Reichtum und Einfluss

Die Macht des großen Geldes: Lobbyismus und Großspenden im Wahlkampf

Die Bundestagswahl ist in diesem Jahr besonders umkämpft. Nicht nur die Parteien und ihre Kandidat:innen streiten dabei bis zum Schluss – auch finanzstarke Lobbygruppen und reiche Einzelpersonen mischen sich in den Wahlkampf ein.
von 23. September 2021

Die Bundestagswahl ist in diesem Jahr besonders umkämpft. Nicht nur die Parteien und ihre Kandidat:innen streiten dabei bis zum Schluss – auch finanzstarke Lobbygruppen und reiche Einzelpersonen mischen sich in den Wahlkampf ein. Deutlich zeigt sich das am Beispiel der Steuerpolitik und bei Großspenden. Auch nach der Wahl wollen wir den Einfluss finanzstarker Lobbygruppen sichtbar machen und mehr Lobbyregulierung von der nächsten Bundesregierung einfordern.

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Reichenlobby gegen die Vermögenssteuer

Wer finanziert die Lasten der Corona-Krise, wer zahlt für den Umbau der Wirtschaft angesichts der Klimakrise? Das sind zentrale Fragen im Wahlkampf. Ein wichtiger, aber zumeist unsichtbarer Akteur in der Debatte: die mächtige Lobby des großen Geldes, die die Besteuerung von Reichtum verhindern will.

Dazu zählt vor allem der Verband „Die Familienunternehmer“, der derzeit eine groß angelegten Kampagne gegen die Wiedereinführung der Vermögenssteuer organisiert. Die Lobbyarbeit des Verbands findet überwiegend außerhalb des Lichts der Öffentlichkeit statt: am Schreibtisch beim Formulieren von Positionspapieren und auf Treffen mit Politiker:innen. Im Wahlkampf tritt der Verband nun an die Öffentlichkeit, um Stimmung für seine politische Hauptforderung zu machen: die Verhinderung einer Vermögenssteuer.

Die durchgehende Warnung des Verbands lautet: Eine Vermögenssteuer würde dazu führen, dass Unternehmen weniger investieren. Als Beleg für diese These dienen dem Verband immer wieder Umfragen mit problematischem Design. Erst jüngst ließ der Verband über ein Meinungsforschungsinstitut in der breiten Bevölkerung Meinungen zu einem möglichen Investitionsrückgang abfragen. Aus dem Umfrageergebnis, dass Bürger:innen (und noch nicht einmal Fachleute) glauben, dass eine Vermögenssteuer Investitionen verhindern würde, wurde dann schnell eine Tatsachenaussage gestrickt (siehe Grafik).

Quelle: familienunternehmer.eu -

Irreführende Aussagen und manipulative Umfragen

Die tatsächliche Entwicklung von Unternehmensgewinnen und Investitionen der vergangenen Jahrzehnte spricht allerdings eine andere Sprache. Von den steigenden Unternehmensgewinnen wurde ein immer geringerer Teil investiert, ein immer größerer Teil von den Eigentümer:innen privat vereinnahmt.

Beliebt sind im Verband außerdem hausinterne Umfragen unter den eigenen ca. 6.000 Mitgliedsunternehmen. Dass diese Umfragen höchst suggestiv sind, zeigte sich jüngst bei einer dieser Umfragen, die der Journalist Tilo Jung auf Twitter veröffentlichte: Einer Umfrage zur Einschätzung einer möglichen rot-grün-roten Regierung wurde vorangestellt, diese solle dazu dienen, ein „Linksbündnis“ medial als „Schreckgespenst“ darzustellen.

Ist das schon Erpressung? Anzeige aus der Süddeutschen Zeitung vom 11./12.9.2021

Erst jüngst spitzte der Verband noch weiter zu: In einer Zeitungsanzeige drohte der Verband, dass nach Einführung der Steuer regionale Vereine nicht länger finanziell unterstützt würden (siehe Foto). Das regionale Vereinsleben werde geschädigt, so der Verband.

