Bedenken über die Regulierung nur anspreche, um die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen oder Verbraucher*innen zu schützen, nicht die eigenen.

Gleichzeitig versuchen Facebook, Google & Co vordergründig den Eindruck zu erwecken, sie würden strengere Regeln unterstützen und fordern diese teilweise sogar lautstark ein. Ein genauer Blick zeigt jedoch, dass die Unternehmen dabei Selbstverpflichtungen bevorzugen und sich hinter den Kulissen gegen verpflichtende Regeln aussprechen.

Facebooks teure Werbekampagnen

Neben den Rekordausgaben für Lobbyarbeit in Brüssel setzt Facebook auf groß angelegte Motiv-Kampagnen in Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland, um seinen beschädigten Ruf zu verbessern und die Debatte über strengere Regeln für Internetplattformen zu beeinflussen.

Wie viel Geld Facebook dafür in die Hand nimmt, zeigen jetzt neue Berechnungen von uns. Demnach hat Facebook seit Dezember 2020 allein in Deutschland Imagewerbung im Wert von etwa 6,8 Mio. € in Zeitungen und Zeitschriften geschaltet. Dabei handelt es sich um die Bruttowerbeausgaben und nicht um den von Facebook tatsächlich aufgewendeten Betrag. Zum einen wird das Unternehmen versuchen einen niedrigeren Preis auszuhandeln. Dabei kann nur spekuliert werden, wie hoch die Rabatte in der Regel ausfallen. Zum anderen werden für solche Werbekampagnen Dienstleister engagiert, die ebenfalls bezahlt werden müssen.

Die Kosten für Printwerbung stellen gleichzeitig nur einen Teil der Aufwendungen für die Öffentlichkeitskampagnen dar. Beworben werden die Motive nämlich auch als Onlinewerbung und vor allem auch auf den Apps der Plattformen wie z. B. Twitter. Zudem wurden die Kampagnen auch in mehreren europäischen Ländern veröffentlicht. Insgesamt dürfte Facebook in Europa deutlich mehr für Imagewerbung ausgeben, als die von uns berechneten 6,8 Mio. €. Zum Vergleich: nach eigenen Angaben hat Facebook in Brüssel 2020 „nur“ ca. 5,5 Millionen Euro für Lobbyarbeit ausgegeben.

Drei Werbekampagnen seit Beginn der Debatte über neue Regeln für Internetplattformen

Facebook hat seit Dezember 2020 in Deutschland drei unterschiedliche Motiv-Kampagnen in Zeitungen und Zeitschriften geschaltet. Im Dezember 2020 veröffentlichte gleichzeitig die EU-Kommission ihre Entwürfe für neue Regeln für Internetplattformen.

Bei den Facebook-Kampagnen handelt es sich nicht um Produktwerbung, sondern um Imagewerbung, mit der das Unternehmen seinen Ruf verbessern will. Facebook hat zudem auch die Debatten über strengere Regeln für Internetplattformen auf europäischer Ebene dabei im Blick. Mit dieser Werbung sollen daher auch Politik und Gesellschaft beeinflusst werden.

Im Archiv der Twitter-Daten finden sich Details zur Werbung, die einem angezeigt wurde. Mit einem Tweet hat Facebook gezielt User*innen angesprochen, deren Interessen den Followern der Accounts @BMG_Bund, @BMWi_Bund, @BMJV_Bund, @BMFSFJ, @Ausaertigesamt und @BMI_Bund ähneln. (Screenshot mit Klick vergrößern)

Wie sehr das bei Facebook der Fall ist, zeigt die Zielgruppe einer Anzeige des Unternehmens auf Twitter: Angesprochen werden hier gezielt User*innen, deren Interessen den Followern der Accounts @BMG_Bund, @BMWi_Bund, @BMJV_Bund, @BMFSFJ, @Ausaertigesamt und @BMI_Bund ähneln. Die Zielgruppe sind demnach politische Entscheidungsträger*innen.

Einen Zusammenhang der Kampagne mit den aktuellen Debatten über Regulierung hat Facebook auf Anfrage von uns jedoch zurückgewiesen: „Unser Ziel ist es, die positiven Auswirkungen unserer Plattform für Unternehmen, Communities, Fundraising und Forschung in Europa hervorzuheben. Es ist der Erfolg dieser Unternehmen und Menschen, der im Mittelpunkt dessen steht, was wir mit der Kampagne zeigen wollen. Debatten über Gesetzgebung oder Regulierung sind nicht Teil der Kampagne ‚It's happening on Facebook‘“. Das steht jedoch im Widerspruch zu den Zielgruppen der Werbung auf Twitter.

Personalisierte Werbung? - „Mit Facebook geht das“

Motiv der Anzeigen-Kampagne "Mit Facebook geht das". (Zum Vergrößern klicken.)

Facebook mischt sich mit der Werbekampagne „Mit Facebook geht das“ direkt in die Diskussionen um eine Neuregelung von personalisierter Werbung ein. Wie diese geregelt werden soll, ist eines der umkämpften Themen im Digital Services Act, der derzeit in Brüssel beraten wird. Druck für eine Verschärfung der Regeln kommt u. a. von der parteiübergreifenden Tracking-Free Ads Coalition, die sich für ein Ende solcher Werbepraktiken einsetzt.

