Lobbyismus und Klima

„E-Fuels for Future“: Wie die Benzinlobby sich als Teil der Klimabewegung inszeniert

Parallel zu einer Aktionswoche von Klimaaktivist:innen hat der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen die Kampagne „e-fuels for future“ gestartet.
von 23. September 2021
Kampagnenbild von "E-Fuels for Future"
Quelle: Uniti -
Kampagnenbild von "E-Fuels for Future"

Parallel zu einer Aktionswoche von Klimaaktivist:innen in Berlin hat der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen (Uniti) die Kampagne „e-fuels for future“ gestartet. Damit will er synthetische Kraftstoffe als Teil der Lösung für den Klimaschutz präsentieren. Zur Auftaktaktion wurden für ein Fotoshooting „Demonstrant:innen“ bei einem Jobportal gebucht, wie LobbyControl vorliegende Unterlagen zeigen. Die Mineralölindustrie will sich damit als Teil der Klimabewegung inszenieren.

E-Fuels sollen das Geschäft am Laufen halten

Die Mineralölindustrie hat viel zu verlieren in der Klimadebatte. Eigentlich alles, nämlich das Produkt, auf dem ihr lukratives Geschäft beruht – das Mineralöl, aus dem Diesel und Benzin hergestellt werden. Es ist einer der relevantesten Treiber des Klimawandels. Allein der deutsche Verkehrssektor emittiert etwa 160 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Klimawissenschaftler:innen sind sich einig: Ohne Abkehr ist das Klima nicht zu retten.

Um ihr Geschäftsmodell – Tankstellen, Infrastruktur usw. – doch noch am Leben zu erhalten, hat sich die Mineralölbranche den so genannten E-Fuels – synthetischen Kraftstoffen – zugewandt. Für den künstlichen Sprit wird Wasserstoff aus erneuerbaren Energien mit CO2 angereichert, damit er ganz wie herkömmliche Kraftstoffe genutzt werden kann. Wird dieses CO2 aus der Luft entnommen, in die es ja später wieder hinausgepustet wird, darf die Mineralölwirtschaft von „klimaneutral“ sprechen.

Doch trotz allen Drucks, den die Mineralölwirtschaft bisher ausgeübt hat: Für den Großteil der Expert:innen steht fest, dass E-Fuels vor allem für Flugzeuge, Schiffe und eventuell für LKWs eine Lösung sind. Nicht aber für normale PKW. Bleibt es dabei, würde der Mineralölindustrie der größte Kunde verloren gehen. Die politische Entscheidung ist noch lange nicht gefallen, FDP und CDU setzen sich im Wahlkampf deutlich für einen viel breiteren Einsatz von e-fuels ein. Auch Verkehrsminister Scheuer will den Kraftstoff auch für PKW weiter fördern.

Kampagne präsentiert e-fuels als unabdingbar für den Klimaschutz

Die Mineralölunternehmen versuchen, auch die Öffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen – vor allem die Autofahrer:innen. Soeben hat der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen (Uniti) – nach eigenen Informationen Vertreter von 1000 Mitgliedsfirmen, vor allem der freien Tankstellen – eine neue Kampagne mit dem Namen „e-fuels for future“ gestartet. Sie lässt sich in vielen Aspekten als fragwürdig bezeichnen. Mit ihr präsentiert der Verband e-fuels nicht nur als vermeintliche Lösung für den Klimaschutz – er inszeniert sich und seinen künstlichen Kraftstoff auch gleich als Teil der Klimabewegung.

Das fängt schon mit dem Titel der Kampagne an: „E-fuels for Future“ ist natürlich eine Abwandlung der Klimastreik-Bewegung Fridays-for-Future. Zum Auftakt der Kampagne in Berlin inszenierte die von Uniti gebuchte Agentur „Super an der Spree“ eine „Demonstration“. Auf Fotos z.B. vor dem Berliner Reichstagsgebäude posieren gekaufte Demonstrant:innen mit „E-fuels for Future“-Schildern, die selbst gebastelt aussehen sollen – aber eigentlich professionell gedruckt worden sind. So wird versucht, die Glaubwürdigkeit der Klimabewegung für die Geschäftsinteressen der Mineralölindustrie zu kapern. Mit diesen Bildern will sie zeigen: Wir sind eigentlich Teil von euch – denn ohne uns werdet ihr die Klimaziele nicht erreichen.

Eine Agentur bucht „Demonstranten“ für eine PR-Aktion

LobbyControl vorliegende Dokumente zeigen, dass die Demonstrant:innen von der Agentur „Super an der Spree“ über das Jobportal InStaff angeheuert wurden. Gesucht wurden auf der Seite des Portals „Demonstranten“ (tatsächlich mit Anführungszeichen versehen) für eine PR-Aktion in Berlin Mitte. Sie sollten an drei Orten im Berliner Regierungsviertel A1-Protestschilder hochhalten und für einen nachhaltigen Klimakraftstoff „demonstrieren“ (auch hier wieder mit Anführungszeichen).