Unter den Stichwörtern „Sportbremse“ und „Kulturbremse“ konkretisiert der Verband in seinem Kampagnenvideo, in welchen Bereichen Unternehmen ihre Spendenbereitschaft angeblich kürzen würden. Diese Aussage kommt einer Erpressung gleich: Kommt die Vermögenssteuer, dann ziehen wir unser Geld aus dem Vereinsleben, aus der Kultur und dem Sport zurück.

Lobbyarbeit für kleine Unternehmen oder Superreiche?

Die Argumentation des Verbands ist außerdem manipulativ und irreführend. Denn sie beruht darauf, dass mittelständische Handwerksbetriebe von der Steuer betroffen wären. Doch die steuerpolitischen Konzepte, die derzeit debattiert werden, sehen große Freibeiträge für Betriebsvermögen vor und würden Handwerksbetriebe und andere kleine Unternehmen in aller Regel nicht betreffen.

Auch für die Aussage, dass durch die Besteuerung große Vermögen nicht mehr investieren würden, gibt es keine eindeutigen fundierten wissenschaftlichen Belege. Außerdem: Mehr Steuereinnahmen könnten der öffentlichen Hand auch ermöglichen, das regionale Vereinsleben stärker zu fördern – und es damit von den Launen und Androhungen mächtiger lokaler Unternehmen unabhängiger zu machen.

Wichtig zu wissen ist dabei auch, in wessen Namen der Verband spricht. Mitglied im Verband „Die Familienunternehmer“ sind 6.000 Unternehmen, darunter auch Großunternehmen wie Dr. Oetker, Merck und BMW, deren Eigentümerfamilien zu den reichsten Familien in Deutschland zählen. Es sind diese Familien und nicht die lokalen Handwerksbetriebe, die von der Besteuerung von Reichtum spürbar betroffen wären. Hier setzt also ein finanzstarker Lobbyverband seine ökonomische Macht ein, um die Eigeninteressen seiner reichsten und vermutlich einflussreichsten Mitglieder durchzusetzen.

Unredliche Drohkulisse

Eine Lobbykampagne auf dem Rücken des regionalen Vereinslebens auszutragen und Betroffenheit in der Breite der Bevölkerung zu suggerieren, ist unredlich. Die Kampagne schürt unnötige Ängste und betreibt irreführende und manipulative Stimmungsmache, um die steuerpolitische Debatte im Sinne der Reichsten zu beeinflussen. Eine solche verzerrte Debatte im Eigeninteresse mächtiger Lobbygruppen ist schädlich für die Demokratie. Politikerinnen und Politiker sollten sich solche Kampagnen nicht zu eigen machen.

Irreführende Aussage: Das Logo der Bündniskampagne gegen die Vermögenssteuer

Der Verband ist außerdem Teil der Bündnis-Wahlkampagne „Vermögenssteuer trifft alle“, die gemeinsam mit dem Bund der Steuerzahler und dem Verband Familienbetriebe Land und Forst organisiert wird. Der Bund der Steuerzahler gibt sich sehr wirtschaftsfreundlich, die Familienbetriebe Land und Forst vertreten vor allem alte Adelsfamilien mit Grundbesitz.

Unterstützt wird die Kampagne von weiteren Verbänden wie u.a. Deutsche Stiftung Eigentum, Haus und Grund, Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Gesamtmetall, Verband der Rauchtabakindustrie, dem Zentralen Immobilienausschuss sowie der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft unterstützt wird. Trotz dieser illustren Initiatorenrunde suggeriert auch diese Kampagne allgemeine negative Auswirkungen auf alle Bürgerinnen und Bürger durch die Vermögenssteuer und stellt zu diesem Zweck Grafiken und weiteres Material bereit.