Facebook sieht sein Geschäftsmodell in Gefahr und warnt auf einem der Motive mit drastischen Worten: „Wenn ich keine personalisierte Werbung machen könnte, würde ich mehr als die Hälfte meines Umsatzes verlieren,“ wird eine Unternehmerin zitiert.

Weitere Motive der Kampagne heben die positive Rolle von Facebook besonders bei der Neugründung von Unternehmen hervor: „73 % der Unternehmen in der EU haben Facebook und Instagram als Starthilfe genutzt. Sie nutzen verstärkt die Plattformen der sozialen Medien, um den Umsatz zu steigern.“

Veröffentlicht werden die Motive der Kampagne „Mit Facebook geht das“ seit dem 15. Juli in den überregionalen Tageszeitungen wie SZ, FAZ, Welt und Tagesspiegel. Von Juli bis Ende September kommt die Anzeige dabei auf Bruttowerbeausgaben im Wert von 2,5 Mio. €.

„Deutschland wählt!“ - Umgang mit Desinformationen

Motiv aus Facebooks Anzeigen-Kampagne "Deutschland wählt" (Zum Vergrößern klicken.)

Während des Bundestagswahlkampfes hat Facebook mit der Kampagne „Deutschland wählt!“ auf seine Bemühungen gegen Desinformationen und für Transparenz verwiesen, um die Wahlen zu schützen. Der Umgang mit Desinformationen und verpflichtende Transparenzregeln sind beide zentrale Teile der Verhandlungen um den Digital Services Act in Brüssel.

An beiden Aussagen gibt es jedoch deutliche Kritik und Zweifel. Erst kürzlich hat das Wall Street Journal über die geringe Wirksamkeit der Hatespeech-Erkennungssysteme berichtet. Und die zivilgesellschaftliche Initiative Algorithmwatch hat wiederholt die mangelnde Transparenz von Facebook kritisiert und fordert daher einen Digital Services Act, der Forschung zu Plattformen im öffentlichen Interesse schützt und den Zugang zu Daten von Online-Plattformen rechtlich garantiert.

Facebook will durch die Anzeigen jedoch den Eindruck unterstreichen, man habe die Situation unter Kontrolle. Weitere gesetzliche Regelungen seien demnach nicht nötig.

Die Motive der Kampagne erschienen vom 13. August 2021 bis zur Bundestagswahl in überregionalen Tageszeitungen wie der FAZ, SZ, Welt oder Tagesspiegel. Aber auch in Magazinen wie Stern oder Spiegel. Die geschalteten Anzeigen entsprechen in dem Zeitraum Bruttowerbeausgaben im Wert von 1,6 Mio. €.

„Zusammenarbeit und Solidarität in Zeiten von COVID-19“

Motiv aus Facebooks Anzeigen-Kampagne "Zusammenarbeit und Solidarität in Zeiten von COVID-19". (Zum Vergrößern klicken.)

Auch die Kampagne von Facebook zur Corona-Pandemie geht über reine Imagewerbung hinaus. Schon früh versuchten sich die Digitalkonzerne in der Krise als Teil einer Lösung zu inszenieren und so den schlechten Ruf der vergangenen Jahre zu verbessern. Das Coronavirus machte Amazon, Google und Facebook plötzlich zu wichtigen Helfern.

Selbstbewusst betont Facebook in den Motiven seine wichtige Rolle bei der Pandemiebekämpfung: „Wir bauen Ressourcen auf, um Menschen in Echtzeit zuverlässig zu informieren und die Pandemie einzudämmen.“ In einigen Motiven der Kampagne wird zudem darauf verwiesen, dass man mit Partnern daran arbeite, COVID-19-Falschinformationen zu reduzieren.

Die Motive erschienen von Anfang Dezember 2020 bis Anfang Januar 2021. Veröffentlicht wurden die Anzeigen in überregionalen Tageszeitungen wie FAZ, Süddeutsche Zeitung, Welt und Handelsblatt. Die geschalteten Anzeigen entsprechen Bruttowerbeausgaben im Wert von 2,7 Mio. €.

Strenge Regeln für Internetplattformen sind überfällig

Die Macht der großen Internetkonzerne ist zu einer Gefahr für die Demokratie geworden. Daher ist es jetzt an der Zeit, Facebook & Co wirksam zu regulieren und ihre Macht zu begrenzen. Die von der EU-Kommission geplanten strengeren Regeln für Internetplattformen sind dafür eine gute Gelegenheit. Das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten müssen jetzt sicherstellen, dass das geplante Gesetzespaket kein zahnloser Tiger wird.

Zudem benötigen wir mehr Ausgewogenheit beim Lobbying gegenüber der EU-Kommission und dem Parlament. Hier sollten die EU-Institutionen selbst tätig werden und proaktiv Zivilgesellschaft und Wissenschaft stärker einbinden. Aber auch die Digitalkonzerne selbst müssen aktiv werden und mehr Transparenz schaffen. Facebook sollte etwa seine Ausgaben für Imagewerbung in ganz Europa offenlegen.

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