Auch beim zeitlichen Rahmen hat die Agentur „Super an der Spree“ sich der Klimabewegung bedient. Der Kampagnenauftakt fand im August statt, genau in der Woche, in der die Klima-Initiative „Extinction Rebellion“ in Berlin medienwirksam eine Woche der Klimaproteste mit Blockaden und anderen Aktionen durchführte.

Wenig Transparenz über Urheber der Kampagne

Die Transparenz über die Urheber der Kampagne ist nicht besonders groß. Die Kampagne läuft jetzt vor allem mit Werbung und Bannern für Autofahrer:innen, z.B. großen Bannern an Tankstellen weiter. Auf einem Aktionsbild ist zu sehen, dass diese Banner neben dem Kampagnennamen „E-Fuels for Future“ aber nur den Slogan „Klimaschutz könnte man tanken“ und einen Verweis auf die Webseite „e-fuels.de“ tragen. Diese ist ebenfalls an eine typische zivilgesellschaftliche Kampagne angelehnt, mit Ratschlägen an Autofahrer:innen, wie sie aktiv werden können – z.B. „Fragen Sie Ihre Bundestagskandidaten, ob sie sich für E-Fuels einsetzen.“ Informationen über die Urheber gibt erst ganz am Ende der Seite.

Verlinkt ist auf der Seite bei den "FAQs" auch die E-Fuel-Alliance, die ebenfalls eine Kampagne zu synthetischen Kraftstoffen durchführt. Das zeigt, dass die Kampagne von Uniti wohl nur ein Puzzleteil  einer sehr viel größeren Kampagne für E-Fuels ist. Zur E-Fuel-Alliance gehören neben den mittelständischen Tankstellen, die Uniti vertritt, dann auch große Mineralölkonzerne wie ExxonMobil oder größere Tankstellenbetreiber wie Jet, Schmiermittelhersteller und viele mehr. Vorsitzende dieser Autosprit-Allianz, die sich auch ins Brüsseler Transparenzregister eingetragen hat, ist pikanterweise die ehemalige Greenpeace-Aktivistin, niedersächsische Umweltministerin und Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn.

Technologieoffenheit – ein Kampfbegriff der fossilen Industrie

Wie stark auch synthetische und Biokraftstoffe in die CO2-Bilanzen des Verkehrssektors mit einbezogen werden dürfen, ist noch lange nicht entschieden. Kein Zweifel, E-Fuels haben ein wichtiges Argument auf ihrer Seite: Die Verbrennungsmotoren, Tankstellen, die ganze Infrastruktur könnten einfach weiter genutzt werden.

Aber nach jetzigem Stand ist die Elektromobilität bei normalen PKWs deutlich vorteilhafter: E-Fuels brauchen bei ihrer Herstellung 7 mal so viele erneuerbare Energien, als würde man diese direkt nutzen. Und da Wasserstoff aus erneuerbaren Energien, Ausgangsstoff für die synthetischen Kraftstoffe, auch zunächst noch knapp und teuer sein wird, sind sich viele Wissenschaftler:innen mit politischen Expert:innen einig, dass man E-Fuels besser erstmal da einsetzt, wo es nicht anders geht, vor allem bei Flugzeugen und Schiffen.

Autoindustrie setzt kaum mehr auf E-Fuels

Auch die Autoindustrie selbst setzt inzwischen ganz überwiegend auf Elektroautos. E-Fuels, Brennstoffzelle usw. wurden in Projekten aber über Jahre mit großen Summen staatlich gefördert und haben sich am Ende nicht durchgesetzt. Dass die Mineralölindustrie jetzt in ihrer Kampagne „Technologieoffenheit“ einfordert, ist daher nicht ehrlich. So wie es aussieht, haben E-Fuels in PKWs den Technologiewettbewerb schlicht verloren.

Den Begriff der „Technologieoffenheit“ verwendet auch die Gaslobby gerne. Auch sie setzt voll auf den Wasserstoff als Zukunftstechnologie und fordert beispielsweise, diesen auch zum Heizen zu verwenden. Da passt es übrigens, dass auch die Mineralölkampagne „E-Fuels for Future“ nicht nur auf PKWs, sondern auch auf das Heizen abzielt: Ölheizungen sollen mit E-Fuels klimaneutral betrieben werden. Derzeit ist allerdings vorgesehen, dass Ölheizungen ab 2026 gar nicht mehr eingebaut werden.

Die fossile Industrie hat den Kampf um ihre Zukunft noch lange nicht aufgegeben. Wir bleiben für Sie auf ihren Spuren.

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