Großspenden im Wahlkampf

Das Thema Geld und Reichtum hat im Wahlkampf auch noch eine andere Dimension: Reichtum und insbesondere die Konzentration von Reichtum bei einigen wenigen hat auch Auswirkungen auf die politische Debatte – nämlich dann, wenn hohe Geldsummen eingesetzt werden, um den Wahlkampf zu beeinflussen. Auf Twitter kommentiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, eine sechsstellige Großspende des Finanzunternehmers Carsten Maschmeyer an die FDP: „Die haben doch offensichtlich alle einfach nur viel zu viel Geld. Vermögenssteuer nötig und möglich.“

Im Wahlkampf 2021 gab es schon jetzt Großspenden in Rekordhöhe, weitere Summen werden bis zum Ende des Jahres voraussichtlich noch bekannt werden. In den ersten neun Monaten flossen bereits über 11,6 Millionen Euro an Großspenden über 50.000 Euro. Das ist bereits weit fast zweieinhalb Mal so viel wie im letzten Bundestagswahljahr 2017. Geldgeber sind vor allem reiche Einzelpersonen, die ihr Geld als Erben oder Unternehmer erworben haben.

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Bei den Empfängern liegt die FDP klar an erster Stelle mit knapp 4,3 Millionen Euro. An zweiter Stelle liegen erstmals die Grünen, die mit 3,4 Millionen Euro weit mehr Spenden bekamen als je zuvor. Dahinter folgt die Union mit 3,2 Millionen Euro. Mit nur 1,5 Prozent der Spendeneinnahmen (175.000 Euro) liegt die SPD weit abgeschlagen. Weitere vier Parteien, nämlich MLPD, Die Partei, Die Basis und Die Linke, teilen sich die restlichen 4,2 Prozent des Spendenkuchens. Die Großspenden an die Grünen sind pikant, weil die Partei eine gesetzliche Obergrenze von 50.000 Euro pro Spender und Jahr fordert. Es mag verständlich sein, dass die Partei sich angesichts fehlender Regeln nicht selbst benachteiligen will, glaubwürdiger wäre es allerdings, die Grünen lehnten Spenden über 50.000 Euro ab.

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Bei den Zahlen handelt es sich um die offiziell dem Bundestag gemeldeten Spenden von je über 50.000 Euro. Die AfD bekam 2021 noch keine solche Spende – allerdings hat sie in zahlreichen Wahlkämpfen seit 2016 Wahlkampfhilfen im Wert eines zweistelligen Millionenbetrags nicht als Spenden deklariert. Der Skandal ist immer noch nicht vollständig aufgeklärt.

Verdeckte Geldflüsse und Kampagnen gegen die Grünen

Die Grünen haben in diesem Wahlkampf allerdings nicht nur auffällig viele Großspenden erhalten, sondern sind auch Ziel einer millionenschweren Gegenkampagne aus intransparenten Quellen. Die Kampagne „Grüner Mist" plakatierte an vielen Orten in Deutschland großflächig Parolen gegen die Grünen. Organisiert wurde die Kampagne offiziell von David Bendels, Vorsitzender eines dubiosen Briefkastenvereins, der in der Vergangenheit bereits millionenschwere Wahlkampagnen für die AfD verbreitet hat. Der Verein nutzt gezielt Schlupflöcher in den Transparenzauflagen des Parteiengesetzes, so dass die Geldgeber im Dunkeln bleiben.

Der Verein und sein(e) Geldgeber haben nun die Taktik gewechselt, aber nicht die Strategie. Die Anti-Kampagne erinnert an US-Verhältnisse. In USA wurden schon vor Jahren vermeintliche Bürgerinitiativen gegründet, die sich lautstark u.a. gegen Umwelt- und Klimaschutz wenden. Finanziert wurden und werden sie häufig von der fossilen Industrie. Die Autorin Jane Mayer bezeichnet diese Art der Wahlkampffinanzierung als „Dark Money“.

Auch finanzstarke Lobbyakteure richteten ihre Kampagnen gezielt gegen die Grünen. Die arbeitgeberfinanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft fiel bereits im Juni durch irreführende und manipulative Aussagen auf, als diese die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock im Moses-Gewand der Verbotspolitik bezichtigte. Auch der Verband „Die Familienunternehmer“ wandte sich mit einer Aktion zum grünen Parteitag zunächst direkt an die eine Partei, später warnte er breiter vor einem „Linksbündnis“ aus SPD, Grünen und Linken.

Quelle: Lobbyreport 2021 -
Regeln für Parteispenden in EU-Ländern (zum Vergrößern auf die Grafik klicken)
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Regeln für Parteispenden in EU-Ländern (zum Vergrößern auf die Grafik klicken)

Korrektheit und Anstand wahren!

Im Wahlkampf zeigt sich noch einmal besonders deutlich, wie sich gesellschaftliche Machtungleichgewichte auch in der Politik widerspiegeln. Es macht einen Unterschied, ob eine Partei oder ein politisches Lager im Wahlkampf zusätzliche Millionen oder auch Unterstützung in Form von teuren, aufwändigen Anzeigenkampagnen erhält.

Nicht nur Parteien, auch Lobbyverbände sollten Korrektheit und Anstand in ihrer Wahlwerbung wahren. Gerade finanzstarke Lobbyakteure sollten sich ihrer besonderen (finanziellen) Einflussmöglichkeiten auf den Wahlkampf bewusst sein und sachlich korrekt und fair agieren – letzteres gilt aber selbstverständlich für alle Akteure. Nicht nur falsche, sondern auch irreführende oder manipulative Aussagen sind schädlich für die Demokratie, weil sie sachliche Debatten verzerren und erschweren.

Um die Rolle des großen Geldes in der Politik zu beschränken, fordern wir seit langem, Parteispenden auf maximal 50.000 Euro pro Spender, Partei und Jahr zu begrenzen. In den meisten EU-Ländern gibt es solche Obergrenzen (siehe Grafik), aus gutem Grund: Schrankenlose finanzielle Einflussnahme untergräbt die politische Chancengleichheit und die Demokratie.

Koalitionsverhandlungen: Hochphase für Lobbyismus

Nach der Bundestagswahl beginnt auch für Lobbyist:innen eine neue Phase. Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen gelten als Hochphase für Lobbyakteure: Was hier verhandelt wird, ist für die nächsten Jahre erst einmal festgeschrieben. Um die Verhandlungen in großen und kleinen Runden werden sich viele Lobbyakteure scharen, die sich, je nach Budget und Zugängen, mehr oder weniger direkt in die Verhandlungen einbringen werden.

Unser Ziel für die Koalitionsverhandlungen ist deswegen ein doppeltes: Wir wollen sichtbar machen, wer auf die Verhandlungen Einfluss nimmt, um einseitige und irreführende Einflussname zurückdrängen zu können. Und: Wir setzen uns weiter für mehr Lobbyregulierung ein. Dazu gehören Obergrenzen und mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung. Ganz zentral geht es aber auch um die Einführung einer Lobby-Fußspur, die Einflussnahme im Gesetzgebungsprozess konkret sichtbar macht. Die Verhandlungen dazu waren im Frühjahr dieses Jahres bereits weit fortgeschritten, scheiterten aber letztlich am Widerstand der Union. Darüber hinaus geht es uns um eine Verbesserung des Lobbyregisters, das im März beschlossen wurde, in der jetzigen Form aber noch unzureichend ist. Auch für uns bleibt also viel zu tun nach der Wahl.

Zum Weiterlesen

Lobbyreport 2021. Beispiellose Skandale - strengere Lobbyregeln: Eine Bilanz von vier Jahren Schwarz-Rot (September 2021)

Gemeinwohl stärken - Lobbytransparenz schaffen: Gemeinsamer Aufruf mit mehr als 50 Organisationen zur Bundestagswahl

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